Heißes Eisen

11.08.2021

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Aber wie sieht es nach Kenntnis der Pools bei der AO der Versicherer aus? Auch hier äußert sich Pradetto wenig schmeichelhaft: „Da gibt es keine Unterschiede. Eher ist es so, dass die laufenden Vergütungen in der Ausschließlichkeit noch geringer ausfallen.“ Versicherer brauchten hier zwar langfristige Vergütungen, um die Vermittler zu halten, aber auch hier setze man eher auf Vergütungen, die den Vermittler unabhängig von der Bestandspflege binden, beispielsweise auf Bürokostenzuschüsse, damit der Vermittler sich über eine vorgehaltene Infrastruktur an den Versicherer binde oder Bonifikationen, die an ein Bestandswachstum, also Neugeschäft gebunden seien. Im Kern wolle man den Vermittler an sich binden, nicht den Kunden an den Vermittler. Pradetto: „Dafür werden Vermittler hungrig gehalten. Wer hungrig ist, will sofort essen. Er geht dahin, wo er schnelle Erträge generiert, nicht dahin, wo er für Service ‚nur‘ langfristige Loyalität auf seine Person erzeugt. Sprich: Wer hungrig ist, der schreibt.“ Porazik hält sich hingegen bedeckt: „Als Maklerpool ist es uns nicht möglich, eine Aussage über die Bestandspflege der Ausschließlichkeitsorganisationen zu treffen.“ Unabhängigen Maklern, die ursprünglich von einer AO kämen, falle die Kundenansprache und -bindung jedoch leichter, da sie nun auf eine größere Produktvielfalt zugreifen könnten. Es stellt sich aber noch eine grundlegend andere Frage: Gibt es eine Faustregel darüber, welcher Zeitaufwand für den Abschluss eines neuen Vertrages im Bestand verglichen mit der Akquise eines neuen Kunden erforderlich ist? Porazik legt sich fest: „Der Aufwand zur Akquise eines neuen Kunden ist drei- bis viermal größer als der Abschluss eines Vertrags mit einem Bestandskunden.“ Daher unterstütze man die Vertriebspartner nicht nur beim Aufbau eines Bestands, sondern auch bei dessen langfristiger Betreuung. Die persönliche Kunden- Makler-Beziehung sei ein klarer Vorteil gegenüber Online-Portalen, und die wiederkehrenden Bestandspflegeprovisionen gäben dem Vermittler finanzielle Sicherheit. Pradetto sieht deutlich größere Umsatzmöglichkeiten, aber auch noch einen ganz anderen Aspekt: „Das Schreiben eines neuen Vertrages bei einem Bestandskunden ist im Schnitt siebenmal billiger.“ Etwas anderes sei aber wesentlicher. Die durchschnittliche Vertragsdichte je Kunde liege zwischen 1,9 und 2,2 Verträgen, während der Kunde tatsächlich etwa sechs Versicherungsverträge besitze. Pradetto: „Das heißt: Wer sich um den Bestandskunden kümmert, kann die Zahl seiner Verträge und damit auch seiner laufenden Einnahmen verdreifachen. Aber auch das ist natürlich etwas, an dem Versicherer kein Interesse haben.“ Ausschließlichkeitsvermittler sollten ja nicht übernehmen, sondern umdecken. Makler sollten nicht Verträge einsammeln, sondern neue produzieren. Man habe hier also durchaus eine Interessenkollision der Parteien Versicherer versus Vermittler.

Jeder investierte Euro fließt dreifach zurück

Aber lässt sich der durchschnittliche Provisionsverlust für einen Makler ohne ausreichende Bestandspflege in Prozentzahlen beziffern? Laut Pradetto auf jeden Fall: „Wir gehen von einem durchschnittlichen Bestandsprovisionswert von etwa 27 Euro je Vertrag pro Jahr aus. Je 100 Kunden bedeutet das, dass ein Makler 10.800 Euro jährliche Einnahmen mehr generieren kann, wenn er einen Bestandskundenservice aufbaut. Das ist sehr viel Geld.“ Die Sache habe aber einen Haken: Bestandspflegearbeit lasse sich nicht manuell kaufmännisch sinnvoll umsetzen, denn dann stehe dem jeweiligen Einmalaufwand je Kundenvorgang nur eine sehr langfristige Vergütung gegenüber. Wer einen realistischen Stundenlohn ansetze, stelle schnell fest, dass ihn jede Stunde Bestandskundenarbeit ärmer macht. Glücklicherweise lasse sich Bestandskundenservice aber mittlerweile fast vollständig automatisieren. Jeder Euro, der da investiert werde, fließe dreifach zurück. (hdm)