Nachhaltigkeit im Lichte des Kapitalmarktrechts

08.09.2022

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Wer gilt als Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater?

Unter die Begriffe des Finanzmarktteilnehmers und des Finanzberaters fallen eine Reihe an aufsichtsrechtlichen Normadressaten. Zu den Finanzmarktteilnehmern gehören etwa Wertpapierfirmen und Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen, AIF-Manager und OGAW-Verwaltungsgesellschaften, aber auch Versicherungsunternehmen, welche Versicherungsanlageprodukte (IBIP) anbieten. Finanzberater sind nicht nur Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, AIF-Manager und OGAW-Verwaltungsgesellschaften, welche Anlageberatung erbringen, sondern z. B. auch Versicherungsvermittler für IBIP.

Sanktionen bei Verstößen gegen Taxonomie- und Offenlegungs-VO

Die weich ausgestalteten Regelungen und das sowohl in der juristischen Fachliteratur als auch vor den Gerichten bisher wenig behandelte Thema der Nachhaltigkeit führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten. Denkbar ist, dass sich Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater bei Zuwiderhandlung gegen die erlassenen Rechtsakte gegenüber Anlegern schadensersatzpflichtig machen. Mögliche Hebel sind Ansprüche im Rahmen der Prospekthaftung, der Anlageberatung, des Investmentrechts, aber auch der Haftung wegen unterlassener bzw. fehlerhafter Ad-hoc- Publizität. Denkbar ist zudem, dass die Offenlegungsvorschriften der Offenlegungs-VO Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sind, was wiederum eine Schadensersatzpflicht begründen könnte. Bejaht man die Haftung nach den o. g. Möglichkeiten, drängt sich die Frage nach der Schadenshöhe auf. Insbesondere in Fällen, in denen eine Anlage gegen die o.g. Regelungen verstößt, werden trotzdem hervorragende Renditen erwirtschaftet. Verneint man einen Schadensersatzanspruch, wird der Zweck des EU-Aktionsplans unterlaufen, denn am Schluss zählt – wie immer – allein die maximale Renditeerzielung. Bejaht man einen Schadenersatzanspruch, würde der Anleger sogar bessergestellt sein als ohne das schädigende Ereignis. In diesem Fall wäre der Sanktionscharakter dieser Rechtsakte gewahrt, mit der Folge einer Durchbrechung des deutschen Rechts, welches einen Vermögensschaden voraussetzt. Somit bleiben derzeit viele Fragen ungeklärt und erst die weitere Verrechtlichung dieses Bereiches und gerichtliche Entscheidungen werden zu Rechtssicherheit führen.

Fazit

Wie in anderen Rechtsgebieten wird das Thema Nachhaltigkeit auch im Kapitalmarktrecht zukünftig eine wesentliche Rolle spielen. Noch befindet sich der Markt für nachhaltige Anlagen in einer Phase der Verrechtlichung, in der noch viele Fragen offen sind. Aus diesem Grund ist noch nicht abzusehen, wie die Gerichte mit Verstößen gegen die Offenlegungs-VO und Taxonomie-VO umgehen werden, weshalb vor allem für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Vorsicht geboten ist.

Autor: Marc Dreher Rechtsanwalt TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH