„Gold ist ein strategischer Ruhepol“
28.05.2025

Finanzexperte Ronny Wagner. Foto: © privat
Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord. Je unsicherer die Zeiten werden, desto mehr Anleger erkennen die Vorzüge des Edelmetalls – der größte liegt in dessen Unabhängigkeit von allen klassischen Marktmechanismen. Finanzcoach und Gold-Experte Ronny Wagner sieht im Edelmetall eine „langfristige Lebensentscheidung“. Zugleich warnt er im Interview davor, beim Goldkauf nicht in typische Fallen zu treten – und Gold vor allem nicht aus Angst, sondern aus dem Motiv der Klarheit heraus zu kaufen.
fw: Viele Anleger kaufen Gold als Absicherung gegen Krisen und Inflation. Worauf sollten sie achten, um in unsicheren Zeiten keine Fehlentscheidungen zu treffen?
Ronny Wagner: Gold ist für mich kein Spekulationsobjekt, sondern die verlässlichste Form von Selbstschutz in einer Welt voller Unsicherheiten. Es ist das einzige Asset, das niemandes Versprechen darstellt – und genau darin liegt seine Stärke. Während Aktien, Anleihen oder auch Immobilien immer vom Funktionieren des Systems abhängen, existiert Gold unabhängig davon. Es braucht keine Gegenpartei, keine Zentralbank, keinen digitalen Zugang. Es ist einfach da – real, greifbar, nicht replizierbar.
Gerade in unsicheren Zeiten ist das von unschätzbarem Wert. Doch wer Gold kauft, sollte verstehen, was er da tut. Es geht nicht darum, kurzfristige Gewinne zu erzielen, sondern langfristig Stabilität aufzubauen. Gold ist kein Spielball der Märkte, sondern ein strategischer Ruhepol – ein Teil eines antifragilen Portfolios. Ich arbeite in meinen Konzepten mit der Barbell-Strategie: Auf der einen Seite sichere, verlässliche Werte wie physisches Gold, Bargeld oder kurzlaufende Fremdwährungsanleihen. Auf der anderen Seite kalkuliertes Risiko – Aktien, Unternehmertum, Innovation. Dazwischen: nichts. Denn das Mittelmaß ist fragil.
Wer Gold kauft, sollte auf physisches Eigentum setzen – außerhalb des Bankensystems, anonym, in möglichst großen Einheiten für die Lagerung, aber ergänzt durch kleine Stückelungen für Flexibilität. Gold-ETFs oder Bankschließfächer mögen bequem erscheinen, bieten aber keine echte Sicherheit, wenn das System selbst ins Wanken gerät.
Ich sehe Gold als langfristige Lebensentscheidung – nicht als taktischen Zug. Es ist eine Versicherung gegen Kontrollverlust, gegen Inflation, gegen politische Willkür. Und es ist ein Symbol: für Unabhängigkeit, für Eigenverantwortung, für Weitblick. Wer das verstanden hat, kauft Gold nicht aus Angst, sondern aus Klarheit.
fw: Einige Investoren setzen auf physisches Gold, um anonym zu bleiben. Wie weit reicht diese Anonymität wirklich – und wo liegen die rechtlichen Grenzen?
Wagner: Die Anonymität beim Kauf von physischem Gold ist ein oft missverstandenes Thema – und wird in der öffentlichen Debatte entweder romantisiert oder verteufelt. Fakt ist: In Deutschland gibt es durchaus die Möglichkeit, Gold anonym zu kaufen – allerdings nur in sehr engen Grenzen. Der sogenannte Tafelgeschäft-Paragraf erlaubt es, Edelmetalle bis zu einem Betrag von 1.999,99 Euro ohne die Angabe persönlicher Daten zu erwerben. Darüber hinaus greift die gesetzliche Pflicht zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz – ähnlich wie bei einer Kontoeröffnung.
