Finanzielle Bildung befähigt, Herr seiner selbst zu sein

02.03.2022

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Es ist eine Binse. Geld regiert die Welt und ermöglicht viel Gutes, kann aber auch Schlechtes bewirken. Seit Jahren wird gebetsmühlenartig gepredigt, dass sich die Bürger mit dem Geld auskennen sollten. Nur dann sind sie in der Lage, bei diesem wichtigen Thema mitzureden, mitzuentscheiden und das auch zu ihrem eigenen Vorteil. Insofern ist finanzielle Bildung, die an ein universelles Verständnis des Begriffs Bildung ansetzt, nötig.

Die Bildung geht vor die Hunde – ein Ausspruch, den man öfters hört und der im Kontext der finanziellen Bildung einer Einordnung bedarf. Denn was ist überhaupt „Bildung“? Gibt es so etwas wie eine allgemeingültige, ewig währende Bildungsdefinition, die die Basis rationalen Entscheidens bildet?

Aufgeklärte Bürger – humanistischer Bildungsbegriff

Zur Einordnung ist es zunächst einmal wichtig, eine formale Unterscheidung zwischen  Bildung auf der einen und Erziehung auf der anderen Seite zu treffen. Dabei bezeichnet „Erziehung“ die Vermittlung von Wertmaßstäben und Verhaltensnormen, die in der Gesellschaft als wünschenswert und sozusagen universell anwendbar gelten. Insofern haben Eltern die Aufgabe, ihre Kinder zu erziehen. Sie müssen sie fit für das Leben mit anderen Menschen machen. Doch bedeutet diese Grundlage auch, dass derjenige/diejenige gebildet ist?

Nein, in meinem Verständnis hat Bildung zuvorderst einen individuellen Charakter und basiert auf einer frei ausgeübten, aktiven Tätigkeit. Das schließt auch die eigene Selbstverantwortung mit ein, die letztlich nicht auf den Staat abgewälzt werden kann.

Voraussetzung für Bildung ist eine freiheitliche und auf Selbstbestimmung aufgebaute Gesellschaft. Nur in ihr kann ein selbständig denkender und selbst lernender Mensch gedeihen. Ist dieses Verständnis von „Bildung“ neu? Nein, es reicht in der Geschichte weit zurück und schließt vielmehr an das „Bildungsideal“ an; Humboldts Verständnis von Bildung ist stark von den Ideen der Aufklärung und des Humanismus geprägt: „Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässliche Bedingung“, schrieb er bereits 1792 in seiner Abhandlung „Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staates um das Wohl seiner Bürger erstrecken?“. Nach seiner Idealvorstellung ist eine Form von Wissenschaft anzustreben, bei der die Bildung und die Freiheit des Individuums im Vordergrund stehen. Das Individuum bedient sich seiner Vernunft, um mündig zu sein und Entscheidungen zu treffen. Die Philosophie stellt dabei eine Art Grundwissenschaft dar, die die einzelnen Wissenschaften miteinander verknüpft. Große intellektuelle Leistungen der deutschen Wissenschaft sind damit verbunden. Viele Gelehrte beriefen sich auf dieses „Bildungsverständnis“. Und heute? Wo stehen wir im 21. Jahrhundert in der Bildungsdiskussion? Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir, bemängelte schon der römische Philosoph Seneca. Vor wenigen Jahren, 2015, brachte eine Schülerin aus Köln ihre Lage auf den Punkt. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‚ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“, twitterte die Jugendliche und bekam damit viel Zustimmung. Das führt uns wiederum zur Frage der „finanziellen Bildung“. Was ist darunter zu verstehen und wie wichtig ist es, finanzwissenschaftliche Zusammenhänge im Kontext der eigenen Geldanlage zu verstehen?

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