Eines von fünf Kindern ist Opfer von sexuellem Missbrauch

30.07.2015

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Die Ergebnisse einer heute veröffentlichten Optimus Studie zeigen, dass in Südafrika nahezu 20% der Jugendlichen Opfer von sexuellem Missbrauch sind. Der Wert liegt über dem globalen Durchschnitt, ist jedoch nicht schlechter als die Höchstwerte, die Studien zu Australien und anderen afrikanischen Ländern ergaben.¹

(fw) Das Meldeverhalten bezüglich des sexuellen Missbrauchs variiert leicht zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Ethnien. Die Optimus Studie hat ergeben, dass die Opfer häufiger von einem anderen Kind als von einem Erwachsenen missbraucht wurden. Frühere Optimus Studien in der Schweiz und China haben gezeigt, dass der Anteil der Missbrauchsfälle bei 15% beziehungsweise 7% liegt.

Kindsmissbrauch, wo auch immer er vorkommt, hat gravierende Folgen. Die Kosten für das Opfer sind unermesslich und für dessen Gemeinschaft und Land immens. Schätzungen beziffern die Kosten von Kindsmissbrauch für die Weltwirtschaft auf bis zu 7 Billionen US-Dollar², was weit über dem Betrag liegt, der erforderlich wäre, um einen großen Teil des Kindsmissbrauchs in all seinen Formen zu verhindern.

Spitze des Eisbergs: Die Optimus Studie Südafrika und alle übrigen Studien in dieser Reihe belegen, dass Missbrauchsopfer weltweit die Verbrechen nicht immer den Behörden melden.³ Das Problem ist folglich viel grösser als eingestanden wurde oder wird. Zahlreiche Opfer leiden infolge kultureller oder anderer Zwänge im Stillen. Und selbst wenn sie den Missbrauch melden, fehlt es in vielen Ländern an Ressourcen zur korrekten Erfassung der Daten oder Bereitstellung der nötigen Unterstützung.

Den Missbrauchsopfern zu helfen, ist von größter Bedeutung. Aber es ist auch belegt, dass sich Prävention auszahlt. Sie verhindert, dass es überhaupt zu Kindsmissbrauch kommt, und schützt die Opfer vor dessen schrecklichen Folgen.

Verheerende Folgen: Sämtliche Optimus Studien zeigen, dass Missbrauchshandlungen neben kurzfristigen Traumata auch schlimme Langzeitfolgen mit sich bringen. Untersuchungen⁴ haben ferner einen engen Zusammenhang zwischen Missbrauch in der Kindheit und diversen Risikofaktoren für die häufigsten Todesursachen bei Erwachsenen nachgewiesen. Bei Missbrauchsopfern

  • ist das Alkohol-, Drogen-, Depressions- und Selbstmordrisiko um das 4- bis 12-Fache höher;
  • ist das Risiko zu rauchen um das 2- bis 4-Fache höher; ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit promiskuitiven Verhaltens und der Übertragung von Geschlechtskrankheiten; und
  • ist das Risiko von schwerer Fettleibigkeit um das 1,4- bis 1,6-Fache höher.
  • Sie leiden auch häufiger unter Herzkrankheiten, Krebs, chronischen Lungenerkrankungen sowie Leberkrankheiten und haben zudem eine kürzere Lebenserwartung.

Dr. Alexander Butchart, Prevention of Violence Coordinator bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf, Schweiz, betonte die Bedeutung solcher Umfragen. "Wenn Kindern Gewalt angetan wird, wird dies der Polizei, den Mitarbeitern des Gesundheitswesens oder den Kinderschutzbehörden oft nicht gemeldet. Umfragen wie diese sind folglich die einzige Möglichkeit, um Licht ins ‹Was, Wann, Wo und Wer› zu bringen. Die gesammelten Informationen sind zentral für die Entwicklung und Überwachung von Präventionsprogrammen sowie Unterstützungsangeboten für die Opfer."

Alexander Butchart verwies zudem auf den «WHO Global status report on violence prevention 2014», der das Fehlen einer repräsentativen nationalen Umfrage zum Thema Kindsmisshandlung in Südafrika als große Lücke erkannte. Diese wird mit der vorliegenden Umfrage größtenteils geschlossen. "Es liegt nun an der Regierung, den zivilgesellschaftlichen Organisationen und den Forschern zu gewährleisten, dass den Umfrageergebnissen konkrete Präventionsmaßnahmen und Maßnahmen für eine bessere Opferhilfe folgen", ergänzte er.

Phyllis Costanza, CEO UBS Optimus Foundation, sagte: "Kindsmissbrauch in jeder Form ist weder tolerierbar noch unvermeidlich. Er lässt sich durchaus verhindern. Das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Ausmaß dieses Missbrauchs und die Wut darüber nehmen weltweit zu. Untersuchungen wie die Optimus Studie bilden eine solide Grundlage für öffentliche und private Maßnahmen zur Verhinderung von Kindsmissbrauch."

