100 Tage Bundesregierung: Wann zündet der Bauturbo?

12.08.2025

Foto: © Bundesregierung / Steffen Kugler

Am 13. August ist die neue Bundesregierung 100 Tage im Amt und hat die Verantwortung für Deutschland übernommen. Trotz erheblicher Herausforderungen habe die Koalition laut eigener Aussage „entscheidende Weichen für Wohlstand, Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt gestellt“. Ist sie ihrem Ziel einer umfassenden Erneuerung des Landes nähergekommen? Wie sieht das die deutsche Wirtschaft, speziell die unter Druck geratene Immobilienbranche? Nachfolgend eine Sammlung von Stellungnahmen und Meinungen.

„In ihren ersten 100 Tagen hat die Bundesregierung aus meiner Sicht als Steuerberater einige gute Dinge auf den Weg gebracht. Mir fehlt aber der größere Wurf, der mehr Menschen ins Eigentum bringt, die Wirtschaft ankurbelt und das Steuerrecht vereinfacht.

So ist die stufenweise Reduktion des Körperschaftsteuersatzes richtig – gerade im internationalen Vergleich. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, den ersten Schritt der Reduktion rückwirkend ab 1. Januar 2025 zu starten. Dann läge der Körperschaftsteuersatz bereits für das laufende Jahr bei 14 Prozent. So kommt die erste Absenkung erst Anfang 2028.

Ich glaube, ein ‚Bauturbo‘ würde zünden, wenn alle Erstkäufer, die ihre vier Wände selbst nutzen, keine Grunderwerbsteuer bezahlen müssen. Bestehende Maßnahmen einzelner Bundesländer, wie zum Beispiel das ‚Hessengeld‘, bringen nicht viel und sind kompliziert bei der Beantragung. Der wichtigste Grund, warum sich viele Haushalte kein Wohneigentum leisten können, ist der hohe Eigenmittelanteil. Die Grunderwerbsteuer ist dabei wiederum der größte Brocken. Ein Steuerverzicht für diese Käufergruppe würde deren Geldbeutel schonen und ihrem privaten Vermögensaufbau dienen.

Wäre ein Steuerexperte unseres Unternehmens Bundeskanzler, würde er die Steuererhebung radikal vereinfachen: Weniger Deklarationsverpflichtungen und sofortige Streichung des Solidaritätszuschlags sowie der Gewerbesteuer. An ihre Stelle sollte für die Kommunen ein Umlagesystem von Einkommen- und Körperschaftsteuer treten. Dies würde zudem den Wettbewerb der Gemeinden um eine möglichst niedrige Gewerbesteuerbelastung beenden und zu einem fairen Steueraufkommen für alle Kommunen beitragen.

Einen ‚Daumen hoch‘ gibt es von mir für die Außenpolitik der Bundesregierung – gerade in Europa. Das Interesse von europäischen Investoren, wieder mehr in Deutschland zu investieren, steigt.“

Ulrich Creydt, Steuerberater und Geschäftsführer der Ypsilon GmbH Steuerberatungsgesellschaft

„Die neue Regierung steht vor großen Herausforderungen, denen sie erfreulicherweise mit ersten Vorhaben begegnet. Nach der Sommerpause wird es für viele Ministerien konkret. Bundesbauministerin Verena Hubertz wird den mit viel Schwung angeworfenen Bauturbo durchs Parlament bringen und sich um die Fortsetzung der KfW-55-Förderung bemühen. Das sind zwei erste Schritte hin zum effizienten Bauen.

Damit der Bauturbo seine PS auf die Straße bringen kann, ist jedoch die engere Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, Bauherrn, Bauwirtschaft, Investoren und Kommunen notwendig. Dazu gehören neben der Baubranche, die dringend angepasste Rahmenbedingungen benötigt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, auch die Kommunen. Letztere sehen sich aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels vor der Herausforderung, zukünftig mit wenig Personal viele baurechtliche Vorgänge zu stemmen. Eine Vereinfachung und Beschleunigung dieser Prozesse im Zuge einer längst überfälligen Novellierung des Baugesetzbuchs würde gemeinsam mit dem Bauturbo einen enorm positiven Effekt auf die Bautätigkeit in diesem Land haben."

Petra Müller, Head of Development, Periskop Development

„Für die Immobilienbranche sehe ich nach 100 Tagen neuer Bundesregierung Licht- und Schattenseiten. Sie ist mit großen Versprechen für mehr Wirtschaftswachstum gestartet. Einige Ansätze sind vielversprechend, wie die steuerliche Entlastung von Unternehmen, die unter anderem dazu beitragen sollen, die Wirtschaft anzukurbeln. Auch viele Unternehmen wollen am Standort Deutschland viele Milliarden Euro investieren, wenn man ihren Versprechen nach einem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz Mitte Juli glauben darf. Auch die geplanten Ausgaben für Rüstung und Infrastruktur werden vermutlich die Konjunktur unterstützen.

Die damit einhergehende kreditfinanzierte höhere Staatsverschuldung könnte allerdings die Inflation steigen lassen. Die gleiche Wirkung könnten für die EU-Staaten die höheren US-Zölle haben. Dies würde das Konsumklima dämpfen, auch die Zinsen für Immobiliendarlehen könnten steigen. Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint die Gefahr zu sehen und hat Ende Juli – nach mehrmaligen Zinssenkungen – auf eine Zinsanpassung verzichtet.

Für die weltpolitischen Herausforderungen kann die Bundesregierung nicht viel. Sie kann nur versuchen, angemessen zu reagieren.

