Was bringen die Aufsteiger?

02.05.2019

Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires / Foto: © astridsinai - stock.adobe.com

Wie rasant Chinas wirtschaftlicher Aufschwung in den vergangenen drei Jahrzehnten verlief, macht ein Blick auf den MSCI Emerging Markets Index deutlich: Die Volksrepublik wird dort erst seit 1996 geführt und hatte anfangs ein Gewicht von gerade einmal 0,46 %, heute liegt das Gewicht bei 31 %. Derzeit ziehen über dem wirtschaftlichen Himmel des „Reichs der Mitte“ aber dunkle Wolken auf, die von der anderen Seite des Pazifiks kommen: die von Donald Trump vom Zaun gebrochenen Handelsstreitigkeiten. Diese haben auch ihre negativen Auswirkungen auf die aktuellen makroökonomischen Daten aus dem „Reich der Mitte“. „Peking hat deshalb versucht, die Wirtschaft mit antizyklischen Maßnahmen zu unterstützen“, erklärt Xavier Hovasse, Head of Emerging Markets Equities bei Carmingnac. Seiner Meinung nach ist der aktuelle Zeitpunkt für einen Handelskrieg für China derzeit äußerst ungünstig. „Die Flexibilität Chinas ist insgesamt zunehmend geringer, da das Land seit einiger Zeit keinen Leistungsbilanzüberschuss mehr erwirtschaftet hat und langfristige Finanzierungen wie ausländische Direktinvestitionen stark zurückgegangen sind. Dies alles belastet die Zahlungsbilanz des Landes und lässt der chinesischen Regierung weniger Spielraum.“

Ebenso wie China hat auch die Türkei in den vergangenen Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt: Seitdem Anfang des Jahrtausends die AKP die Regierung stellt, erlebte das Land enormes Wirtschaftswachstum und auch einen deutlichen Anstieg des Lebensstandards der gesamten Bevölkerung. Dieser Aufschwung wurde jedoch teuer erkauft: So leidet das Land seitdem an einem hohem Leistungsbilanzdefizit. Dazu trägt auch eine geringe Sparquote von gerade einmal ca. 13 % bei, die dafür sorgt, dass türkische Banken und Unternehmen hohe Kredite aufnehmen mussten, oftmals in Fremdwährung. Aufgrund der zunehmend autokratischen Politik Recep Tayyip Erdogans verringerten sich bereits die ausländischen Kapitalzuflüsse. Die politische Instabilität nach dem Putschversuch im Sommer 2016 schreckte viele ausländische Investoren ab, was die Situation immer weiter verschlimmerte, eben-so wie die Verhaftung des US-Pastors Andrew Brunson, die amerikanische Strafzölle auf türkische Produkte nach sich zog. Krisenverschärfend wirkt auch die Zinspolitik Erdogans, der sich aus ideologischen Gründen weigert, den Leitzins von derzeit 24 % anzuheben, um einen weiteren Verfall der Lira einzudämmen. Durch die starke Abwertung der türkischen Lira gegenüber dem US-Dollar schrumpfte das BIP der Türkei im vergangenen Jahr um 20 %.

Angesichts der Probleme, die China und die Türkei derzeit haben, stellt sich sicherlich mancher Berater die Frage, ob er seinen Kunden Investments in „neuen“ Schwellenländern wie Argentinien oder Saudi-Arabien empfehlen sollte. Für Sailesh Lad, Senior Portfolio Manager im Global Emerging Markets Fixed Income Team von AXA Investment Managers, ist diese Frage aber nicht mit einem simplen “Ja” oder “Nein” zu beantworten. „Zurzeit haben wir sowohl in ‚alten‘ als auch in ‚neuen‘ Schwellenländern attraktive Möglichkeiten gesehen und ich würde daher behaupten, dass die Unterscheidung zwischen ‚alt‘ und ‚neu‘ nicht ein-fach ist, sondern ein tiefes Verständnis dessen voraussetzt, in welche Richtung sich jedes einzelne Land entwickeln wird. Ich würde also sagen, es wäre eine zu weit gefasste Aussage, um alle neuen oder alten Schwellenländer als eher für Investitionen geeignet zu betrachten oder umgekehrt.“ Er rät deshalb, keine übereilten Schlüsse zu ziehen, denn die Lage in den Schwellenländern könne sich schnell wieder ändern. „Ein Land, das in einem Jahr in Schwierigkeiten steckt, ist vielleicht die nächste Investition und umgekehrt.“ (ahu)