Das heißt konkret: Wer regelmäßig oder in größeren Mengen investieren möchte, muss sich mit seinem Ausweis legitimieren. Diese Schwelle wurde 2020 von vormals 10.000 Euro auf unter 2.000 Euro abgesenkt – ein klarer Hinweis auf das zunehmende staatliche Interesse an der Nachvollziehbarkeit von Geldbewegungen. Die Grenze ist nicht kumulativ pro Tag oder Händler, sondern gilt pro Einzelgeschäft – was kreative Umgehungsversuche schnell ins rechtliche Graufeld führen kann. Dazu kommt: Auch wenn der Kauf selbst anonym erfolgt, endet die Anonymität in dem Moment, in dem man das Gold später verkauft, transportiert oder versichert. Wer sein Edelmetall bei einem professionellen Lagerdienstleister deponiert, hinterlässt zwangsläufig Spuren – ebenso wie bei internationalen Reisen oder bei Übergaben im Erbfall. Die absolute Anonymität ist also eine Illusion, wenn man ehrlich hinschaut.
Wichtig ist: Wer mit dem Gedanken spielt, Gold anonym zu kaufen, sollte sich nicht von Mythen leiten lassen, sondern die rechtlichen Rahmenbedingungen genau kennen. Anonymität ist heute nicht mehr grenzenlos möglich – aber klug eingesetzt, bleibt sie ein Baustein für Unabhängigkeit. Nicht zur Steuervermeidung oder Verschleierung, sondern als Ausdruck des Rechts auf Privatsphäre im Umgang mit dem eigenen Vermögen.
fw: Welche typischen Fehler beobachten Sie bei privaten Anlegern beim Kauf von Gold – insbesondere in Bezug auf Lagerung, Händlerwahl oder Preisbewertung?
Wagner: Ein häufiger Fehler vieler Privatanleger ist, dass sie Gold emotional kaufen – nicht strategisch. Sie reagieren auf Schlagzeilen, Angst oder „Tipps vom Stammtisch“, ohne sich mit den fundamentalen Fragen zu beschäftigen: Warum kaufe ich Gold? Wie integriere ich es in mein Gesamtvermögen? Und wie stelle ich sicher, dass ich im Ernstfall auch wirklich Zugriff darauf habe?
Der erste große Fehler liegt oft bei der Lagerung. Viele lassen ihr Gold zu Hause liegen – unversichert, leicht auffindbar, manchmal sogar im Nachttisch. Andere vertrauen blind Bankschließfächern, vergessen dabei aber, dass diese im Krisenfall gesperrt oder staatlich kontrolliert werden können. Noch fataler: Anleger, die glauben, mit einem Gold-ETF physisches Gold zu besitzen. Fakt ist: Sie halten ein Finanzprodukt – kein Edelmetall.
Der zweite Fehler betrifft die Händlerwahl. Viele orientieren sich ausschließlich am Preis und kaufen bei dubiosen Online-Plattformen oder auf Messen, ohne zu prüfen, ob es sich um seriöse Anbieter mit echter Lieferfähigkeit handelt. Gerade in Phasen starker Nachfrage kommt es hier schnell zu Lieferverzögerungen – oder im schlimmsten Fall zu Totalverlusten bei Vorauszahlungen. Wer physisches Gold kaufen will, sollte ausschließlich mit regulierten, erfahrenen Partnern arbeiten, die eine transparente Lager- und Eigentumsstruktur bieten.
Drittens: die Preisbewertung. Viele schauen nur auf den reinen Goldpreis – und übersehen Aufschläge, Stückelungskosten oder Lagergebühren. Ein 1-Gramm-Barren ist im Verhältnis zum Materialwert oft überteuert, weil die Prägekosten enorm ins Gewicht fallen. Wer regelmäßig kleine Stücke kauft, verliert langfristig Rendite – ohne echten Mehrwert. Umgekehrt sind zu große Barren unpraktisch in der Nutzung. Auch hier gilt: Strategie vor Aktionismus.