Ganz im Gegensatz zur Wohnungspolitik: Hier hat sie einen größeren Gestaltungsspielraum, aber ich erkenne widersprüchliche Signale. Einerseits soll das Entschlacken von baulichen Vorgaben dazu beitragen, dass Baugenehmigungen schneller erteilt werden. Dass dieser ‘Genehmigungs-Turbo’, so er denn zündet, einen ‘Bauturbo’ auslöst, bezweifle ich. Denn viele Faktoren, die den gewerblichen und privaten Wohnungsbau hemmen, existieren weiterhin: Das sind unter anderem die hohen Grundstücks-, Material- und Arbeitskosten. Bei privaten Bauherren kommt die Grunderwerbsteuer hinzu.

Wer eine Wohnung bauen und vermieten will, könnte durch die Verlängerung der Mietpreisbremse abgeschreckt werden. Die Pläne zur Verschärfung von Indexmietklauseln und der Vermietung von möblierten Wohnungen tun ihr Übriges. Auch die Ankündigung der Regierung, die Mittel für energetische Sanierungen um ein Fünftel zu kürzen, trägt zu einer weiteren Verunsicherung bei. Dabei braucht der Immobilienmarkt Verlässlichkeit und Planbarkeit.”

Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG

„Der Anfang ist gemacht: Die Stimmungslage der deutschen Wirtschaft hat sich in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung aufgehellt. Allerdings fehlt es bisher noch an der Umsetzung von konkreten Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie – mit Blick auf die Immobilienmärkte – zur Schaffung von mehr Wohnraum und zur Flexibilisierung, Entbürokratisierung, Digitalisierung und Beschleunigung von Bauprozessen und -vorhaben (der sogenannte ‘Bauturbo’). Mit der bereits von der Vorgängerregierung angestoßenen Novelle des Baugesetzbuchs sollen bürokratische Hürden spürbar abgebaut und Planungsprozesse beschleunigt werden. Die Verabschiedung des Gesetzes ist für den Herbst vorgesehen.

Der wirtschaftspolitisch weitreichendste Beschluss wurde noch durch den letzten Bundestag und vor der Bildung und Ernennung der aktuellen Bundesregierung getroffen: Die Voraussetzungen zur Einrichtung des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität in Höhe von 500 Mrd. Euro. An der Bundesregierung liegt es nun, die geschaffenen Rahmenbedingungen und den finanziellen Spielraum für strukturelle Reformen und nachhaltig mehr Wachstum zu nutzen.

Für die kommenden 100 Tage bleibt zu hoffen, dass es der Bundesregierung gelingt, den Ankündigungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und den Vorhaben des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auch Taten folgen zu lassen. Hier gilt es, die richtigen Impulse zu setzen, damit wieder verstärkt privates Kapital aus dem In- und Ausland in Deutschland investiert und die Weichen für ein langfristig höheres Wachstum und somit für mehr Wohlstand in Deutschland gestellt werden.“

Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy, HIH Invest Real Estate

„Innerhalb der ersten 100 Tage hat Schwarz-Rot beim Thema Wohnungsbau wichtige Signale gesetzt – insbesondere mit dem Gesetzentwurf zum Wohnungsbau-Turbo. Verkürzte Genehmigungsprozesse oder die Erleichterung bei Nachverdichtung können den Wohnungsneubau tatsächlich beschleunigen.

Wir begrüßen auch, dass Bundesbauministerin Verena Hubertz Nachverdichtung und die Umnutzung bestehender Gewerbeflächen – etwa Supermarkt-Dächer – ausdrücklich als Teil der Lösung sieht. Genau hier setzen wir bei Trei Real Estate an: Aktuell planen und entwickeln wir in Berlin, Wiesbaden, Hamburg, München und Düsseldorf Projekte an ehemaligen Gewerbestandorten – teils mit, teils ohne gewerbliche Erdgeschossnutzungen (z. B. Nahversorgung oder Gastronomie), jeweils abhängig von den spezifischen Standortbedingungen.

Doch während die Bundesregierung Tempo beim Bauen macht, bremst sie an anderer Stelle: Sie hat nicht nur die Mietpreisbremse verlängert, sondern bereits weitere Verschärfungen des Mietrechts angekündigt, darunter eine stärkere Regulierung der Indexmieten. Damit droht der Wohnungsneubau für private Investoren noch unattraktiver zu werden.

Mein Fazit nach 100 Tagen: Die Bundesregierung hat die Dringlichkeit erkannt – jetzt muss sie zeigen, dass aus guten Absichten auch praktikable Lösungen werden. Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, um das Wohnraumangebot zu erhöhen. Wer Wohnraum schaffen will, braucht keine Symbolpolitik, sondern verlässliche Rahmenbedingungen, die Bauen wieder ermöglichen und lohnend machen.“

Pepijn Morshuis, CEO Trei Real Estate

„100 Tage im Amt: Die neue Bundesregierung hat erste wohnungspolitische Weichen gestellt – einige davon in die richtige Richtung, andere mit problematischen Nebenwirkungen. Vor allem der 'Bauturbo' sendet ein wichtiges Signal an die Branche. Schnellere Genehmigungsverfahren, die Vereinfachung baurechtlicher Vorgaben und eine bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind dringend nötig, um den Wohnungsneubau wieder in Gang zu bringen. Die Ankündigungen stimmen vorsichtig optimistisch – entscheidend wird sein, wie schnell und konsequent diese Maßnahmen umgesetzt werden. Bürokratieabbau darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss sich in beschleunigten Projektrealisierungen niederschlagen.“

Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer INDUSTRIA Immobilien GmbH

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