Wenn die Krankenkasse auf Intensivstation liegt

20.10.2025

Bankrocker Stephan Heider / Foto: © Alexey_Testov

Das Handy vibriert, mein Papa schickt mir einen PresseScreenshot per WhatsApp: „Die gesetzliche Krankenkasse steht unter Druck.“ Er fragt: „Muss ich mir Sorgen machen?“ Meine Antwort war knapp und ehrlich: Ja. Nicht „mal sehen“Ja. Sondern Schockraum-Ja. Denn unser Patient heißt „Gesetzliche Krankenkasse“ – und er liegt nicht nur in der Notaufnahme, er liegt längst auf Intensiv. Seit Jahren hat er den fälligen Finanz-Arztbesuch verschoben. Jetzt piepen die Monitore, die Pfleger rennen, und die Politik verteilt Prospekte, als wären sie Schmerzmittel. Was es bräuchte: klare Diagnose, Defibrillator-Entscheidungen, eine echte Adrenalinspritze – keine finanz-homöopathische Globuli.

Die Zahlen sind eindeutig: 2024 machten die Krankenkassen ein Defizit von über 6 Mrd. Euro, Prognosen sprechen bis 2027 von 12 Mrd. jährlich. Heute zahlen Versicherte im Schnitt 17,5 %, einige Kassen fordern bis zu 4,4 % Zusatzbeitrag (Durchschnitt 2,9 %). Neun Kassen haben mitten im Jahr erhöht – ohne Brief, ein Hinweis auf der Website reicht. Wer nicht hinsieht, zahlt einfach mehr. Pech gehabt.

„Es ist schlicht nichts mehr da, womit die Krankenkassen steigende Kosten ausgleichen könnten“, warnt Thomas Adolph vom Portal gesetzlichekrankenkassen.de. Und DAK-Chef Andreas Storm nennt Kredite statt Zuschüsse „ein Strohfeuer mit Jojo-Effekt“.

Seit Mai steuert Gesundheitsministerin Nina Warken den „SanKa“ der GKV. Doch statt 10 Mrd. Euro Zuschuss gibt’s nur 2,3 Mrd. Kredit – mit Rückzahlungspflicht. Wie lange wollen wir den Patienten noch sedieren, statt operieren? Flickwerk ersetzt keine Operation am offenen Herzen.

Mein Vorschlag: Eine einzige GKV. Analog zur Rentenversicherung, mit klarem Leistungskatalog, ohne Wechselprämien und Provisionszirkus – und ja, ich sage das als Makler. Darüber ein Ampelsystem: Rot ist Basis – alles, was die GKV zahlt, transparent wie ein Nutri-Score. Gelb sind standardisierte Zusatztarife – stationär, ambulant, dental – mit Alterungsrückstellungen über die PKV abschließbar, Gruppentarif standardisiert. Grün ist Premium: wer will, nimmt den vollen Ausbau, freiwillig und verständlich, PKV, Gesundheitsfragen.

Dazu Belohnung statt Bevormundung: steuerfreie Boni für Check-up, Impfstatus, Zahnkontrolle, dokumentierte Aktivität wie Fitnessstudio mit Besuchsnachweis. Keine Moralkeule, sondern echte Anreize. Und ja: eine moderate Praxisgebühr, sozial abgefedert, als Triage-Instrument. Härtefälle rausnehmen, Wirkung prüfen, notfalls streichen. Aber bitte testen – nicht twittern.

Auch die Kommunikation braucht OP-Qualität: Jede Beitragserhöhung muss aktiv gemeldet werden, digital, klar, mit Hinweis aufs Sonderkündigungsrecht. Alles andere ist Narkose ohne Einwilligung. Per Mail, 2025 geht das.

Das Solidarprinzip bleibt Herz des Systems. Gesunde tragen Kranke – Punkt. Aber wer Prävention dauerhaft verweigert, darf sich nicht unbegrenzt auf die Schonhaltung der anderen verlassen. Eigenverantwortung gehört in die Vorsorge, nicht als Strafe, sondern als Trainingsplan mit Belohnung. Antoine de Saint-Exupéry schrieb: „Perfektion ist erreicht, nicht, wenn sich nichts mehr hinzufügen lässt, sondern, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“ Beim Leistungskatalog der GKV gilt das längst. Noch mehr Kürzungen und das SGB V passt auf ein DIN-A4-Blatt. Perfekt ist die GKV sicher nicht – eher eine zarte Rose, die Pflege braucht. Und die kleine Prinzessin Warken müsste endlich etwas wagen, bevor die Dornen größer sind als die Blüten.

Die PKV ist kein Allheilmittel, aber planbarer, wenn man sie klug wählt. Vertragsgarantierte Leistungen, Alterungsrückstellungen, Entlastungstarife im Alter – so lassen sich Beitragssprünge abfedern. Der Fehler ist stets derselbe: Billigtarif rein, Kostenexplosion raus. Mein Rat: Faire Tarife mit Langzeitprognose!

Die Katze beißt sich in den Schwanz (ja, die Story mit dem Katzenbiss – Insider): Entweder höhere Beiträge oder ein klarer, reduzierter Standard-Leistungskatalog, falls noch möglich. Beides kann man anständig machen – wenn man es endlich umsetzt. Eine Einheits-GKV, ein Ampelsystem, Präventionsboni, eine kleine Praxisgebühr und echte Kommunikationspflicht – das wäre Intensivmedizin statt Flickschusterei. Inklusive Reha-Aufbau fürs System.

Und mein Dad? Nach 69 Jahren wechselt er zum ersten Mal die Krankenkasse. Ein Leben lang brav beim gleichen Anbieter, nie gefragt, nie gezweifelt. Bis jetzt. Weil selbst er merkt: Wenn der Puls der GKV auf Alarm steht, reicht kein Trostpflaster mehr – dann musst du handeln. Und selbst dann bleibt nur der Wechsel innerhalb des Systems. Luxus ist nicht Chefarzt. Luxus ist falsche Sicherheit.

Eine Kolumne von BANKROCKER | Stephan Heider, MBA Versicherungsmakler aus Regensburg

…der Makler aus Regensburg wurde letzte Woche von einer Katze in den Fuß gebissen: Notaufnahme, zwei OPs, vier Tage stationär. Aber immer noch fitter als die GKV...

Und für alle, die lieber hören statt lesen - hier der Bankrocker-Beitrag als Audio-Datei: