"Überzeugende strukturelle Wachstumschancen"

07.06.2024

Daniel J. Graña - Foto: Copyright Janus Henderson Investors

2024 stehen die Emerging Markets wieder vermehrt im Fokus des Interesses. Zu den Gründen und Aussichten sprach finanzwelt mit Daniel J. Graña, Portfolio Manager, Janus Henderson Investors.

finanzwelt: In vielen Schwellenländern wächst die Wirtschaft dynamisch. Darüber hinaus gelten Aktien aus Emerging Markets (aktuell) als günstig. Welche Gründe führen Sie prinzipiell und aktuell für ein Engagement an?

Daniel J. Graña: Schwellenländer entwickeln sich zweifelsohne zu einer Anlageklasse mit vielfältigen, aber überzeugenden strukturellen Wachstumschancen. Aus unserer Sicht erleben die Schwellenländer eine explosionsartige Zunahme der unternehmerischen Innovation, die auf eine stark digital vernetzte Wirtschaft, ein hohes MINT-Bildungsniveau und eine starke staatliche und regulatorische Unterstützung zurückzuführen ist. Gleichzeitig stellen wir fest, dass eine der größten vermeintlichen Herausforderungen für Investitionen in den Schwellenländern – die Deglobalisierung und der Handelskonflikt zwischen den USA und China – in Wirklichkeit eine Chance für einige andere Schwellenländer ist, da die Handels- und Lieferbeziehungen weltweit neu geordnet werden. Diese wirtschaftlichen Faktoren bedeuten sicherlich eine Verlagerung von den klassischen Vorteilen der Schwellenländer – Zyklizität, Konvergenz und Outsourcing. Aber diese neuen Treiber sind ein überzeugender Grund, in diese Anlageklasse zu investieren, während diese mit erheblichen Bewertungsabschlägen gehandelt wird.

finanzwelt: Was spricht evtl. gegen Emerging Markets?

Daniel J. Graña: Als erfahrener Schwellenländer-Investor sind wir uns bewusst, dass in dieser Anlageklasse nicht immer alles glatt läuft und es durchaus Gegenwind und Risiken gibt, mit denen man umgehen muss. Ein wesentliches ‚externes‘ Risiko besteht darin, dass die anhaltend hohen Zinsen in den USA weiterhin Kapital binden, das andernfalls das Risiko-Rendite-Verhältnis der Schwellenländer attraktiv finden könnte. Hinzu kommen die ‚internen‘ Risiken, die ausländische Investoren abschrecken können. Einige der Emerging Markets machen sich selbst das Leben schwer, sei es durch eine undisziplinierte Haushaltspolitik oder durch das Zureden – und manchmal auch Fordern – privatwirtschaftlicher Unternehmen, dem “nationalen Dienst” gegenüber der Aktionärsrendite Vorrang einzuräumen. Auch wenn es für die Regierungen durchaus gute Gründe für diese Entscheidungen gibt, führen sie selten zu attraktiven Renditen für die Anleger. Selbstverständlich sind dies keine ungewöhnlichen Bedingungen für Emerging-Markets-Investoren. Erfahrung und ein aktiver Ansatz dürften der beste Weg sein, um hier erfolgreich zu sein.

finanzwelt: Sehen Sie attraktive Regionen über Asien hinaus? Welche Märkte, die oftmals unterrepräsentiert sind, bieten die besten Bottom-up-Möglichkeiten?

Daniel J. Graña: Wir teilen die Ansicht, dass Nord- und Ostasien wesentlich zur Attraktivität dieser Anlageklasse beitragen, vor allem, wenn es um Haushaltsdisziplin und eine innovative Wirtschaft geht. Aber auch andere Regionen bieten ähnliche Eigenschaften. Saudi-Arabien und andere Golfstaaten weisen eine günstige demografische Entwicklung auf. Der durch die saudi-arabische Initiative Vision 2030 ausgelöste Impuls fördert innovative Geschäftsmodelle und erschließt neue Wirtschaftsbereiche. Auf dem amerikanischen Kontinent ist Mexiko gut positioniert, um von der Verlagerung von Produktionskapazitäten aus China zu profitieren und dank der Entwicklung in den USA hin zum Nearshoring der Lieferketten zu wachsen.

finanzwelt: Wie schätzen Sie die gegenwärtige Lage in China ein?

Daniel J. Graña: China trägt einen großen Teil zur EM-Benchmark, zum investierbaren Universum und zur Wirtschaftskraft bei, weshalb wir es nicht ignorieren sollten. In der Tat verlangsamt sich die chinesische Wirtschaft, es gibt hohe Schulden bei der Immobilienentwicklung, eindeutige Handelsprobleme in bestimmten Sektoren und Grundsatzfragen bezüglich politischer Einmischung. Doch um die Lücke im mittleren Einkommensbereich zu schließen, unterstützt die Regierung das Wachstum innovativer Unternehmen massiv. Und dafür gibt es in verschiedenen Sektoren deutliche Anzeichen.

Aufgrund dieser Herausforderungen verändern sich die Wachstumstreiber in China, von Investitionen in Sachanlagen bis hin zu Innovation und Konsum, und auch die Rolle der Regierung im Privatsektor ändert sich. Unternehmen, die von diesen Faktoren profitieren, wachsen jedoch deutlich schneller als die chinesische Wirtschaft insgesamt. Und es sind diese Unternehmen – die auch auf der richtigen Seite der Politik stehen –, die unser China-Exposure dominieren.

finanzwelt: Inwiefern sorgt auch die Demografie sorgt für Veränderungen?

Daniel J. Graña: Es heißt: Demografie ist Schicksal. Indien hat China gerade als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst, und andere wichtige Schwellenländer wie Saudi-Arabien, Mexiko und Vietnam profitieren von einem deutlichen demografischen Rückenwind. Während das Bevölkerungswachstum ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftswachstums ist, kann es auch zur Gefahr werden, wenn Regierungen der jungen und potenziell unruhigen Bevölkerung nicht genügend Möglichkeiten bieten. Das Tempo des demografischen Wachstums, aber auch dessen Art, die Bildungsstandards, die Erwerbsbeteiligung und die Altersstrukturen, die die Zukunft prägen werden, sind für uns wichtige Bestandteile unserer langfristigen Länderallokationen. (ah)