Wie viel Power hat Europa?
21.07.2025

Christian Krahe (li.) und Alexander Lippert (re.)
Wieviel Kraft hat der alte Kontinent? Schafft es Europa, den USA sozusagen den Rang abzulaufen? Fakt ist, unser Kontinent und europäische Unternehmen stehen wieder verstärkt im Fokus. Darüber haben wir mit Christian Krahe und Alexander Lippert, den Portfoliomanagern des UmweltBank Fonds – Sustainable Europe, gesprochen.
finanzwelt: Der DAX und andere europäische Indizes führen 2025 die weltweiten Börsentabellen an. Europa ist – anders als in den vergangenen Jahren – wieder en vogue. Wie erklären Sie sich diesen Stimmungsumschwung?
Christian Krahe: Ein wesentlicher Faktor ist natürlich die Wiederwahl von Donald Trump. Mit ihr einher geht eine neue Welle politischer Unsicherheit – und wie wir alle wissen mögen das die Börsen bekanntlich nicht. Nach Jahren massiver Kursgewinne bei US-Aktien war das für viele Anleger Anlass, die hohe Gewichtung im Portfolio zu überdenken. Europäische Märkte, die lange unterbewertet waren und unseres Erachtens immer noch sind, boten hier eine attraktive Alternative. Gleichzeitig sehen wir von Deutschland ausgehend wiederaufkommende Dynamik: Die neue Bundesregierung nutzt ihren fiskalischen Spielraum aktiv und setzt damit klare Impulse, was für neues Vertrauen in Europas Wirtschaftskraft sorgt.
finanzwelt: Ist der jetzige Trendwechsel nachhaltig?
Alexander Lippert: Die aktuelle Outperformance Europas ist kein Zufall. Nicht zuletzt unter dem Druck durch Donald Trump hat Europa hat nun wichtige wirtschaftspolitische Weichen gestellt. Mit dem neuen Zusammenhalt gewinnt die Region an Strahlkraft – auch international. Solange die Unsicherheit in den USA durch Präsident Trump weiter geschürt wird, bleibt Europa für viele Anleger nicht nur besagte Alternative, sondern zunehmend die bevorzugte Option.
finanzwelt: Die US-Regierung droht insbesondere der EU regelmäßig mit neuen absurden Zöllen und wirtschaftlichen Sanktionen, dennoch steigen die europäischen Börsen weiter. Ist Europa inzwischen wirtschaftlich unabhängiger von den USA – oder könnte sich das noch negativ auf die Kapitalmärkte auswirken?
Krahe: Natürlich ist die Abhängigkeit unseres Kontinents von den USA nicht von der Hand zu weisen. Jahrzehnte enger Zusammenarbeit lassen sich nicht mit einem Federstrich des US-Präsidenten revidieren. Die USA schneidet sich damit jedoch auch ins eigene Fleisch, die EU kann ihre Wirtschaftskraft da schon selbstbewusst in die Waagschale werfen. Was die Aktien betrifft, so muss man feststellen, dass die hiesigen Großunternehmen eigentlich globale Konzerne mit einem breiten Produktionsnetzwerk sind. Im von uns verantworteten Fonds investieren wir zudem viel in Nebenwerten, die weniger stark von den Zollkonflikten betroffen sind und für die eher das lokale Wirtschaftsgeschehen relevant ist. In Anbetracht der europäischen Initiativen sehen wir uns da gut gewappnet und identifizieren viele Profiteure höherer Fiskalausgaben.
finanzwelt: Eine der ersten Amtshandlungen von Donald Trump als US-Präsident war der Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Welche Konsequenzen hat das für den europäischen Markt?
