„Trotz konjunktureller Unsicherheiten bleiben wir für US-High-Yield optimistisch“

12.08.2025

Jack Stephenson. Foto: © AXA IM

Hochzinsanleihen haben einen gewissen Kick. Sie warten mit einem Mehr an Rendite auf, könnten aber wegen der niedrigeren Bonität mit einem höheren Risiko versehen sein. Wie stellt sich der US-amerikanische Markt für High Yields dar? Spannend auch vor dem Hintergrund des aktuellen geldpolitischen Kurses in Übersee. Für ein Interview stand Jack Stephenson, US Fixed Income Specialist bei AXA IM, zur Verfügung.

finanzwelt: Herr Stephenson, welche strukturellen Veränderungen hat der US-High-Yield-Markt seit der Finanzkrise 2008 durchlaufen?

Jack Stephenson: Fallende Finanzierungskosten haben das Emissionsvolumen seit 2008 enorm ansteigen lassen. Auch die Kreditqualität sowie die Ratings am US-High-Yield-Markt sind heute besser als damals. Der Anteil an Anleihen mit einem BB-Rating stieg von rund 40 auf über 50 %, wohingegen das Volumen bei Titeln mit einem CCC-Rating zurückging. Zuletzt ist auch der Anteil an besicherten Anleihen gewachsen – ein Plus an Anlegerschutz. Auch das Vertrauen in das Segment seitens der Investoren ist seit 2008 kontinuierlich gestiegen. Galten High-Yield-Anleihen oft als spekulative „Junk Bonds“, haben sie sich zuletzt von einer reinen Beimischung zu einem festen Bestandteil der AssetAllokation entwickelt.

finanzwelt: Inwieweit wirken sich aktuelle geldpolitische Risiken auf den US-High-Yield-Markt aus?

Stephenson: Die Unsicherheit bezüglich des geldpolitischen Kurses wirkt sich angesichts der erhöhten Zinssatzvolatilität erheblich auf den gesamten Anleihemarkt aus. High-Yields waren bis hierhin aufgrund ihres naturgemäß kürzeren Durationsprofils besser geschützt als Anlageklassen mit längerer Duration, aber nicht immun. Die wichtigste direkte Folge zeigt sich in einer stärkeren Streuung der Wertentwicklung innerhalb des High-Yield-Markts – insbesondere im Segment mit den niedrigsten Bonitätsbewertungen –, die sich in Phasen erhöhter Zinserwartungen noch verstärkt. Auf der anderen Seite steht die Fed vor der Herausforderung, angesichts der Zollunsicherheiten und der schwächeren Konjunkturdaten einen Balanceakt zu meistern. Sie muss darauf achten, die Zinsen weder zu schnell noch zu früh zu senken, um eine weitere Anhebung der Inflation zu vermeiden.

finanzwelt: Wie sind die weiteren Aussichten für das Segment?

Stephenson: Trotz konjunktureller Unsicherheiten bleiben wir für US-High-Yield optimistisch. Die Ausfallquoten sind historisch niedrig und dank des breiteren Zugangs zu Kapital im Bereich Leveraged Finance haben Emittenten heute mehrere Möglichkeiten, ihren Finanzierungsbedarf zu decken. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage ist weitere Spreadvolatilität in den kommenden zwölf Monaten nicht auszuschließen. Die Märkte gelten jedoch als stabilisiert und High Yield hat sich erholt. Ein Anstieg der aktuell sehr niedrigen Ausfallquoten scheint möglich, dürfte aber dank solider Fundamentaldaten und eines starken technischen Umfelds unter oder im Bereich des langfristigen Durchschnitts bleiben. Spreadausweitungen werden voraussichtlich rasch als Kaufgelegenheiten genutzt.

finanzwelt: Welche Strategien im US-High-Yield-Segment erscheinen derzeit besonders attraktiv?

