Ars Vivendi

13.12.2023

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Versicherungsbranche bleibt in Fahrt. Neue Technologien, zunehmende Regulatorik, höhere Kundenansprüche und auffrischender Wettbewerb sorgen für Dampf auf dem Kessel. Von der Produktentwicklung bis zur Schadenleistung stehen Prozesse auf dem Prüfstand. Vor den Kostenersparnissen durch Digitalisierung steht ein erheblicher Bedarf an Investitionen und Fachkräften, um Transformationen bei Versicherern, Vermittlern und Servicediensten zu bewältigen. Demografischer Wandel, Klimaveränderungen und Präventionsstrategien stehen weit oben auf den Manageragenden in der Versicherungswirtschaft.

Mehr als ein Fünftel der Deutschen ist 2035 im Rentenalter. Laut Statistischem Bundesamt steigt bis dahin der Anteil der Rentenempfänger ab 67 Jahre um ca. 22 % von 16 auf rund 20 Millionen. Statistisch dürfen dann 100 Erwerbsfähige im alter zwischen 20 und 66 für rund 42 Rentner aufkommen. Für die gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenkassen sind die heutigen 31 Rentner pro 100 Erwerbstätige schon anspruchsvoll. Nach Jahren steigender Lebenserwartung ging erstmalig die Lebenserwartung der Deutschen zurück, was der Corona-Pandemie zugerechnet wird. Dennoch bleiben statistische Rentenempfangszeiten von durchschnittlich 15 Jahren, welche die Sozialkassen finanzieren müssen. Schon heute gleichen Steuerzahler die Milliardenverluste aus. Leistungskürzungen in der gesetzlichen Versorgung drohen. Die Politik verweist auf private Absicherungen und bedient wie beispielsweise bei Riester-Produkten die gesetzlichen Stellschrauben. die vermeintlich rosigen Zeiten für private Personenversicherer bleiben getrübt, denn die Demografie wirkt hier ebenso. Überalterte Krankenvollkostentarife, leistungsunwillige Pensionskassen und Rentenfaktoren mit sinkender Privatrente sind Realität. Branchenaufsicht und Gesetzesgeber halten z. B. mit Tarifwechselrechten, Eingriffe in Geschäftsbereiche oder folgebewehrten Verwarnungen dagegen. Privatversicherte werden dadurch jedoch nicht kurzlebiger, jünger oder gesünder. Die Versicherer blicken auf hohe Anforderungen und Engpässe. Gesundheitsvorsorge und Prävention sind die Gegenstrategien, damit sich die Leistungen für Einkommensausfälle, Krankheit und Pflege in Grenzen halten.

In Gelddingen sachlich

Mit dem Klimawandel steigen die Gefahren aus Naturereignissen. Die Versicherer stimmen sich auf Dürreperioden und Hitzewellen, Wetterextremen mit Stürmen, Gewitter, Hagel und Starkregen sowie Überschwemmungen ein. Experten befürchten zunehmende Wechsel- und Rückwirkungen. Anhaltende Dürren sorgen für Ernteeinbußen. Die Liefer- und Produktionsketten stocken und als Folge drohen u. a. Unternehmensinsolvenzen. Das dürrebedingte Niedrigwasser auf Wassertransportwegen stört weitere Liefer- und Produktionsketten. Dürre kann so den Wirtschaftsmotor zum Stottern bringen. Ähnlich wirkt Starkregen: Überschwemmungen vernichten die Pflanzen. Hochwasser macht die Wasserstraßen unpassierbar. Ergiebige Regenfälle lassen in der Ferne kleinere Bäche zu reißenden Strömen mutieren, so wie bereits erfolgt. Erst- und Rückversicherer müssen fernab von Klimaideologien weiterhin die Versicherungstarife für Sachwert-, Technik- oder Transportrisiken mit Statistiken und Hochrechnungen kalkulieren. Ebenfalls kühlen Kopf bewahren die Experten im Umgang mit den wachsenden Bedrohungen durch Cyber-Kriminelle. Momentan atmen die Versicherer angesichts der Schadenentwicklung auf und befürchten eine Ruhe vor dem Sturm. Zu verlockend sind die technischen Entwicklungen, um bei niedrigstem Täterrisiko die Opfer um Daten und Vermögen zu erleichtern. Künstliche Intelligenz, oder kurz KI, steckt zwar noch in den Kinderschuhen, weist jedoch bereits in neue Richtungen, um Sicherheitssysteme zu überwinden oder Zielpersonen hinters digitale Licht zu führen.

Zurück in die Zukunft

Blockchain war gestern, heute ist es KI. Der frische Dauerbrenner für die IT bringt die Versicherungsbranche auf neue Gedanken in puncto Kundenkommunikation und Services. Allerdings goutieren Kunden nicht jede Idee, wie z. B. die eher ungeliebten Chatbots zeigen. Die Zeiten disruptiver Apps und Start-up-Ideen sind beispielsweise am Vertrieb sang- und klanglos vorbei gegangen. Die kommenden IT-Investitionen finden den Weg in wirksamere Projekte wie schlanke Prozesse für die Betriebs- und Leistungsbereiche. Der technische Fortschritt treibt dabei unerbittlich an. Marktführer Microsoft erhöht die Schlagzahl im Betriebssystem und für Anwendungen. Eine Folge sind Unmengen an Releases in den IT-Welten der Versicherungsbranche. Für Versicherer, welche z. B. Systemumstellungen über Jahre hinweg planen, kommen solche Releases zur Unzeit und bringen die Projektlandschaften laufend durcheinander. Hinzu kommen die Neusysteme selbst, die selten reibungslos anlaufen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, kurz BaFin, legt seit geraumer Zeit einen Aufsichtsschwerpunkt auf IT- und Cyberrisiken. Und das aus gutem Grund: IT-Blockaden von Versicherern samt Datendiebstähle durch Cyber-Kriminelle oder misslungene Systemumstellungen schädigten Versicherungsnehmer und deren Vermittler im erheblichen Ausmaß. Das Klima wird auch hier rauer.

Ausblick

Das neue Jahr kommt mit neuen Impulsen und veränderten Risiken. Demografie, Digitalisierung und Regulatorik, aber ebenso Cyber-Kriminalität, Naturkatastrophen oder Wetterextreme schüren innerhalb und außerhalb der Branche die Unsicherheit. Schwindendes Kundenvertrauen, Imageprobleme bei Talentsuchen, zu hohe Kundenerwartungen oder ein permanenter Wettbewerbsdruck wirken dagegen fast als leichtere Aufgabenstellungen. Die Versicherer, Makler und Kunden meisterten schon viele solche Herausforderungen. Das wird auch 2024 so bleiben. (gg)