Dealt Trump die Börse kaputt?
02.09.2025

Trump hat die gesamte Welt mit seinen Zöllen bestraft (oder erpresst?). Die westliche Welt hat vor dem „Herrscher der Welt“ gekuscht und ist einen Deal eingegangen. Alle haben die Zölle akzeptiert, und zwar ohne Gegenreaktion.
Nur die Chinesen zeigen die Zähne. Deshalb hat Trump die Zölle für die Chinesen bis November ausgesetzt. Die EU hat zudem noch den Energieabgabenmengen und Investitionen in den USA zugestimmt. Das EU-Hauptargument: Es hätte noch schlimmer kommen können. Kein Ausbäumen, kein Bemühen eine europäische Konkurrenz zu Microsoft, Meta, Amazon oder Google zu schaffen. Bei KI diskutieren wir über Verbote statt über Forschung und Weiterentwicklungen. Mit den USA zugesagten 1,35 Billionen Euro wäre einiges zu gestalten. Jetzt wird sogar eine in Deutschland ansässige, insolvente Batterie-Firma von Amerikanern übernommen. Sarasin würde sagen: Europa schafft sich ab.
Die Börsen feiern dieses Szenario mit Höchstkursen, allen voran der Technologie-Index Nasdaq (SKS?!!). Der Stimmungsindikator hat schon das „Gierniveau“ erreicht. Die Analysten überbieten sich in den Kurszielen für 2026. Zudem steigt der Marktanteil der Privatanleger. Dies ist durchaus ein typischer Hinweis auf einen „Schlussakkord“ der Aktien-Börse. Ein weiteres Zeichen einer bereits schwächelnden Wirtschaft sind kräftige Revisionen der Arbeitsmarktzahlen in den USA.
Das Worst-Case-Szenario wäre: Rezession in den USA bei steigenden langfristigen Zinsen. Dann würden die Gewinne implodieren, die Prognosen einbrechen und das auf Basis der Zehn-Jahreszinsen zugestandene Kurs-Gewinn-Verhältnis kräftig sinken. Noch glaubt der Markt, dass sich Trump mit der Forderung an die Fed, die Zinsen zu senken (lt. Umfrage glauben 94 Prozent an 0,25 Prozent Senkung im September) durchsetzen wird, zumal sich Trump über demokratischen Regeln und juristischen Gegebenheiten im „Bedarfsfall“ hinwegsetzt. Weitere Argumente sind der aktuell (noch) niedrige Ölpreis und die laxe Fiskalpolitik. Dies ist nicht unbedingt beruhigend, bedeutet aber auch, dass die Börse die positiven Argumente weitestgehend eingepreist hat. Im „besten“ Fall passiert das, was die Börse glaubt und bereits „bezahlt“. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Da die Exporteure die US-Zölle nicht aus ihrer Gewinnmarge zahlen, werden die Preise steigen. Wie eine in der ARD vorgestellten Studie errechnet hat, werden die Preise der US-Importe um durchschnittlich 18,2 Prozent steigen, die höchste Rate seit 1935!! So erwartet man bei importierten Schuhen und Kleidung Preiserhöhungen von nahezu 40 Prozent! Die Studie geht weiterhin von im Durchschnitt über 2.000 US-Doller jährlich Einkommensrückgängen und 0,4 Prozent mehr Arbeitslosen aus. Daraus ergäbe sich dann 0,5 Prozent weniger Wachstum. Bei einem geschätzten BIP-Plus von 1,5 Prozent in 2026 ist die Rezession nicht mehr allzu weit entfernt, zumal dann, wenn die langfristigen Zinsen steigen sollten, da die Inflation 2026 auf über 3,3 Prozent geschätzt wird. Die Produzentenpreise sind zum Vormonat bereits um 0,9 Prozent gestiegen, der stärkste Zuwachs seit drei Jahren. Weil die Zölle auch eine Belastung für die anderen Staaten darstellen, gehen auch von diesen keine Impulse für die Wirtschaft aus. Der Anleger sollte sich vom besserem zweiten Quartal in den USA nicht täuschen lassen. Das waren auch die Vorkäufe der Industrie bevor die Zölle in Kraft treten. Diese Umsätze fehlen dann in der zweiten Jahreshälfte und das könnte Rezessionsängste hervorrufen und noch größere Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen bewirken. Neben den Preissteigerungen könnten die ungehemmt weiterwachsenden Staatsschulden zum Problem für die Zinsen werden, denn ein Sparwille ist praktisch nicht vorhanden. Zum einen gehen Schätzungen für USA bis 2030 von 50 Billionen aus.
