„Der erfolgreiche Vertriebler muss für den Kunden brennen."

26.09.2013

**Mal sind die freien Vermittler die Lieblinge, mal stehen sie abseits des Interesses der großen Produktgeber. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich ihre Welt vielfach verändert. **Rüdiger R. Burchardi, Vorstand der Dialog Lebensversicherungs-AG, ist ein Verfechter der Unersetzbarkeit der Makler und Berater.

**Ein Gespräch mit einem Menschen, der eine ganze Sparte prägte.

finanzwelt:** Herr Burchardi, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schreibtisch bei der Dialog?

Burchardi: Furchtbar! (Lacht). Ein dunkler Nussbaumschreibtisch und eine merkwürdige Zimmerpflanze von zweieinhalb Metern Durchmesser. Die blieben beide nicht lange. Das war übrigens ziemlich genau vor zehn Jahren.

finanzwelt: Wie sah der Vertrieb bei der Dialog damals aus?

Burchardi: Einen Vertrieb, wie er heute existiert, gab es damals eigentlich gar nicht. Es gab zwei Mitarbeiterinnen, die Vertriebspartnerverträge angenommen und abgeheftet haben – in Ordner, wohlgemerkt. Auf dem Flur stand ein Schrank von zwölf Meter Länge und dort waren die Verträge sauber abgeheftet. Das war damals der Vertrieb.

finanzwelt: Da hat sich ja einiges verändert. Was waren Ihre ersten Maßnahmen, um den Vertrieb aufzubauen?

Burchardi: Zunächst musste die Frage „Was macht denn die Dialog überhaupt aus?" beantwortet werden, um dann draußen vertrieblich agieren zu können. Ich selber habe in dieser Zeit rund 100 Vertriebspartner aufgesucht, große und kleine, ich bin bei Pools gewesen und in Wohnzimmern von Einzelmaklern.

finanzwelt: Sie selber, als Vorstand?

Burchardi: Ja, sicher, denn das sind die Menschen, mit denen ich besser zusammenarbeiten wollte. Dabei habe ich mir die Frage gestellt, wie wir aktiv auf diese Menschen zugehen können. Dann begannen wir, Vertriebsdirektoren zu suchen und die Vertriebspartner, von denen es rd. 5.000 Courtagevereinbarungen in dem 12-Meter-Schrank gab, in A-, B- und C-Partner zu kategorisieren. Die A-Partner waren diejenigen, die zu der Zeit drei Anträge und mehr pro Jahr eingereicht haben. Um diese haben sich dann die Vertriebsdirektoren besonders bemüht und sie zu neuen Produktionsergebnissen gebracht. Darüber hinaus haben sie viele neue Partner akquiriert. Seither wächst die Dialog beständig. Hatten wir vor zehn Jahren in der Risikoversicherung einen Marktanteil von 2 Prozent, so liegt er heute bei 7 Prozent.

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finanzwelt:** Was halten Sie von neuen Technologien im Vertrieb?

*Burchardi:* Sehr viel, wenn sie richtig umgesetzt werden. Sie müssen verkaufen helfen. Bei der Dialog haben wir bereits vor drei Jahren eine mobile Plattform geschaffen. Wir wollen mit dem mobilen Internet einen Mehrwert liefern, nämlich dass der Vertriebspartner mobil an alle Daten herankommt, mit uns rechnen, d. h. kalkulieren, anbieten und verkaufen kann. Wenn ein Makler in Ostfriesland beim Bier mit seinem Tischnachbarn ins Gespräch kommt und ihm eine Versicherung der Dialog verkaufen will, so muss das über Smartphone gehen. Diese Dinge treiben wir voran.

finanzwelt: Wie sehen Sie die Zukunft des Vertriebes?

Burchardi: Grundsätzlich so: Eine starke Stammorganisation wird in einem großen Unternehmen immer ihre Existenzberechtigung haben. Auch der oft geschmähte Strukturvertrieb hat ohne Frage seine Daseinsberechtigung, sofern er Qualität liefert. Ich hoffe, dass auch der Makler, der heute ein wichtiges Bindeglied zum Kunden ist, weiterhin seine Aufgabe wahrnehmen kann. Er wird von den Gesetzesvorhaben, wie dem diskutierten Provisionsabgabeverbot oder der scheinheiligen Diskussion um Modelle wie Honorarberatung oder laufende Courtage usw., am meisten betroffen sein.

finanzwelt: Wo sind aus Ihrer Sicht die Probleme?

Burchardi: Die laufende Courtage als Provisionsmodell funktioniert nur für vielleicht 10 Prozent der Makler. die restlichen 90 Prozent benötigen die Liquidität der Abschlussprovision. Die Honorarberatung kann in vielen Sparten, z. B. der Personenversicherung, doch nicht ernsthaft funktionieren. Die Beratungsleistung müsste ein Vielfaches der Jahresprämie kosten – wie soll das gehen?

finanzwelt: Wenn es keine Makler mehr gäbe, wer soll dann die Menschen beraten?

Burchardi: Wer soll es denn sonst tun? Auch die Politik kann nicht wollen, dass hier eine Beratungslücke entsteht. Der Kunde muss beraten und auf Versorgungslücken hingewiesen werden, der Makler hat in diesem Punkt auch einen sozialpolitischen Auftrag, den man mit einem anderen Provisionsmodell doch nicht kurzerhand abschaffen kann. Ein geändertes Provisionsmodell bringt auch nicht die einzelnen wenigen schwarzen Schafe zur Räson, es vernichtet nur eine ganze Menge von Beratungsleistungen. Eine klassische Verschlimmbesserung!

finanzwelt: Wir hören immer mehr von der Schere zwischen steigenden Anforderungen an den Makler und den gleichzeitig schrumpfenden Einkommen des Maklers. Wie ist Ihre Sicht?

Burchardi: Es gibt drei Gruppen von Maklern: der ganz große, der wie ein Pool agiert. Er ist kaum betroffen. Der mittlere Makler, der braucht an unterschiedlicher Stelle Unterstützung, je nachdem, welche Geschäftsart er betreibt, auch hier ist alles lösbar. Und dann haben wir den kleinen Makler, den Einzelmakler. Er kann die Technik und die heute erforderlichen Prozesse nicht mehr alleine vorhalten. Er kann aus meiner Sicht nur mit einem oder mehreren Pools zusammenarbeiten, um weiter erfolgreich zu sein.

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finanzwelt:** Welche drei guten Gründe gibt es für junge Leute, in den Vertrieb zu gehen?

*Burchardi:* Erstens können sie selbstständig arbeiten, zweitens eine Affinität zu Menschen ausleben und drittens Unternehmer sein, unternehmerisch denken und handeln. Alles zusammen bedeutet eine große Freiheit.

finanzwelt: Wie weckt man Leidenschaft bei Mitarbeitern?

Burchardi: In dem Sie anspruchsvolle, aber erreichbare Ziele setzen und Vorbild sind. Wir haben seinerzeit bei der Dialog Unternehmensgrundsätze erstellt. Einer davon ist: Leidenschaft für den Kunden. Aber: Der Grundsatz allein reicht nicht, man muss auch für den Kunden brennen. Das muss man als Vorbild leben. Ansonsten nutzen die schönsten Grundsätze nichts.

finanzwelt: Herr Burchardi, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(Das Interview führte Christoph Sieciechowicz)

Interview mit Rüdiger R. Burchardi - Printausgabe 05/2013