Für eine Handvoll Vertriebskosten weniger

25.08.2023

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Abschlussvergütung vom Lebensversicherer oder Beratungshonorar vom Versicherungsnehmer: Die jüngste Diskussion über Provisionsverbote rückte die Lebensversicherungen ohne einkalkulierte Abschlussvergütung für Beratung und Verkauf erneut ins Blickfeld. Besonders Versicherungsmakler stehen vor der Frage, ob aus Kostengründen sogenannte Nettotarife ohne Vermittlerprovision oder weiterhin Bruttotarife die bessere Wahl für die Kunden sind.

Während in Diskussionsrunden diese Entscheidung zur Kardinalsfrage hochstilisiert wird, bleiben Branchenprofis mit Expertise in beiden Tarifmodellen gelassen: Es ist nicht die Frage eines „Entweder/Oder“. Beratungen in der Lebens- und Rentenversicherung benötigen ein „Sowohl/Als auch“. Die Kunden sollten entscheiden, ob sie Absicherung nach einem Bruttotarif oder einem Nettotarif bevorzugen.

Geldwerte Beratungen

Die Gestaltung passgenauer Versorgungen des Kunden verursacht Kosten. Die Vorbereitung, Durchführung, Dokumentation und Nachbereitung dahingehender Beratungen benötigen manchmal Tage. Hinzu kommt die Identifikation solventer Anbieter mit leistungskräftigen Tarifen für genügend Auswahl. Gerade zur betrieblichen Altersversorgung sind die Beratungsprozesse komplex. Vor den individuellen Beratungen für die Arbeitnehmer liegen häufig intensive Verhandlungen mit Entscheidern auf der Arbeitgeberseite nebst deren Rechts- und Steuerberatern. Die Zeiten des provisionsträchtigen Policen-Verkaufs nach Wochenendseminaren sind endgültig Geschichte. Für Kunden sowie für Politiker ist klar, dass kompetente Beratungen zur Absicherung aller Lebensphasen der Versicherten spezielle Ausbildung und Expertise erfordern. Allerdings stecken die Provisionsexzesse zulasten der Kundschaft bei vielen noch in den Knochen. Aufsichtsamt und Gerichte ziehen rote Linien, ab denen die Provisionshöhe inakzeptabel ist, mit mehr oder minder Erfolg in der Praxis. Der Ruf nach transparenten und frei verhandelbaren Honoraren wird deutlicher. Statt Bruttotarife mit einkalkulierten Vergütungen, deren Umfänge als deklarierte Geschäftsgeheimnisse selten nachvollziehbar sind, sollen Nettotarife die Alternative bieten. Für Beratung und Vermittlung vereinbaren Versicherungsberater oder -makler mit dem Kunden ein zusätzliches Honorar.

Auswahl mit Haken und Ösen

Kritiker sehen in der Nettotarif-Honorar-Lösung kaum Vorteile. Den Kunden fehlen oftmals die Geldmittel für meist vierstellige Honorarzahlungen sowie weiterhin die genauen Vergleichswerte, um zwischen den Brutto- oder Nettotariflösungen vorbehaltlos zu entscheiden. Während für Versicherungsberater Honorare das Tagesgeschäft sind, fühlen sich Makler bei Honoraren in eine Rechtfertigungsecke für ihre Leistungen gedrängt. Mit Mindestlohnempfängern über Honorare in Zeiten von Krisen und Inflation zu verhandeln, erscheint zudem schwer. Deshalb setzen einige Experten sowohl auf Brutto- als auch auf Nettotarife. Für Geringverdiener sind ggf. Riester-Angebote als Bruttotarif oder ein Gang in die betriebliche Altersversorgung sinnvoller. Für Arbeitgeber können unter Steueraspekten die Honorare attraktiver sein und die Belegschaft wird zum Nettotarif abgesichert. Zahlen Versicherte die Beratung selbst, gleichen Provisionen im Bruttotarif die anfallenden Vergütungen aus oder private Finanzpolster lassen die Honorar- bzw. Nettotarifalternativen zu.

Zwei Seiten der Medaille

Im Vergleich von Brutto- und Nettotarifen bleiben manche Abschlusskosten außer Acht. Neben Vergütungen für Vermittler gehören z. B. ebenso die Vertriebskosten des Anbieters, Marketing- und Produktaufwendungen sowie der Aufwand für die Risikoprüfung und Antragsannahme mit zu den Abschlusskosten. Bei Nettotarifen entfallen die originären Vermittlervergütungen, andere Vertriebskosten wie beispielsweise für Maklerbetreuer bleiben eingerechnet. Die Abschlusskosten finanzieren Personenversicherer vor und kalkulieren dafür Zinssätze, die sich gewöhnlich an Gewinnerwartungen orientieren. Reduzieren sich Abschlusskosten um Vergütungsteile, entfallen die anteiligen Vorfinanzierungszinsen. Die Effekte lassen Nettotarife in Ablaufsummenvergleichen gegenüber Bruttotarifen gut dastehen. Die Honorarhöhe sollte die Zinseffekte ebenso berücksichtigen, damit die Nettotarifbeiträge plus Honorar nicht den Bruttotarif inklusive Abschlussprovision überflügeln. Gerichte brandmarkten Vermittler für solche Versuche mit Privatkunden bereits.

In der betrieblichen Altersversorgung weht der Wind für Makler besonders bei Großkundenverbindungen ein wenig rauer. Wird die Versorgung der Belegschaft ausgeschrieben, benötigen die anbietenden Makler für Bruttotarife mit niedrigerer Ablaufsumme gute Argumente, wenn anderweitig Nettotarife im Angebot sind. Zudem reduziert ein möglicher Anbieterwettstreit das erzielbare Honorar. Diese neue Welt kommt ebenfalls auf die Bestandsverträge zu, wenn Wettbewerber mit Nettovorsorgekonzepten auf dem Parkett erscheinen und höhere Abläufe in den Raum stellen. Ob und inwieweit Versicherungsmakler auf gewerbliche und private Bestandskunden mit Bruttotariflösungen proaktiv zugehen sollten, ist final nicht geklärt. Eine konsequente Umsetzung der IDD im Maklerbüro, um u. a. den regelmäßigen Prüfungen zur Angemessenheit, Geeignetheit und Nachhaltigkeit nachzukommen, könnte zumindest im Einzelfall ebenso Brutto- und Nettotarifvergleiche erfordern. (gg)

Fazit

Es gibt keinen goldenen Mittelweg. Kunden sollen nach eingehender Beratung selbst zwischen individuell zugeschnittenen Empfehlungen wählen. Lösungen aus der Brutto- und Nettotarifwelt erscheinen mit einem erschöpfenden Vergleich als der nächste logische Schritt im Neugeschäft. Für den Bestand, der konform zur IDD betreut wird, dürfte die Berücksichtigung beider Tarifwelten ebenfalls folgerichtig sein.