Gegenwind, Flaute oder Rückenwind?

28.11.2023

Gerald Klinck ist neuer CEO der Peach Property Group - Foto: © Cureus GmbH

Pflegeimmobilien bieten Anlegern wie kaum ein anderes Segment die Möglichkeit, von dem unumkehrbaren Megatrend des demografischen Wandels zu profitieren. Zugleich aber machten zuletzt Nachrichten zu Insolvenzen einiger Betreiber von Pflegeimmobilien die Runde. Wie passt das zusammen? Worauf müssen Investoren bei Pflegeimmobilieninvestments achten?

Gegenwind, Flaute oder Rückenwind? Das fragen sich viele Akteure momentan mit Blick auf den Markt für Pflegeimmobilien. Und: Lohnen sich angesichts zahlreicher Krisenzeichen die Investitionen noch wie in den vergangenen Jahren?

Zunächst einmal: Der Gegenwind hat in der Tat kräftig zugenommen. Insolvenzen drücken dem Markt insgesamt ihren Stempel auf, denn immer mehr Betreiber melden wirtschaftliche Verwerfungen an. Zuletzt meldete das Portal pflegemarkt.com, dass von Januar bis einschließlich September des laufenden Jahres 112 Unternehmen unterschiedlicher Trägerschaften Insolvenz anmelden mussten. Auffällig: Es betraf keineswegs nur die privaten und keineswegs nur kleine Betreiber, sondern gleichsam sind auch freigemeinnützige und kirchliche Träger betroffen. Die Gründe sind oftmals die gleichen: Die meisten Betreiber haben die Folgen der gestiegenen Energiekosten und der Inflation nicht verkraften können. Hinzu kommen weitere strukturelle Probleme, die vor allem die Verfügbarkeit von Fachkräften betreffen. Das seit 2022 geltende Tariftreuegesetz hat bei vielen Betreibern zusätzlich zu Liquiditätsengpässen geführt. Die Refinanzierung im Rahmen der Investitionskosten-Sätze (IK-Sätze) und der Pflegesätze war bisher nicht angemessen und muss künftig dringend den Marktbedingungen entsprechend erhöht werden.

Der lange Schatten der Insolvenzen

Der lange Schatten der Insolvenzen auf Betreiberseite hat sich in diesem Jahr auch auf den Transaktionsmarkt übertragen. Nach Angaben des Branchendienstes Savills wurden in den ersten drei Quartalen Gesundheitsimmobilien im Wert von 1 Mrd. Euro gehandelt. Damit lag das Volumen um 51 % niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Transaktionen ging um 43 % zurück – die Wahl des Begriffs Flaute mit Blick auf diesen Markt wäre wohl nicht fehl am Platz.

Warum kann man trotzdem optimistisch sein? Die Antwort: Es sind vor allem die Fundamentaldaten, besonders die demografischen Daten, die keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass Investitionen in den Markt für Pflegeimmobilien sowohl für private als auch für institutionelle Investoren nach wie vor zukunftsweisend sind.
Fakt ist: Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird gesichert in den kommenden Jahren immer weiter steigen. Das besagt beispielsweise die Pflegevorausberechnung des statistischen Bundesamtes. Demnach werden im Jahr 2055 37 % mehr Menschen als heute pflegebedürftig sein – mit entsprechenden Auswirkungen auf die benötigte Anzahl der Pflegeheimplätze. Bereits für das Jahr 2035 wird ein Zuwachs von 14 % auf etwa 5,6 Mio. Pflegebedürftige erwartet.

Für Optimismus bei Investoren und Analysten sorgt auch, dass die Zeichen der Zeit bei der Politik angekommen sind. Insbesondere der energieeffiziente Neubau von Pflegeheimen, kann durch die positiven Signale aus der Politik am Laufen gehalten werden. Konkret steht Bauträgern von Sozialimmobilien die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) für Nichtwohngebäude über die KfW zur Verfügung – vorausgesetzt, die nach heutigem Stand zugesagten Förderungen werden aufrechterhalten. Neubau lohnt sich auch wieder, da sich die oft zitierte Baukostendynamik zuletzt sehr stark abgeschwächt hat.

