Wohninvestmentmarkt erholt sich

06.07.2023

Emanuel Eckel und Felix von Saucken. Fotos: Colliers

Nach Angaben von Immobilienberater Colliers zeigte sich die erste Jahreshälfte 2023 im institutionellen Wohninvestmentsegment insgesamt verhalten, wobei im zweiten Quartal eine leichte Verbesserung im Sentiment als auch beim Investmentvolumen zu beobachten war.

So fiel das Transaktionsvolumen im zweiten Quartal mit 2,6 Milliarden Euro etwas höher aus als noch im Auftaktquartal, so dass im ersten Halbjahr ein Investmentvolumen von in Summe 4,3 Milliarden Euro verzeichnet wurde. Mit rund 2,1 Milliarden Euro entfiel etwa die Hälfte des Investmentumsatzes der ersten Jahreshälfte auf Portfoliotransaktionen. Der anteilige Beteiligungsverkauf der Südewo durch die VONOVIA an Apollo mit einem Volumen von rund eine Milliarde Euro sowie ein weiterer Verkauf von Vonovia-Beständen an CBRE Investment Management mit 560 Millionen Euro jeweils im zweiten Quartal prägen den Markt und stützen das Transaktionsvolumen des Gesamtmarktes.

Felix von Saucken, Geschäftsführer und Head of Residential Germany bei Colliers: „Dass seit längerer Zeit wieder großvolumige Transaktionen am Markt platziert werden konnten, zeigt, dass die Annäherung bei den Kauf- und Verkaufspreisvorstellungen weit fortgeschritten ist und aus aktueller Sicht das Re-Pricing im Markt voraussichtlich größtenteils abgeschlossen ist. Der weitere Jahresverlauf dürfte dennoch verhalten sein. Die vollzogene Preiskorrektur von bis zu 30 Prozent im Gesamtmarkt wird durch die mittlerweile überwiegend von den Gutachterausschüssen vorliegenden Daten bestätigt. Im aktuellen Marktumfeld lassen sich die Renditen für Wohninvestments aber auch weiterhin schwer mit konkreten Transaktionen belegen. Wir sehen nun zur Jahreshälfte ein spürbar korrigiertes Preisniveau, aber im Vergleich zum Vorquartal stabiles Niveau der Spitzenrendite von 3,85 Prozent für Bestandsobjekte in den A-Städten, während das Renditeniveau an anderen Standorten bei 4,50 Prozent liegt. Diese Stabilisierung ist ein positives Signal im Markt.“

Fokus der Investoren auf Bestandsobjekten

Produktseitig richtet sich die Nachfrage weiterhin fast ausschließlich auf Bestandsobjekte, während bei Forward Deals und Neubauprojekten im aktuellen Marktumfeld weiterhin nahezu keine konkrete Transaktionstätigkeit zu sehen ist. Die Preisvorstellungen für Neubauprodukt bleiben auf Verkäuferseite aufgrund der ESG-Konformität und hohen Herstellungskosten hoch. Die Rendite liegt hier weiterhin bei 3,60 Prozent in den A-Städten und 4,15 Prozent an anderen Standorten. Ohne eine Korrektur der Preisvorstellungen auf Verkäuferseite ist eine Belebung im Segment vorerst nicht zu erwarten.

Nachdem das Segment Mikrowohnen im ersten Quartal noch das höchste Momentum zeigte, hat sich dieses im Verlauf des zweiten Quartals neuerlich eingetrübt – hier dürfte die zuletzt aufkommende Diskussion um mögliche Mietregulierungen von möblierten Wohnungen als Hauptgrund zu nennen sein. Die Spitzenrendite im Segment Mikrowohnen zeigte daher im zweiten Quartal einen leichten Anstieg um 10 Basispunkte auf aktuell 3,80 Prozent in den Top- Sieben-Städten. Die Rahmenbedingungen von Mikrowohnungen bleiben aber positiv, was nicht zuletzt durch die gestiegenen Auslastungsquoten bestätigt wird und auch die sinkenden Energiekosten implizieren hier mehr Planungs- und Cashflow-Sicherheit für Investoren und Betreiber.

Anhaltendes Mietwachstum in (fast) allen Segmenten und Städten

Das ungebremste Mietwachstum der letzten Jahre setzte sich im bisherigen Jahresverlauf 2023 weiter fort, nachdem im letzten Jahr bereits ein Anstieg der Mieten von 4 bis 5 Prozent zu beobachten war. Im zweiten Quartal war die Dynamik im Vergleich zum Jahresauftaktquartal insgesamt etwas gedämpfter, aber dennoch steht unter dem Strich ein Mietwachstum in der ersten Jahreshälfte. In den Top 7 Städten stiegen die Angebotsmieten im Bestandssegment seit Jahresbeginn 2023 mit rund 1,8 Prozent moderat weiter, während die Dynamik im Neubausegment mit rund 3,3 Prozent deutlich stärker war. Im Bestandssegment lagen die Mieten in allen Top 7 Städten im 1. Halbjahr 2023 höher als zum Ende des Vorjahres, wobei Berlin mit 6,5 Prozent das größte Plus aufweist. Im Neubausegment zeigten sich die Mieten im bisherigen Jahresverlauf mit deutlich differenzierterer Dynamik beim Vergleich der einzelnen Städte als im Bestandssegment. Während das größte Plus mit 10,8 Prozent in Frankfurt zu beobachten war, war in Berlin sogar ein leichter Rückgang der Neubauangebotsmieten von 0,6 Prozent zu beobachten. Treiber für die Mieten war das auch im zweiten Quartal rückläufige Angebot an zur Miete angebotenen Wohnungen.

Ausblick: Wohninvestmentmarkt nimmt höheres Momentum mit in die zweite Jahreshälfte

Emanuel Eckel, Director Market Intelligence & Foresight, sagt: „Der Angebotsrückgang im Mietsegment dürfte sich im weiteren Jahresverlauf verfestigen und das Mietwachstum weiter befeuern. Frühindikatoren lassen einen massiven Einbruch im Neubausegment erwarten. So erwartet das ifo-Institut einen Rückgang auf 175.000 neu gebaute Wohnungen im Jahr 2025, was einen Einbruch um 60 Prozent gegenüber den aktuellen Neubauzahlen bedeutet. Für das Gesamtjahr 2023 erwarten wir daher weiterhin einen Anstieg der Mieten wie im Vorjahr mit bis zu 5 Prozent.“

Zu den realistischen Marktchancen schreibt Colliers: „Investmentmarktseitig wurden zuletzt wieder in stärkerem Maße konkrete Aussagen von Investoren getätigt, dass sie in der zweiten Jahreshälfte Zukäufe tätigen wollen, oder diese gaben konkrete Allokationsziele für ihre Vehikel bekannt – solche Aussagen hatte es zuletzt nicht gegeben und sollten positiv zu werten sein. Das Jahresergebnis wird wesentlich davon abhängen, wie sich die Verkaufs- und Portfoliobereinigungsprozesse von großen Bestandshaltern weiterentwickeln. Hier sehen wir zuletzt mehr Belebung und einige großvolumige Prozesse wurden im 2. Quartal realisiert. Da auf Verkäuferseite im Bestandssegment verstärkter Verkaufsprozesse vorbereitet werden, erscheint im weiteren Jahresverlauf eine Marktbelebung realistisch. Aus dem Bereich Forward Deals und bei Neubauprojekten dürfte jedoch im aktuellen Marktumfeld für den Verlauf der zweiten Jahreshälfte weiterhin kein wesentlicher positiver Impuls zu erwarten sein, auch da auf Verkäuferseite bisher ein starkes Beharren auf den Preisvorstellungen besteht.“

„Trotz noch nicht beendeter Zinsanstiege erwarten wir ein weitgehend stabilisiertes Renditeniveau in den meisten Teilsegmenten des Wohnens. Die aufkommende Regulierungsthematik bei möblierten Wohnungen könnte im Segment Mikrowohnen nochmal einen gewissen Druck auf die Renditen bewirken und ein leichter Anstieg ist hier nicht auszuschließen. Im Segment der Forward Deals dürfte sich der Druck auf die Renditen erhöhen, weil die Zinsen nochmal gestiegen sind und die Verkäufer ihre Preiserwartungen korrigieren müssen. Aufgrund der bisher erzielten 4,3 Milliarden Euro bei verbessertem Momentum und zuletzt wieder verstärkter Verkaufsvorbereitung auf Verkäuferseite, einhergehend mit der Nennung sehr konkreter Allokationsziele, halten wir ein Gesamtjahresergebnis im Bereich von 10 Milliarden Euro für erzielbar.“ (fw)