Bär ohne Blase!
07.02.2013
**
Berliner Wohnimmobilien sind bei Investoren so beliebt wie nie. Jetzt warnen Experten vor einer Überhitzung des Marktes. Zu Recht?
**
„Ein wichtiger Baustein in einer veränderten Wohnungssituation in Berlin!“ So bezeichnete der Berliner Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) im September vergangenen Jahres das gerade verabschiedete „Bündnis für bezahlbare Mieten“. Darin haben sich die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet, Wohnungen zu modernisieren und den Bestand von derzeit 277.000Wohnungen auf 300.000 zu erhöhen – durch Neubau und Zukauf. Die Maßnahme wurde nötig, weil immer mehr Menschen in der Hauptstadt leben. Vor zwei Jahren wurde die Marke von 3,5 Millionen Einwohnern geknackt. Innerhalb des Jahres 2011 wuchs die Bevölkerung um 1,2 %, die mit Abstand höchste Zunahme seit 1990. Die Stadt rechnet mit einer weiteren Erhöhung um rund 7 % in den nächsten 18 Jahren. In Zahlen wird ein Zuwachs um 254.000 Menschen erwartet, was einer kleineren Großstadt wie Mönchengladbach entspricht. „Berlin hat in den vergangenen 25 Jahren eine außergewöhnliche Entwicklung aufgezeigt. Die einst geteilte Stadt wurde wiedervereinigt, der Regierungssitz ist zurückgekehrt. Der vor einigen Jahren gestartete Aufschwung ist bis heute spürbar“, erklärt Marcus Kraft, Vorstand ZBI AG, den Bevölkerungszuwachs. Das Emissionshaus verfügt über mehrere Fondsobjekte in der Hauptstadt. „Aufgrund des gestiegenen Bedarfs an Wohnraum und der anhaltenden Nachfrage durch die zunehmende Anziehungskraft der Hauptstadt sehen wir in Berlin weiterhin sehr großes Potenzial“, sagt Kraft. Der Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL) rechnet mit einem jährlichen Bedarf von 10.000 bis 15.000 neuen Wohneinheiten bis 2025. Tatsächlich werden derzeit aber weniger als 2.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt.
Bei den Eigentumswohnungen verzeichnete Berlin in den vergangenen drei Jahren einen Preisanstieg um 37,5 %.Die Angebotsmieten kletterten innerhalb der letzten zwei Jahre um 20,3 %. „Bedingt durch die Zuzüge neuer Haushalte sowie das geringe Neubauvolumen wird sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter auf einem angespannten Niveau befinden“, erwartet JLL-Analyst Roman Heidrich. Das Mietenbündnis des Berliner Senats hält er für einen „Tropfen auf den heißen Stein“, der die Mietentwicklung nur geringfügig dämpfen wird. „Hier kann nur Neubau im bezahlbaren Bereich für eine Entspannung sorgen“, so Heidrich. Das Problem: Es gibt kaum nennenswerte Neubauaktivitäten. „Mit Ausnahme einiger prominenter Neubauprojekte liegt die Projektentwicklung für Wohnimmobilien in Berlin weiterhin quasi brach. Besonders im Westen der Stadt wird so gut wie nicht neugebaut“, erklärt Einar Skjerven, Geschäftsführer Skjerven Group GmbH. Das Unternehmen ist auf Investitionen in Berliner Wohnimmobilien spezialisiert. Hauptgrund für die geringen Neubauaktivitäten ist laut Skjerven vor allem Platzmangel, daneben spielen aber auch die hohen Neubaukosten eine Rolle. „Solange billiger gekauft als gebaut werden kann, wird sich dies nicht ändern“, so Skjerven.