Um den Betreibern unter die Arme zu greifen, haben erste Bundesländer auch bei den IK-Sätzen reagiert. Das wird von Entwicklern und Betreibern positiv wahrgenommen. Diese Bundesländer ziehen jetzt verstärkt Projekte an und lösen damit vorausschauend ihre zunehmenden Pflegeversorgungsprobleme.

Die Relevanz der stationären Pflege

In dieser Phase sind neben den Ländern auch die Kommunen gefragt. Hierbei setzt man leider allzu oft nicht mehr auf die klassische stationäre Pflege. Es liegt dabei aber auf der Hand, dass betreutes Wohnen und die damit verbundene ambulante Pflege in den eigenen Wänden ihre Grenzen hat und auch die absolute Zahl der Pflegebedürftigen wachsen wird, die auf stationäre Plätze im Pflegeheim angewiesen sein werden. Mein Petitum: Die Kommunen in Deutschland müssen die Relevanz der stationären Pflege erkennen und Maßnahmen ergreifen, um den Neubau von Pflegeimmobilien voranzutreiben. Dazu können die Entscheidungsträger unter anderem den Bauherren auf dem Pflegeimmobilienmarkt kommunale Grundstücke für den Bau der benötigten Pflegeheime in innerstädtischen Lagen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus können sie diese Entwicklung unterstützen, indem auch sie sich für marktgerechte IK-Sätze einsetzen und dafür, dass der Neubau von Pflegeheimen auf Landesebene gefördert wird.

Selbst wenn es zur Bauplanung von Pflegeheimen kommt, stellt die Regulatorik vor Ort ein bedeutendes Hindernis für Investoren dar. Denn: In jedem Bundesland gibt es unterschiedliche Bauvorschriften für Pflegeheime, da seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 jedes Bundesland eigene Regeln beschließen kann. Ein Silberschweif am Horizont stellt möglicherweise eine Initiative der Länder dar. Mit Blick auf Wohnimmobilien sollen Bauordnungen und Baugenehmigungsprozesse mehr als bisher aufeinander abgestimmt werden, zudem sollen Genehmigungsprozesse örtlicher Bauvorhaben vereinfacht und beschleunigt werden. Auch wenn der Bau von Pflegeimmobilien davon noch nicht explizit profitieren kann, könnte dieser Schritt ein Signal für einen Mentalitätswandel sein, um Verfahren auch in anderen Assetklassen wie Gesundheitsimmobilien zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Der Markt und das Interesse von Investoren an Pflegeheimen sind nach wie vor lebendig und der Bedarf an Sozialimmobilien ist weiterhin groß. Mehr denn je kommt es aber auf einen hohen Spezialisierungsgrad an, um richtige Investitionsentscheidungen zu treffen. Dabei ist klar: Das bestehende und offensichtliche Risiko der Betreiber lässt sich bereits in der Projektentwicklung mitsteuern – beispielsweise mit einem durchdachten Immobilienkonzept, das die Praxisanforderungen einer Pflegeeinrichtung von Anfang an antizipiert. Es gilt also, die Perspektive der Nutzer von Anfang an mitzudenken und an den entsprechenden Stellschrauben zu drehen.

Für Investoren zeigt sich jetzt: Die oben genannten langen Schatten werden zusehends kürzer. Große professionelle Betreiber haben sich entsprechend auf die aktuelle Lage eingerichtet. Neue Projekte mit ihnen sind sicher, zunehmend gut finanziert und auf die Zukunft ausgerichtet. Langfristig ausgerichtete Investoren spüren bereits Rückenwind.

Gastbeitrag von Gerald Klinck, CEO der Cureus GmbH