Stephenson: US-High-Yields mit niedrigerem Rating entwickelten sich in den letzten zwei Jahren besser als höher bewertete. Seit Jahresanfang ist das umgekehrt – wobei aktuell BB-Anleihen eine sehr starke Performance aufweisen. Der B/BB-Index liegt seit Jahresbeginn vor dem Gesamtmarkt und bietet Investoren bessere Kreditqualität bei attraktiver Rendite. Zwar bleiben die Renditen auch weiterhin hoch, doch in der aktuellen Marktlage suchen viele Investoren zusätzlich Schutz vor möglichen Verlusten. Kurzläufer könnten hier eine passende Lösung bieten – sie verbinden vergleichsweise hohe Erträge mit einem verstärkten Maß an Sicherheit. Trotz der aktuellen Herausforderungen sehen wir in den laufenden Erträgen von High-Yield-Anleihen weiterhin einen fairen Ausgleich für die Marktunsicherheit.

finanzwelt: Wie ist das technische Marktumfeld einzuschätzen?

Stephenson: In den letzten Jahren war das technische Umfeld außergewöhnlich stark. Hier lohnt sich ein Blick den Zeitraum 2022 bis 2024, in dem der Nachfrageüberhang am High-Yield-Markt mehr als 460 Mrd. USD betrug – ein enormer Wert angesichts eines anfänglichen Marktvolumens von etwa 1,9 Bio. USD. Ein Faktor dafür war das Verhältnis zwischen Rising Stars und Fallen Angels. Es wurden erheblich mehr Anleihen auf Investmentgrade herauf- als auf High Yield herabgestuft. In diesem Jahr dürfte sich das Verhältnis ausgleichen – abhängig von wenigen Emittenten mit großen Volumina, die sich entweder schon in Gesprächen mit Gläubigern zur Handhabung von Verbindlichkeiten befinden oder bei denen ein solches Ereignis absehbar ist. Die Nachfrage wird auch durch die regelmäßige Reinvestition von Kupons und den Abbau von Liquiditätsreserven der Anleger gestützt.

finanzwelt: Welche Auswirkungen haben die jüngsten Marktentwicklungen auf die erwarteten Ausfallquoten?

Stephenson: Wir rechnen weiterhin mit einer niedrigen Ausfallquote zwischen 1 und 3 %, wobei die Ausfälle unternehmensspezifische Gründe haben. Schon früher entfielen die meisten Ausfälle auf Anleihen, die schon bei der Emission oder spätestens zwölf Monate vor dem Ausfall ein CCC-Rating hatten. Die heute im Schnitt bessere Kreditqualität könnte für anhaltend niedrigere Ausfallquoten sprechen. Schwerer vorherzusagen ist, wie sich die Marktstimmung entwickelt. Mit zunehmender Zahl an Stimmen, die einen Abschwung oder eine mögliche Rezession erwarten, dürften auch die gesamtwirtschaftlich motivierten Forderungen nach höheren Risikoprämien für High-Yield-Anleihen lauter werden. Einige Sell-Side-Banken haben ihre Ausfallprognosen für dieses und kommendes Jahr bereits nach oben angepasst. Wir gehen jedoch weiterhin davon aus, dass die Ausfallquoten im Rahmen des langfristigen Durchschnitts bleiben. Unsere Einschätzungen stützen sich nach wie vor primär auf fundierte Einzelwertanalysen und weniger auf makroökonomische Szenarien.

finanzwelt: Welche Funktion kann US-High-Yield innerhalb einer Portfolioallokation übernehmen?

Stephenson: Angesichts der anhaltend hohen Nachfrage nach höher verzinslichen Titeln erwarten wir, dass US-High-Yield-Anleihen zunehmend zu einem festen Bestandteil strategischer AssetAllokationen werden, nicht zuletzt aufgrund der verbesserten Qualität und Reife des Marktes. Wie die letzten Monate gezeigt haben, kann sich dieses Segment schnell von Verlusten wie denen im April erholen. Bei einer Anlageklasse, deren langfristige Wertentwicklung maßgeblich durch laufende Erträge bestimmt wird, ist Market Timing bei mittel- bis langfristigem Anlagehorizont häufig wenig zielführend. Zudem können High-Yield-Anleihen einen wertvollen Beitrag zur Portfoliodiversifikation leisten: Sie bieten laufende Erträge auf einem Niveau vergleichbar mit Aktien – bei geringerer Volatilität. Ebenfalls ergänzen sie länger laufende Anleihen gut, da ihr kürzeres Durationsprofil das Zinsrisiko reduzieren kann. Vielleicht gelingt es High Yield in den kommenden zehn Jahren sogar, sich nachhaltig vom Image der „Junk Bonds“ zu lösen. (ah)