Es verwundert also nicht, dass Wohnimmobilien in der Hauptstadt für Investoren derzeit besonders attraktiv sind – dies gilt vor allem für ausländische Investoren. „Für diese sind die Preise deutscher Metropolen wie Berlin im internationalen Vergleich geradezu unterbewertet“, sagt Jörg Walter, Geschäftsführer IVM GmbH. IVM ist als Gesamtvertriebsleitung der Berliner Grundbesitzgesellschaft Thamm und Partner tätig. Berlin ist derzeit so beliebt bei Anlegern, dass das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bereits vor einer Spekulationsblase warnt. Eine Studie des IW ergab, dass in Berlin „die Erwartungen zu hoch sind“ und insbesondere „der Berliner Markt für Eigentumswohnungen etwas überhitzt ist“. Heidrich bestätigt zwar, dass in vereinzelten Fällen Preise bezahlt wurden, die keine Wertsteigerung mehr zulassen. „Dies waren aber in der Regel Privatinvestoren, die nicht zwingend unter Renditegesichtspunkten investieren. Inflationsschutz und die Anlage in vermeintlich sicheres ‚Betongold‘ spielen hier eine große Rolle. Zudem traf dies nur einige wenige Objekte in sehr guten Lagen“, sagt er. Von einer grundsätzlichen Spekulationsblase könne keine Rede sein. „Berlin ist aus immobilienwirtschaftlicher Sicht erst rund 20 Jahre alt“, ergänzt Skjerven. Dass die Preise in letzter Zeit stark gestiegen sind, sei eine natürliche Entwicklung zu einem Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage, keine spekulative Entwicklung oder Blase. Dafür sieht er in den nächsten acht bis zehn Jahren auch kein Potenzial. „Städte wie München oder Hamburg sind gefährdeter, da sie ein ohnehin schon sehr hohes Preisniveau aufweisen“, so Skjerven. Auch laut Walter kann von einer Überhitzung keine Rede sein. „Wir stellen zurzeit fest, dass der eingesetzte Eigenkapitalanteil steigt. Anleger schichten aus bestehenden Anlagen, wie z.B. Wertpapieren, in Immobilien um. Für Gläubiger reduziert sich das Risiko erheblich und folglich auch die Gefahr eines Zusammenbruchs der Immobilienmärkte“, so Walter.
Der IW-Studie zufolge sind die sogenannten „fundamentalen Werte“ in Berlin allerdings am schlechtesten. So sei die Bevölkerung in der Hauptstadt älter als in anderen deutschen Metropolen. Darüber hinaus gebe es einen hohen Anteil von Grundsicherungs- und Wohngeldempfängern. Nach Ansicht der IW-Forscher ist es deshalb wahrscheinlich, dass die Immobilienkäufer zu hohe Erwartungen an die Renditen haben. „Bei den fundamentalen Daten darf nicht vergessen werden, dass die Bevölkerung sowie die Anzahl der Haushalte in den nächsten 20 Jahren weiter zunehmen und damit für eine steigende Nachfrage nach Wohnungen sorgen werden“, entgegnet Heidrich. Zudem sei zu beobachten, dass in den letzten anderthalb Jahren verstärkt Pensionskassen und Versicherungen in Berliner Wohnimmobilien investieren. Aufgrund des Sicherheitsdenkens dieser Investoren könne man davon ausgehen, dass sie eine positive Marktentwicklung erwarten. Auch Skjerven widerspricht der Einschätzung des IW: „Immer mehr kreative Firmengründer und IT-Unternehmen zieht es an die Spree. Neben lokalen Start-ups lassen sich insbesondere große internationale Technologieunternehmen wie Twitter in der Hauptstadt nieder. Dadurch ziehen vor allem einkommensstarke Personen in die Stadt, die die nötigen finanziellen Mittel haben, um sich auch vergleichsweise teuren Wohnraum zu leisten“.
Optimistisch gibt sich deshalb auch Kraft. Er geht angesichts der wachsenden Beliebtheit bei Besuchern und Investoren sowie dem Nachfrageüberhang im Wohnungssektor von einem „gesunden Aufwärtstrend“ in den nächsten Jahren aus. Und selbst das IW hält Berlin trotz aller Bedenken grundsätzlich für eine „attraktive Stadt mit insgesamt guten Perspektiven“. Die Forscher des Instituts erwarten, dass die Preise auch bei einer Korrektur des Marktes nur geringfügig fallen werden.
(Kim Brodtmann)
Berlin

Stabil in schwierigem Umfeld