Lippert: Der US-Ausstieg aus dem Pariser Abkommen – begleitet von drastischen Kürzungen bei Erneuerbaren und einer Rückkehr zu fossilen Energien – ist ein Rückschlag für die globale Dekarbonisierung. Für Europa ist er ein Weckruf. Wir müssen und werden mehr Verantwortung übernehmen – ökologisch, ökonomisch und sicherheitspolitisch. Der Ausbau der Erneuerbaren ist kein Luxusprojekt, sondern der Schlüssel zu einer energiepolitischen Unabhängigkeit, die gerade jetzt wichtiger ist denn je. Diese Quellen sind frei verfügbar, dort wo wir sie brauchen – grenzenlos, zollfrei und krisensicher.
finanzwelt: Die deutsche Regierung hat ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte – darunter 100 Milliarden für Klimaschutz beschlossen. Wird dies der europäischen Wirtschaft, insbesondere den erneuerbaren Energien Unternehmen, einen nachhaltigen Schub geben?
Krahe: Ja, die geplanten Infrastrukturinvestitionen setzen ein klares wirtschafts- und klimapolitisches Signal. Das Sondervermögen bringt nicht nur fiskalischen Rückenwind, sondern steht für ein aktives Bekenntnis zur Transformation. Besonders Unternehmen in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltiges Bauen und Verkehr profitieren von konkreten Wachstumsimpulsen. Denn Umwelt und Klima brauchen und erhalten weiter viel Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung.
finanzwelt: Experten sehen besonders bei kleinen und mittelgroßen europäischen Aktien einen substantiellen Nachholbedarf bei der Performance – Teilen Sie diese Einschätzung? Und worauf legen Sie bei der Titelauswahl in Zukunft besonderen Wert bzw. gibt es bestimmte Branchen, bei denen Sie Potenzial seht?
Lippert: Durchaus! Nach einer längeren Durststrecke sehen auch wir erhebliches Nachholpotenzial bei europäischen Small und Mid Caps. Gerade in der zweiten Reihe finden wir innovative, margenstarke Unternehmen, die bislang oft unter dem Radar vieler Investoren fliegen. Bei der Titelauswahl legen wir besonderen Wert auf nachhaltige Wertschöpfung, Marktanteilsgewinn, Preissetzungsmacht und strukturelle Wachstumstrends – etwa in den Bereichen Energieeffizienz, Gesundheitstechnologie und digitale Infrastruktur.
finanzwelt: Die UmweltBank gibt für Ihren Fonds den Nachhaltigkeitsansatz vor – investiert wird nur in besonders nachhaltige Unternehmen. Was hebt die Fonds aus Ihrer Sicht besonders hervor?
Krahe: Der UmweltBank Fonds – Sustainable Europe war das erste Fondsprodukt der UmweltBank und setzt mit klaren und sehr strengen Ausschlusskriterien Maßstäbe im Bereich nachhaltiger Geldanlage – Nachhaltigkeit ohne Kompromisse. Er verfolgt eine aktive, flexible und bewusst benchmarkunabhängige Anlagestrategie mit klarem Fokus auf sorgfältiges Stockpicking nach fundamentalen Kriterien. Die Aktienquote wird je nach Marktlage dynamisch gesteuert. Im Zentrum stehen kleine und mittelgroße Unternehmen mit überzeugendem Nachhaltigkeitsprofil – investiert wird, wie der Name bereits andeutet, ausschließlich in europäische Titel.
finanzwelt: Abschließend: Welche Empfehlung würden Sie Anleger:innen angesichts der aktuellen Marktlage in Europa geben?
Lippert: Wir müssen uns auf anhaltende Volatilität einstellen. Die Unsicherheitsfaktoren werden so schnell nicht verschwinden. Gerade in so einem Umfeld sind eine fundierte Analyse, die richtige Selektion und aktives Portfoliomanagement entscheidend. Wer sich intensiv mit den Märkten beschäftigt, findet in Europa viele attraktive, oft unterschätzte Chancen. Wir sind überzeugt: Für langfristig orientierte Anleger ist Europa ein Kontinent mit Zukunft. (ah)

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