Vom toten Kapital zur strategischen Liquidität: „Cash darf nicht zufällig entstehen“

18.12.2025

Chris Hofmann - Foto: Copyright Vanguard

Exklusiv

Bargeld fristet in vielen Portfolios ein Schattendasein. Warum Cash gerade in unsicheren Zeiten mehr sein sollte als nur eine Parkposition und welche Rolle Geldmarktfonds dabei spielen können, erklärt Chris Hofmann, Head of Intermediated Wholesale Germany bei Vanguard, im Interview mit finanzwelt.

finanzwelt: Frau Hofmann, Bargeld gilt bei vielen Anlegerinnen und Anlegern noch immer als notwendiges Übel. Warum ist diese Sicht aus Ihrer Perspektive zu kurz gegriffen?

Chris Hofmann: Bargeld wird oft einfach gehalten, bis sich wieder Chancen an den Märkten bieten. Gerade in einem Umfeld hoher Unsicherheit, schwankender Zinsen und ambitionierter Bewertungen sollte Cash aber nicht zufällig entstehen, sondern als strategischer Baustein in der Portfoliosteuerung verstanden werden.

finanzwelt: Was heißt das konkret für die Portfolioarbeit?

Hofmann: Richtig eingesetzt ist Bargeld kein ungenutztes Kapital. Es sichert kurzfristige Liquidität und unterstützt die langfristige Anlageplanung. Wer bewusst eine Cash-Quote hält, verfügt über „trockenes Pulver“, um bei Rücksetzern in Aktien oder Anleihen gezielt nachkaufen zu können, ohne andere Positionen unter Druck verkaufen zu müssen. Bargeld muss dabei heute aber nicht mehr einfach zinslos auf dem Konto liegen. Geldmarktfonds ermöglichen es, Barmittel zu „parken“ und dennoch eine wettbewerbsfähige Rendite anzustreben. Die starken Mittelzuflüsse in Euro-Geldmarktlösungen zeigen, dass dieses Potenzial zunehmend erkannt wird.

finanzwelt: Was gibt es bei der Auswahl von passenden Geldmarktfonds zu beachten?

Hofmann: Wer Liquiditätspuffer und Kapitalerhalt sucht, sollte genau prüfen, welche Risiken im jeweiligen Cash-Vehikel tatsächlich stecken – und ob sie für den angestrebten Zweck angemessen sind. Geldmarktfonds sind kein Standardprodukt. Sie unterscheiden sich deutlich in Struktur, Risikoprofil und Kosten. Einige Strategien gehen für etwas höheren Ertrag spürbar mehr Kredit- oder Laufzeitrisiko ein, andere zielen primär auf Kapitalerhalt und hohe Liquidität. Für Anlegerinnen und Anleger ist entscheidend zu verstehen, in welcher Kategorie sich das gewählte Produkt bewegt.

finanzwelt: Auch Vanguard hat ja kürzlich einen EUR Cash UCITS ETF gelauncht. Welches Ziel verfolgt der Fonds?

Hofmann: Das ist richtig, wir haben mit dem Vanguard EUR Cash UCITS ETF kürzlich unseren ersten Geldmarktfonds in Europa lanciert und blicken global auf langjährige Erfahrung in dem Bereich. Insgesamt verwalten wir schon heute über 600 Milliarden US-Dollar in Money Market Produkten. Der jüngst gelaunchte Euro Cash ETF ist dabei ein Beispiel für einen Ansatz, der klar auf Kapitalerhalt und Liquidität setzt. Er wird aktiv gemanagt und investiert physisch in kurzfristige, auf Euro lautende Papiere überwiegend staatlicher und staatsnaher Emittenten. Zudem bildet er den täglichen Marktwert transparent als VNAV-Fonds ab. Produkte mit dieser oder einer ähnlichen Strategie bieten eine kosteneffiziente Möglichkeit, Barmittel professionell zu managen und zugleich eine marktgerechte Verzinsung anzustreben. Gerade in volatilen Phasen ist diese Kombination aus Qualität, Transparenz und Kostenkontrolle entscheidend.

finanzwelt: Das sind Funktionen, die bisher auch mit Fixed Income-Produkten abgedeckt wurden. Können Geldmarktfonds klassische Anleihen im Portfolio ersetzen?

Hofmann: Nein. Geldmarktfonds ersetzen keine strategische Anleihenquote. Wer langfristig Vermögen aufbauen oder Verpflichtungen bedienen muss, braucht eine breit diversifizierte Multi-Asset-Allokation. Cash ist ein ergänzender Baustein. Er stellt sicher, dass kurzfristiger Liquiditätsbedarf gedeckt ist und Investoren im richtigen Moment handlungsfähig bleiben.

finanzwelt: Für welche Anleger sind Geldmarktfonds besonders interessant?

Hofmann: Geldmarktfonds können für sehr unterschiedliche Anlegerprofile Mehrwert bieten. Privatanlegern verschaffen sie einen einfachen Zugang zu Barreserven mit potenziell attraktiver Verzinsung. Vermögensverwaltern und institutionellen Investoren dienen sie als Liquiditätspuffer, Übergangslösung oder Instrument zur Feinsteuerung der Risikopositionen. Bargeld sollte bewusst geplant und professionell gemanagt werden. Dann ist es nicht „totes Kapital“, sondern ein aktiver Hebel im Risikomanagement moderner Portfolios.