„So What“-Modus an den Börsen
13.08.2025

Robert Greil. Foto: © Merck Finck
Viele Marktteilnehmer hatten Sorgen vor Donald Trumps zweiter Amtszeit. Und jetzt? Markieren die großen Aktienindizes weltweit immer weiter Allzeithochs. Nach fast sieben Monaten Trump 2.0 herrscht an den Finanzmärkten (wieder) bemerkenswerte Gelassenheit. Der VIX, das wichtigste US-Volatilitätsbarometer, liegt um ein Fünftel unter seinem langfristigen Durchschnitt – ein Zeichen dafür, dass sich Anleger von dem intensiven politischen Rauschen nicht mehr nervös machen lassen. Ähnlich das Bild beim entsprechenden Pulsmesser im Euroraum, dem Volatilitätsindex VSTOXX.
Investoren scheinen sich an die „Wall of Worries“ aus Zöllen, US-Haushalts- und damit Schuldenplänen sowie geopolitischen Spannungen gewohnt zu haben – oder einfach noch keinen Weg gefunden zu haben, die Risiken richtig einzupreisen. Dennoch bleiben diese Risiken real. Bei allen Hoffnungen hinsichtlich des Russland-Ukraine-Konflikts: für Wirtschaft und Börsen bleibt das Verhältnis zwischen den USA und China wohl das Entscheidende.
Die Herausforderung für die Akteure am Finanzmarkt: Die aktuell von den USA ausgehende Neuordnung entzieht sich jeder historischen Einordnung. Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten gab es ein derart chaotisches, vom US-Präsidenten geprägtes Verändern bisheriger (geo)politischer Spielregeln und ein unstetes, machtgeprägtes Handelssystem für Regionen, Branchen bis mittlerweile hin zu spezifischen Maßnahmen für einzelne Unternehmen. Ohne belastbare historische Vergleichswerte fehlt Investoren wie Analysten jedoch ein Referenzrahmen, um die Risiken angemessen zu bepreisen. Die Märkte navigieren ohne historischen Kompass. Auch wenn politische Analysen und Szenarien bei Research-Häusern und Investoren langsam an Bedeutung gewinnen: Die Gefahr, dass die Märkte die Eintrittswahrscheinlichkeit negativer Entwicklungen unterschätzen, erscheint nach wie vor hoch.
Wie weit können die Aktienmärkte in ihrer gegenwärtigen Verfassung also noch nach oben laufen? Historisch betrachtet sind Wendepunkte im Herbst keine Seltenheit. Passend dazu steht Ende Oktober der Ostasien-Gipfel an, an dem Donald Trump auf Chinas Präsidenten Xi Jinping treffen wird. Und am 10. November läuft die eben verlängerte Zollfrist der USA für China aus. Sollte es hier zu einem symbolträchtigen Handschlag zwischen den beiden Staatenlenkern als Signal für ein (vorläufiges) Ende der Zollkonflikte kommen, könnte – ein mögliches Szenario – der Optimismus an den Finanzmärkten seinen Höhepunkt und die Aktienmärkte ihren Gipfel sehen.
Marktkommentar von Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck.

US-Handelszölle – worauf Anleger nun achten sollten
