„Der Kfz-Bereich ist weiterhin sehr herausfordernd“

08.05.2025

Dr. Annika Obermayer, Leiterin Geschäftsbereich Komposit bei der Bayerischen / Foto: © die Bayerische

Seit Januar 2025 leitet Dr. Annika Obermayer den Geschäftsbereich Komposit bei der Bayerischen. Im Interview spricht sie über die Strategie bei der Neuausrichtung des Komposit-Bereichs, die Entwicklungen im Bereich Mobilität sowie die Auswirkungen der zunehmenden Extremwetterereignisse.

finanzwelt: Frau Dr. Obermayer, was schätzen Sie an der Bayerischen und Ihrer neuen Position am meisten?

Dr. Annika Obermayer: Nach zwölf Jahren in einer Konzernstruktur finde ich es besonders erfrischend zu erleben, wie es uns als mittelständischem Versicherer gelingt, all den Herausforderungen des Marktes zu begegnen. In meiner aktuellen Rolle kann ich aktiv gestalten, flexibel auf Marktveränderungen reagieren und Herausforderungen gezielt lösen.

finanzwelt: Was ist der USP der Bayerischen bei Sachversicherungen?

Dr. Obermayer: Wir denken Versicherungen neu und gehen über das klassische Produktangebot hinaus. Ein gutes Beispiel ist unsere ‚Meine-eine-Police‘, ein innovatives Bündelprodukt mit Allgefahrendeckung und umgekehrter Beweislast. Das bedeutet: Alles ist versichert, was nicht explizit ausgeschlossen ist. So bleibt der Kunde im Schadenfall nicht allein. Auch Prävention spielt bei uns eine große Rolle. Ein Beispiel dafür ist der Grohe Sense Guard, der Leitungswasserschäden frühzeitig erkennt und verhindert. Neukunden erhalten dieses System im Wert von rund 1.000 Euro ohne eigene Investition. So sparen wir nicht nur Kosten, sondernbewahren Kunden vor Ärger. Unsere Stärken liegen in Agilität, Innovationskraft und Nachhaltigkeit. Dabei kombinieren wir Digitalisierung mit persönlicher Empathie – wir nennen das: digitale Empathie. KI hilft uns dabei, Prozesse zu optimieren, aber am Ende bleibt der Mensch im Mittelpunkt.

finanzwelt: Im Jahr 2023 konnte die Bayerische im KompositBereich bei den gebuchten Beiträgen im Vergleich zum Vorjahr um 11 % auf 225 Mio. Euro zulegen, das Neugeschäft ist um 8 % auf 47,3 Mio. Euro gestiegen. Wie ist Ihre Einschätzung für 2024?

Dr. Obermayer: 2024 konnten wir die gebuchten Bruttobeiträge um rund 4 % auf 234 Mio. Euro steigern. Besonders in der Gewerbeversicherung, unserer Start-up-Sparte, setzen wir auf starkes Wachstum. Die gebuchten Bruttobeiträge stiegen in dieser Sparte um 83,4 % auf 2,7 Mio. Euro. Hier punkten wir mit persönlicher Betreuung – sowohl im Underwriting als auch im Schadenfall. Diese emotionale Nähe unterscheidet uns klar vom Wettbewerb.

finanzwelt: Welche Strategie wollen Sie bei der Neuausrichtung des Komposit-Bereichs einschlagen? Welche Akzente werden Sie dieses Jahr setzen?

Dr. Obermayer: Wir richten uns gezielt auf unsere Kernzielgruppe der Einfamilienhauseigentümer aus. Die neue PrimeHome-Police bietet eine umfassende WohngebäudeAbsicherung mit Elementarschutz und einem Vorsorgebudget, das Inspektionen wie Leitungsrohr-Checks, Dach- und Fassadenprüfungen oder E-Checks finanziert. Ziel ist es, unseren Kunden den richtigen Schutz zu bieten, ohne dabei auf Flexibilität zu verzichten. Unsere neue Verbundpolice wächst mit den Bedürfnissen des Kunden und lässt sich individuell anpassen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Schadenexzellenz. Unsere Endkunden und Vertriebspartner erwarten im Schadenfall schnelle und kompetente Hilfe. Deshalb setzen wir auf starke Partner, um einen direkten Zugriff auf Handwerkerservices und ein breites AutowerkstattNetzwerk zu gewährleisten. Zudem legen wir 2025 einen strategischen Fokus auf unsere KMU-Kunden. Besonders in der Unfallversicherung wollen wir eine enge Verzahnung mit unseren Geschäftsfeldern Unternehmensvorsorgewelt und PrimeBusiness schaffen. Ziel ist es, unseren KMU-Kunden und deren Belegschaften ein ganzheitliches Lösungspaket anzubieten, das Gewerbeversicherung, betriebliche Altersvorsorge und Gruppenunfallversicherung auseiner Hand umfasst.

finanzwelt: Im Geschäftsfeld Mobilität machen den Versicherern branchenweit weiterhin eine hohe Inflation und gestiegene Preisniveaus bei Ersatzteilen und Reparaturen zu schaffen. Wie stellt sich der Bereich aktuell bei Ihnen dar?

Dr. Obermayer: Der Markt ist im Bereich Kfz weiterhinsehr herausfordernd. Das anspruchsvolle Umfeld ist auch bei uns spürbar. Dank unserer konsequenten Annahme- und Sanierungspolitik halten wir die Schadenfrequenz zwar stabil, liegen in der Combined Ratio dennoch weiterhin über 100 %. Die stringente Annahmepolitik werden wir auch in der Zukunft weiter betreiben. Gleichzeitig verbessern wir unsere Schadensteuerung, um Kunden noch besseren Service zu bieten und ihre Zufriedenheit zu steigern.

finanzwelt: Immer häufiger werdende Unwetterereignisse setzen auch die Bereiche Haus und Eigentum unter Druck. Wie entwickeln sich die Wohngebäude-, Elementar- und weitere Versicherungen in diesem Segment?

Dr. Obermayer: Im Jahr 2024 verursachten Extremwetterereignisse in Deutschland 5,5 Mrd. Euro Schaden – allein das Starkregenereignis in Bayern schlug bei uns mit über 7 Mio. Euro zu Buche. Unsere Antwort darauf ist eine Kombination aus Prävention und Aufklärung. Unsere Wohngebäudeversicherung gibt es nur mit Elementardeckung. Während der Marktdurchschnitt bei 50 % liegt, sind über 90 % unserer Kunden abgesichert. Wir fördern Maßnahmen wie Hochwasserschutz, Rückstauklappen oder Dachinspektionen und prüfen neue Kooperationen im Bereich Prävention. Zudem beobachten wir die politische Diskussion um eine Elementarversicherungspflicht genau und sensibilisieren unsere Kunden durch gezielte Marketingaktionen.

finanzwelt: Wie ist Ihre Einschätzung für den weiteren Jahresverlauf 2025 für den Komposit-Bereich? Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?

Dr. Obermayer: Besonders in der Gewerbeversicherung sehen wir Potenzial mit unseren sieben Zielgruppentarifen für Branchen wie Gastronomie, Bauhandwerk und Gartenbau. Vor allem im Maklervertrieb gibt es viel Raum für Wachstum. Ein weiteres wichtiges Segment ist die private Unfall- und Krankenzusatzversicherung. Neben Einzelkunden adressieren wir auch Gruppenunfallversicherungen für KMU und Vereine. In der Krankenzusatzversicherung liegt unser Fokus auf Zahnzusatz- und Krankenhauszusatzversicherungen. Hier wollen wir uns als relevanter Anbieter positionieren. (mho)