Der ESG-Score als strategisches Instrument für nachhaltige Wertentwicklung
23.07.2025

Dyrk Vieten / Foto: © ficon
Erfolgreiche nachhaltige Investments hängen auch mit dem sogenannten ESG-Score von Unternehmen zusammen. Das ist ein Bewertungssystem, das Unternehmen nach ihrer ökologischen, sozialen und unternehmerischen Verantwortung einordnet und etwas über dessen Wertentwicklungspotenziale aussagt.
Die Bedeutung nachhaltiger Unternehmensführung nimmt auf den globalen Kapitalmärkten stetig zu. Investoren achten nicht mehr allein auf klassische Finanzkennzahlen, sondern zunehmend auch auf ökologische Verantwortung, soziale Standards und eine integre Unternehmensführung. ESG-Kriterien sind längst zum festen Bestandteil moderner Investmentstrategien geworden. Doch wie lässt sich nachhaltige Performance objektiv erfassen? Und welche Rolle spielt dabei der sogenannte ESG-Score?
Der ESG-Score bewertet Unternehmen in den drei Kategorien Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Dabei geht es um konkrete Kennzahlen wie Treibhausgasemissionen, Ressourcenverbrauch, Arbeitsschutzmaßnahmen, Diversität im Management oder Korruptionsprävention. Kommerzielle Anbieter bewerten Hunderte von Einzelfaktoren, gewichten sie je nach Branche unterschiedlich und führen sie zu einer Gesamtbewertung zusammen. Diese reicht typischerweise von 0 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut) oder wird in Schulnoten von D bis A übersetzt. Je nach Datenverfügbarkeit und Offenlegung kann sich ein Score über die Zeit hinweg kontinuierlich verändern – durch Verbesserungen in der Unternehmenspraxis, durch neue Berichterstattungspflichten oder infolge aktualisierter Bewertungssysteme.
Ein plastisches Beispiel: Ein mittelständischer Automobilzulieferer, der in der Vergangenheit kaum öffentlich über sein Nachhaltigkeitsmanagement berichtet hat, beginnt mit der systematischen Erfassung seiner CO₂-Emissionen, verpflichtet sich zu Klimazielen gemäß Science Based Targets Initiative und etabliert eine unabhängige Kontrollinstanz zur Überwachung seiner Lieferkette. In der Folge steigt sein ESG-Score von 41 auf 56 Punkte. Diese Entwicklung dokumentiert nicht nur Fortschritte im Nachhaltigkeitsmanagement, sondern erhöht auch die Transparenz für Investoren und Analysten. Gleichzeitig kann dieser Anstieg messbare Auswirkungen auf die Marktwertbewertung haben.
Dass ESG-Kriterien zunehmend Eingang in Investitionsentscheidungen finden, ist nicht nur ein ethisches oder regulatorisches Phänomen, sondern auch eine ökonomisch begründbare Bewegung. Eine umfassende empirische Analyse über 300 börsennotierte Unternehmen aus verschiedenen Branchen belegt, dass ein um zehn Punkte höherer ESG-Score mit einem im Durchschnitt 1,2-fach höheren EV/EBITDA-Multiple einhergeht. Noch aufschlussreicher: Eine Verbesserung des ESG-Scores um zehn Punkte bei einem einzelnen Unternehmen führt durchschnittlich sogar zu einem 1,8-fach höheren Multiple. Der Kapitalmarkt scheint also ESG-Fortschritte als wertsteigernd zu interpretieren.
Nachhaltigkeitsmaßnahmen werden häufig als Kostenblock im Sinne von Regulierungsfolgen und Risikomanagement wahrgenommen. Doch der Blick auf die Bewertungsprämien zeigt: Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr nur ein Schutzschild gegen Reputationsschäden, sondern ein strategisches Wachstumsinstrument. Investitionen in ESG-Strukturen können sich mittel- bis langfristig direkt in höheren Unternehmensbewertungen niederschlagen – auch dann, wenn sich die Maßnahmen nicht unmittelbar im Jahresabschluss abbilden. Ein modernes ESG-Management führt nicht nur zu Kosteneinsparungen etwa durch Energieeffizienz, sondern macht Unternehmen attraktiver für Kunden, Talente und Investoren. Der ESG-Score hat sich damit zu einem entscheidenden Orientierungswert für nachhaltige Anlagestrategien entwickelt. Er schafft Transparenz, objektiviert Fortschritt und lässt sich in seiner Marktwirkung mit klassischen Finanzkennzahlen in Beziehung setzen. Für Anleger, die auf langfristige Stabilität, Wertentwicklung und Verantwortungsbewusstsein setzen, ist der ESG-Score ein zukunftsweisender Selektionsfilter.
Marktkommentar von Dyrk Vieten, Sprecher der Geschäftsführung der unabhängigen Vermögensverwaltung ficon Vermögensmanagement GmbH

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