Die Hidden Champions kommen!

11.03.2024

Foto: Bernhard Kuntz

Das „Innovator‘s Dilemma“ überwinden

Der Wirtschaftsingenieur nennt dafür folgenden Grund: „Die Unternehmen, die in solchen Märkten aktiv waren, hatten wenig Interesse daran, ihre bestehenden erfolgreichen Geschäftsmodelle zu kannibalisieren.“ Sie lebten, wie zum Beispiel fast alle Unternehmensberatungen, zu denen auch die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwaltskanzleien zählen, sehr gut von ihren Beraterhonoraren und teuren analogen Lösungen. Folglich bestand für sie kein Anlass, unter Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnik, sich smartere und für ihre Kunden eventuell preisgünstigere Problemlösungen zu überlegen.

Die in solchen Märkten tätigen Unternehmen wurden durch das ausgebremst, was der US-amerikanische Wissenschaftler Clayton M. Christensen das „Innovator‘s Dilemma“ nennt: Sie wussten zwar, dass eine grundlegende digitale Transformation in ihrem Markt mittel- bis langfristig unumgänglich ist, doch sie wollen ihre gewohnten, lukrativen Geschäftsmodelle nicht selbst zerstören. Also verteidigen sie diese solange wie möglich.

Doch dann kam die Corona-Pandemie mit all ihren Folgen wie Lockdown und Lieferengpässen. Kurze Zeit später brach der Ukraine-Krieg aus mit seinen bekannten Folgen wie explodierenden Energiepreisen. Diese „Schwarze Schwäne“, also unvorhergesehenen Ereignisse, waren für viele Unternehmen ein Wachmacher, ihre Strategien und Geschäftsmodelle zu überdenken. Für andere Unternehmen war der Wachmacher, der sich verschärfende Fachkräftemangel oder der durch ChatGPT ausgelöste KI-Hype. Zugleich erkannten viele unternehmerisch denkende Menschen wie die Gründer der Innolytics AG: Hier tun sich durch die Marktveränderungen neue Chancen für uns auf. Also potenzierten sie ihre Anstrengungen, um künftig ein möglichst großes Stück vom Kuchen „Markt für …“ abzubekommen.

Lohn: hohe Wachstumsraten über viele Jahre

Digitale Nischenmärkte erscheinen auf den ersten Blick oft klein – zumindest im Vergleich mit solchen Billionen- Dollar-Märkten wie dem Markt für Standard-Software. Ein großes Plus von ihnen ist jedoch: Weil sie noch nicht erschlossen sind, sind in ihnen hohe Wachstumsraten über viele Jahre möglich.

Jens-Uwe Meyer, von dem gerade das Buch „Die KI- Roadmap: Künstliche Intelligenz im Unternehmen erfolgreich einsetzen“ erschien, schätzt: Bislang sind maximal zehn Prozent aller digitalen Nischen besetzt. Vermutlich sind es weniger, da solche bereits erwähnten Ereignisse wie die Corona-Pandemie, der Fachkräftemangel, die Ukraine-Krieg, der KI-Hype uns gerade erst die Augen dafür öffnen, in wie vielen unserer Lebens- und Arbeitsbereiche eine Digitalisierung eventuell sinnvoll, wenn nicht gar nötig wäre.

Für Unternehmen, die mit Speziallösungen digitale Nischenmärkte besetzen möchten, gelten jedoch andere Spielregeln als für Unternehmen, die wie die Konzerne Amazon und Google, Facebook und Airbnb zur sogenannten Plattform-Ökonomie zählen. „Sie müssen bezogen auf ihren Zielmarkt und das Geschäftsfeld ihrer Zielkunden eine sehr hohe fachliche Expertise haben“, betont der Wirtschaftsingenieur Kraus, Sie müssen zudem „komplexe technologische Lösungen entwickeln können und ein tiefes Verständnis für die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielkunden haben“.

Herausforderung: Die „neue Problemlösung“ promoten

Auch ihre Marketing- und Vertriebsstrategie muss eine andere sein: „Sie brauchen eine Strategie, wie sie ohne ein breites Netz von Niederlassungen oder Repräsentanten zum Beispiel die mittelständische Industrie weltweit erreichen.“ Zentrale Säulen ihrer Markterschließung und -bearbeitung können das Content- Marketing, der gezielte Einsatz von Influencern und ein professionelles SEO sein, betont der Management- und B2B-Vertriebsberater Peter Schreiber, Ilsfeld.

Ein weiteres Element ist oft die gezielte Suche nach passenden Business- und Netzwerk-Partnern. „Denn was nutzt es einem Unternehmen, wenn es die sich aus den Marktveränderungen, dem technischen Fortschritt usw. ergebenden Chancen erkennt und entsprechende smarte Problemlösungen entwickelt, diese deren potenzielle User und Käufer aber nicht kennen?“, fragt Schreiber. „Nichts!“ Denn dann ist es, wenn seine Ressourcen aufbraucht sind, irgendwann pleite – selbst wenn seine Problemlösung das Potenzial gehabt hätte, damit Millionen- oder gar Milliardenumsätze zu erzielen. Ein Schicksal, das dem B2B-Vertriebsberater zufolge schon viele erfolgversprechende Starts-up und Tochterunternehmen von Mittelständlern erlitten – „sofern sie nicht zuvor von den Marktgiganten aufgekauft wurden“.

Gastbeitrag von Bernhard Kuntz, Die PRofilBerater GmbH