„Alternative Investments spielen seit jeher eine bedeutende Rolle“
16.06.2025

Dr. Wolfgang Baums - Foto: Copyright FERI
Frühsommer 2025. Die USA schwächeln, Europa scheint zu neuer Blüte erwacht und in Deutschland ist eine neue Regierung im Amt. Soweit diese Parameter. Was erwartet uns an den Aktien- und Anleihemärkten in der nahen Zukunft? Warum sind Alternative Investments sinnvoll? Ein bunter Strauß an Fragen, die finanzwelt Anfang Mai an Dr. Wolfgang Baums, Bereichsvorstand und Head of Investment Office bei der FERI AG, stellte.
finanzwelt: Herr Dr. Baums, 2025 bleibt herausfordernd. Die USA schwächeln, Europa steht wieder vermehrt im Fokus des Interesses. Wie fällt Ihr Blick der Dinge aus?
Dr. Wolfgang Baums: Tatsächlich ist das Jahr 2025 in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Seit Jahresbeginn haben wir die schnellste Regionen-Rotation – weg aus den USA, rein in die Eurozone – der letzten Jahrzehnte erlebt. Lange Zeit galt der alte Kontinent als eher ‚langweilig‘, da seine Sektorenzusammensetzung nur begrenzt Technologie- und KI-Titel aufweist, während die US-Börsen in dieser Hinsicht attraktiver sind und daher einen beträchtlichen relativen Bewertungsaufschlag aufgebaut haben. Genau dieses ‚langweilige‘ Europa verzeichnet seit Jahresbeginn erhebliche Kapitalzuflüsse. Anleger schätzen die relative Stabilität und Verlässlichkeit der Eurozone – im Gegensatz zu den unter Donald Trump als erratisch wahrgenommenen Entwicklungen in den USA. Zudem punktet Europa weiterhin mit spürbaren Bewertungsvorteilen. Bis zum Jahresende dürfte Europa daher den Kursvorsprung gegenüber den USA verteidigen und sogar moderat ausbauen. Wir glauben aber nicht, dass man die USA nun gänzlich abschreiben sollte. Donald Trump hat wiederholt bewiesen, dass er eine ‚Schmerzgrenze‘ hat und bei starken Marktturbulenzen stets einlenkt. Letzten Endes ist ihm bewusst, dass die US-Märkte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erheblich von globalen Kapitalzuflüssen profitiert haben und deshalb auch in Zukunft möglichst eine verlässliche Anlagedestination bleiben sollen.
finanzwelt: Die USA werden mit Stagflation in Verbindung gebracht. Wie „ernst“ ist die Lage bei unseren transatlantischen Freunden?
Dr. Baums: In der Tat deutet die Indikatorenlage darauf hin, dass die USA in den kommenden Wochen und Monaten mindestens stagflationäre Tendenzen aufweisen werden. Bereits vor dem Liberation Day hat sich ein unterschwelliger Inflationsdruck aufgebaut, der angesichts der gefallenen Rohstoffpreise zunächst nicht zum Tragen kam. Nach dem Liberation Day drohen jedoch ernsthafte Inflationsrisiken, da die höheren Zölle voraussichtlich weitgehend auf die Endpreise umgelegt und damit von den Verbrauchern getragen werden müssen. Das Szenario einer echten Stagflation – also stark steigende Inflationsraten bei gleichzeitig klar rückläufiger Wirtschaftsleistung – halten wir derzeit jedoch für eher unwahrscheinlich. Die USA sind eine relativ geschlossene Volkswirtschaft, das heißt, die importierte Inflation durch höhere Zölle wirkt sich nur begrenzt auf die Gesamtinflation aus. Zudem haben sich die Wirtschaftsindikatoren zwar eingetrübt und werden sich voraussichtlich weiter verschlechtern, doch eine harte Rezession halten wir in den kommenden Monaten für nicht wahrscheinlich.
finanzwelt: Wie wird die Fed in den kommenden Monaten reagieren?
Dr. Baums: Die Fed hat bekanntlich ein duales Mandat: Sie verfolgt neben der Preisstabilität auch das Ziel maximaler Beschäftigung. In der oben skizzierten Gemengelage dürfte sich der Arbeitsmarkt zwar moderat abschwächen, aber auch die Inflation wird ansteigen. Folglich wären der Fed die Hände gebunden und unter normalen Umständen wäre eine Zinssenkung in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Allerdings ist der Fed bewusst, dass makroökonomische Daten stets mit einer Zeitverzögerung die reale Wirtschaftslage abbilden. Deshalb bleiben eine außerplanmäßige geldpolitische Lockerung oder Liquiditätsinjektionen möglich, sollten sich die Turbulenzen und die Verunsicherung an den Börsen zu einer echten Krise zuspitzen.
finanzwelt: Was bedeuten diese Annahmen in der Portfolioallokation? Ist ein Übergewicht in US-Aktien noch angemessen?
Dr. Baums: Eine Übergewichtung von US-Aktien ist in der aktuellen Situation nicht sinnvoll, eine vollständige Veräußerung ist allerdings ebenfalls nicht zu empfehlen. Anleger sollten vielmehr den jüngsten Abverkauf nutzen, um ihre US-Aktienquote gezielt umzustrukturieren. Qualitätsunternehmen, die bisher hoch bewertet waren, sowie vereinzelt Defensivwerte bieten nach den Kursrückgängen der letzten Wochen teilweise attraktive Einstiegsniveaus. Darüber hinaus sollten Investoren ernsthaft über eine vollständige oder zumindest teilweise Absicherung des US-Dollars nachdenken. Die Politik von Donald Trump hat das Vertrauen in die US-Währung stark erschüttert. Hinzu kommt eine nicht nachhaltige Fiskalpolitik, die früher oder später eine (indirekte) Monetarisierung der Staatsschulden durch die Fed notwendig machen wird – ein zusätzlicher Faktor, der für strukturellen Abwertungsdruck auf den Dollar sorgen dürfte. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass seit Jahren eine Entdollarisierung der globalen Währungsreserven stattfindet: Viele Notenbanken verringern ihren Dollaranteil zugunsten von Gold. Auch diese Entwicklung spricht strukturell für eine anhaltende Schwäche des US-Dollars.
finanzwelt: Europa ist heterogen. Das betrifft sowohl die jeweiligen nationalen Aktien- als auch Anleihemärkte. Wo erkennen Sie aktuell gute Opportunitäten?
Dr. Baums: Auf der Anleiheseite empfiehlt sich aktuell ein Fokus auf Staatsanleihen, während Unternehmensanleihen – insbesondere die risikoreicheren Hochzinsanleihen – untergewichtet werden sollten. Deutsche Staatsanleihen sind derzeit in unseren Augen deutlich weniger riskant als die hochgelobten US-Treasuries. Unter den großen Industrieländern weist Deutschland nach wie vor die solidesten Fiskaldaten auf – trotz der höheren Verschuldung in den vergangenen Jahren und der geplanten Neuverschuldung für Infrastruktur und Verteidigung. Auf der europäischen Aktienseite bieten Industriewerte langfristig attraktive Renditepotenziale. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa weist die Infrastruktur einen eklatanten Investitionsstau auf. Auf der anderen Seite sollten Werte mit einem starken Exportfokus und/oder hochgradig globalisierten Lieferketten angesichts der von Trump beschleunigten Deglobalisierung einer intensiven Prüfung unterzogen werden.
finanzwelt: Bei FERI verfolgen Sie einen Multi-Asset-Ansatz. Auf was kommt es generell dabei an? Wie haben Sie beispielsweise auf die teilweise sehr volatilen Märkte im 1. Quartal reagiert?
Dr. Baums: Lassen Sie mich vorweg erläutern, wieso wir bei den FERI auf einen breiten Multi-Asset-Ansatz setzen: Durch die mathematisch optimierte Kombination unterschiedlicher Assetklassen mit jeweils eigenen Renditetreibern und im Durschnitt geringen Korrelationen untereinander schaffen wir echte Diversifikationsvorteile. So erreichen wir langfristig bei gleicher Rendite wie in einem klassischen Aktien-Renten-Portfolio eine deutlich geringere Volatilität – oder wir können bei gleichem Risikoniveau höhere Erträge erzielen. Wir teilen in diesem Zusammenhang die Ansicht vom Nobelpreisträger Harry Markowitz, wonach der Diversifikationseffekt der einzige ‚Free Lunch‘ in der Finanzwelt ist. Um die Vorteile des Multi-Asset-Ansatzes im Erwartungswert zu realisieren, ist es entscheidend, in volatilen Marktphasen nicht an den strategisch optimierten Asset-Allokationsquoten taktisch ‚herumzudoktern‘, sondern den Multi-Asset-Ansatz seine ‚Arbeit machen lassen‘. Wir wurden in den aktuellen Marktturbulenzen, wie wahrscheinlich alle direkten Wettbewerber, negativ durch unsere Aktien-Exposure getroffen und haben daraufhin moderate Risikoreduktionen vorgenommen. Auf der anderen Seite hat sich unser Multi-Asset-Ansatz auch in dieser volatilen Marktphase bewährt: Stabilisierende Effekte kamen insbesondere durch Edelmetalle, Hedgefonds und partiell sogar durch Digital-Assets zustande. Zudem weisen unsere Volatilitätsstrategien ein überproportionales Upside-Beta auf, das heißt, sie haben von den Gegenbewegungen überproportional profitiert.
finanzwelt: Alternatives spielen auch bei Privatanlegern eine zunehmend wichtigere Rolle. Welchen Stellenwert nehmen Alternative Investments in Ihrem Hause ein?
Dr. Baums: Alternative Investments wie Private Markets, Hedgefonds aber auch Digital-Assets spielen bei der FERI AG seit jeher eine bedeutende Rolle, da sie zur Diversifizierung des Vermögens vor allem für institutionelle Investoren, aber auch für Privatanleger unabdingbar sind. Laut Preqin, einem Datenanbieter für Private Investments, sind weltweit aktuell 16 Bio. US-Dollar an den privaten Märkten investiert. Für 2027 prognostizieren die Experten ein Volumen von mehr als 18 Bio. US-Dollar. Obwohl sich das durchschnittliche Wachstum in den letzten Jahren verlangsamt hat, werden weiter Wachstumsraten von circa 10 % erwartet. Das zeigen auch zahlreiche Studien und Umfragen, die sowohl bei institutionellen als auch bei privaten Anlegern eine weitere Erhöhung der Allokation in den privaten Märkten vorhersagen. Diese Entwicklung beobachten wir natürlich auch bei FERI. Hier haben sich sowohl das investierte Volumen als auch die Assets under Management in Private Markets in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Mit der leichteren Zugänglichkeit der Anlageklasse ist auch das Interesse der Privatinvestoren deutlich gestiegen.
finanzwelt: Was können Private-Market-Investments im Portfoliokontext bewirken?
Dr. Baums: Zunächst sei erwähnt, dass Private Markets wohl die komplexeste aller Assetklassen ist und ihre Vielschichtigkeit von vielen Investoren unterschätzt wird. Hinter den fünf Hauptkategorien Private Equity, Private Debt, Infrastructure, Real Estate und Natural Resources verbergen sich jeweils weitere klar unterscheidbare Sub-Segmente. In der Summe ergeben sich damit mindestens 25 verschiedene Sub-Assetklassen, die sich nicht nur in ihrem Rendite-Risiko-Profil, sondern auch in ihren Renditetreibern klar voneinander abheben. Aus diesem Grund verfügen wir über eines der größten Analyse- und Investment-Teams für Private Markets in Deutschland – nur so lässt sich der Komplexität dieser Assetklasse gerecht werden. Im Portfoliokontext tragen Private Markets eindeutig zur Stabilisierung des Gesamtportfolios bei, da sie nur eine geringe Korrelation mit den klassischen Assetklassen aufweisen. Auch die Illiquidität dieser Anlageklasse birgt nicht nur Nachteile: Da keine tägliche (oder sekündliche) Preisfeststellung wie bei liquiden Investments erfolgt, sind Anleger weniger zu unüberlegten, panikartigen Reaktionen verleitet. Dieser Umstand wirkt deshalb disziplinierend auf Investoren. (ah)

Europas Moment ist gekommen