Aber auch die etwa 40 Billionen in 2026 sind eine hohe Hürde. Zum einen ziehen sich nach den Kapitaleinfrierungen von russischen Vermögen einige wichtige Gläubiger (BRICS-Staaten) zurück. Aber auch westliche Gläubiger könnten aufgrund der Verärgerung über die Zölle und mangels Geld Zurückhaltung üben. Und welche ausländischen Anleger kaufen US-Anleihen, wenn die US-Währung zur Schwäche neigt? Zum anderen liegt der zehnjährige Zins derzeit bei 4,23 Prozent und damit höher als in den letzten18 Jahren. Das bedeutet, dass mit jeder Prolongation der bestehenden Schulden (Durchschnittszins 3,3 Prozent) sich der Zinsaufwand (derzeit 1,2 Bill.) erhöht. Sollte die US-Wirtschaft aufgrund der Zölle, und trotz den zu Lasten weiterer Kredite beschlossenen Steuersenkungen, sich weiter abschwächen, könnten bei der Finanzierung des Defizits Probleme auftauchen.
Eine Eskalation im Welthandel liegt noch immer in der Luft, da man nicht davon ausgehen kann, dass sich China ähnlich „über den Tisch ziehen“ lässt, wie die EU und Japan. Gegenmaßnahmen der Chinesen und der BRICS-Staaten würden die bereits wieder anziehende Inflation einen weiteren Schub verpassen. Wahrscheinlich würde dann der Rentenmarkt mit weiter anziehenden Zinsen reagieren, selbst (oder gerade dann) wenn die Fed die Leitzinsen reduziert. Steigende Langfrist-Zinsen würden nicht nur die Konsumenten treffen, sondern vor allem die finanziell schwachen Gesellschaften, die sich dann in einer schwächeren Wirtschaft, bei gleichzeitig steigenden Finanzierungskosten nicht mehr halten können. Die aktuell recht positiv bewerteten Banken könnten wieder Negativschlagzeilen „produzieren“, zumal dann, wenn auch der Immobilienmarkt den Trend steigender Insolvenzen aufgrund höherer Zinsen verstärkt fortsetzt.
Auch die Aktienmärkte werden dann wohl den Rückwärtsgang einlegen. Besonders die US-Märkte hätten neben rückläufigen Gewinnen zwei weitere „Probleme“: Sie sind derzeit im globalen Vergleich überbewertet und es gibt eine Rekordkonzentration der 10-Top-Unternehmen. Weltweit haben alle Märkte ein zusätzliches Problem: Der Gegenwert der Derivate hat die Zwei-Billionen-Grenze überschritten. Und nicht ganz zu vergessen: Die Saisonalität.
Vor dem Hintergrund bestehender Krisenherde dürfte das Abwärtsrisiko der Edelmetalle begrenzt sein. Die aktuelle Konsolidierung darf sogar als gesund bezeichnet werden, so dass die Kursrückgänge weiterhin Kaufgelegenheiten darstellen. Es mag schon manches Problem in den Kursen zumindest teilweise eingepreist sein, aber nicht ein allgemeiner Vertrauensverlust in Finanzanlagen. Die Kombination aus weiter steigender Verschuldung, expansiver Fiskalpolitik, deutliche Unterinvestition des „Westens“ und einem schwachen Dollar sind eine perfekte Konstellation für einen weiteren, kräftigen Anstieg des Goldpreises.
Zusätzlich zu einem bis zu 20-prozentigen Anteil in Edelmetallen würde eine höhere Liquiditätshaltung (beispielsweise 20 Prozent) die Nervosität bei Kursrückgängen deutlich reduzieren. Ebenso Engagements in Qualitätsaktien und eine prozentuale Begrenzung der „Modeaktien“.

Marktkommentar von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH.

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