Zusammengefasst: Gold ist kein Schnäppchenartikel und kein kurzfristiger Trade. Es ist ein Element langfristiger Sicherheit. Wer es ohne Konzept kauft, tappt schnell in dieselben Fallen wie beim Kauf einer Versicherung: teuer, nutzlos, und im Ernstfall wirkungslos. Wer es dagegen bewusst, strategisch und antifragil integriert, schafft sich damit ein Bollwerk gegen viele systemische Risiken.
fw: Der Goldpreis hat seit Jahresbeginn massiv zugelegt. Ist jetzt überhaupt noch ein guter Zeitpunkt zum Einstieg – oder droht ein Rückschlag?
Wagner: Die Frage nach dem „richtigen Zeitpunkt“ ist eine der häufigsten – und zugleich irreführendsten, wenn es um Gold geht. Denn wer Gold ausschließlich wegen des Preises kauft, hat seine eigentliche Funktion nicht verstanden. Gold ist kein Renditeobjekt, sondern eine strategische Absicherung. Es ist die Versicherung gegen politische Fehlentwicklungen, systemische Krisen und das fortschreitende Vertrauen in ungedecktes Papiergeld.
Natürlich ist der Goldpreis seit Jahresbeginn stark gestiegen – getrieben von geopolitischen Spannungen, steigender Staatsverschuldung und der wachsenden Erkenntnis, dass die geldpolitischen „Werkzeuge“ der Zentralbanken zunehmend stumpf geworden sind. Doch genau darin liegt der Punkt: Gold ist kein Momentum-Trade, sondern ein langfristiger Schutz gegen das Unvorhersehbare.
Ein Rücksetzer ist jederzeit möglich – wie bei jedem liquiden Asset. Aber wer deshalb den Einstieg verschiebt, denkt wie ein Spekulant, nicht wie ein Krisenmanager. Gold kauft man nicht, weil es steigt – sondern obwohl es bereits gestiegen ist. Man kauft es nicht, um mehr Geld zu haben, sondern um weniger Sorgen zu haben, wenn Geld seinen Wert verliert.
Entscheidend ist also nicht der Preis – sondern die Rolle, die Gold im Gesamtvermögen spielt. Wer heute noch gar keine Position hat, sollte weniger über den Kurs nachdenken und mehr über seine eigene Verletzlichkeit gegenüber Schocks und Kontrollverlust. In diesem Kontext ist der beste Zeitpunkt immer: bevor es kracht.
Und noch etwas: Wer glaubt, er könne den Tiefpunkt abpassen, verkennt die Natur komplexer Systeme. Versuchen Sie nicht die Zukunft vorherzusagen, sondern bauen Sie sich ein System, dass mit der Zukunft umgehen kann. Genau das leistet Gold.
Wie können Anleger steuerliche Vorteile beim Goldkauf optimal nutzen – und was gilt es dabei unbedingt zu vermeiden?
Wagner: Wer physisches Gold kauft und es mindestens zwölf Monate hält, kann Kursgewinne in Deutschland steuerfrei realisieren – ein seltener Vorteil im aktuellen Steuerrecht. Voraussetzung ist, dass es sich um klassisches Anlagegold handelt, also Barren oder Münzen, die im Privatvermögen gehalten werden. Wer hingegen innerhalb eines Jahres verkauft, muss den Gewinn mit seinem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern.
Ein häufiger Fehler: Anleger verwechseln physisches Gold mit börsengehandelten Produkten. GoldETFs unterliegen der Abgeltungsteuer, während Produkte wie Xetra-Gold nach einem Jahr Haltedauer ebenfalls steuerfrei verkauft werden können – aber nur im Privatvermögen und bei Verkauf, nicht bei physischer Auslieferung.
Entscheidend ist also die richtige Produktwahl, ein klarer Anlagehorizont und die Dokumentation des Kaufdatums. Gold ist kein Spekulationsobjekt, sondern ein langfristiges Schutzinstrument – auch steuerlich.
Ronny Wagner ist Gründer und Geschäftsführer der Noble Metal Factory aus Schwarzheide. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung am Markt weiß der Anlageexperte und Finanzcoach der „Schule des Geldes“, wie wichtig es ist, die private Vorsorge auf eigene Beine zu stellen und in der gesetzlichen Rente allenfalls eine Basisversorgung ohne Garantien zu sehen.

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