Prävention zahlt sich aus, und es gibt bereits bewährte Strategien, die Regierungen bei der Missbrauchsprävention unterstützen.

  • Förderung von Elternkompetenzen, um häusliche Gewalt zu verringern
  • Kindern die Fähigkeit vermitteln, mit Herausforderungen umzugehen, ohne Gewalt anzuwenden
  • Gesellschaftliche Einstellungen und Normen ändern, die oft dazu führen, dass die Augen vor offensichtlichem Missbrauch verschlossen werden
  • Kinder dazu ermutigen und sie dabei unterstützen, professionelle Hilfe zu suchen und Missbrauchsvorfälle zu melden
  • Gesetze und Maßnahmen umsetzen, die Kinder schützen und eine starke Botschaft an die Gesellschaft aussenden
  • Das Wissen über Kindsmissbrauch – wo, wann, in welcher Form und in welchen Altersstufen er geschieht – erweitern, damit wirksame Interventionsstrategien erarbeitet und implementiert werden können Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der Optimus Studie Optimus Studie Südafrika
  • 19,8% (20,3% männlich, 19,2% weiblich) der Befragten gaben an, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein.
  • Dieser Wert liegt über dem weltweiten Durchschnitt von 12,7%¹. Der Prozentsatz in Südafrika ist indes nahezu identisch mit den höchsten Werten in der globalen Studie: In Australien gaben 21,5% der Mädchen an, Opfer von sexuellen Übergriffen geworden zu sein, und in Afrika 19,3% der Jungen.
  • Kinder neigten eher dazu, sexuellen Missbrauch durch Erwachsene, die sie kennen, zu melden als Übergriffe durch fremde Erwachsene. Kinder wurden zudem häufiger von einem anderen Kind als von einem Erwachsenen missbraucht.
  • Das Meldeverhalten bezüglich sexuellen Missbrauchs variiert leicht unter Jugendlichen unterschiedlicher Ethnien. In individuellen Fragebögen gaben 21,2% der farbigen, 19,7% der schwarzen, 17,5% der weißen und 17% der indischen Jugendlichen an, Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht zu haben.
  • 15% (8% männlich, 22% weiblich) der Befragten gaben an, sexuell missbraucht worden zu sein.
  • Davon fielen 27% der Mädchen und 33% der Jungen mindestens fünf Mal oder mehr sexuellem Missbrauch zum Opfer.
  • Jugendliche sind häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen durch Gleichaltrige als durch Familienmitglieder. Knapp die Hälfte aller Schüler, die einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs mit physischem Kontakt waren, gaben an, dass der / die Täter(in) der/ die aktuelle Freund(in) oder ein(e) Bekannte(r) gewesen sei.
  • Sowohl männliche als auch weibliche Opfer wiesen ein deutlich höheres Risiko auf, andere sexuell zu missbrauchen.
  • 7% (8% männlich, 6,4% weiblich) der Befragten gaben an, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein.
  • Dies steht im Widerspruch zum gängigeren Befund, dass Mädchen öfter Opfer sexueller Gewalt werden als Jungen. Weniger Mädchen als Jungen berichteten von sexuellem Missbrauch. Diese Studie ist indes nicht die einzige, die zum Schluss kommt, dass Jungen mit größerer Wahrscheinlichkeit Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Andere Untersuchungen aus der Vergangenheit haben ähnliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern ergeben (Madu & Peltzer, 2000; Yen et al., 2008; Luo et al., 2008; Choo et al., 2011).
  • Für die Planung von Interventions- und Präventionsprogrammen ist es wichtig, die Ursachen für diese geschlechtsbedingten Unterschiede besser zu verstehen.

Fußnoten

1- Studien aus verschiedensten Ländern zufolge werden weltweit durchschnittlich 12,7% der Kinder sexuell missbraucht. Die Zahl für Südafrika liegt jedoch sehr nahe der Höchstwerte, welche im Rahmen der globalen Untersuchung ermittelt wurden: 21,5% der Mädchen in Australien und 19,3% der Jungen in Afrika. Quelle: Weltgesundheitsorganisation, Preventing child maltreatment: a guide to taking action and generating evidence. 2006, Genf, Schweiz: Weltgesundheitsorganisation und International Society for Prevention of Child Abuse and Neglect

2- The costs and economic impact of violence against children: Child Fund Alliance / ODI: September 2014

3- So zeigen beispielsweise Polizeistatistiken, dass pro Jahr mehr als 60 000 sexuelle Übergriffe angezeigt werden: Im jüngsten Jahresbericht des South African Police Service wurden 62 649 Fälle ausgewiesen. Allerdings wird die Ansicht geäußert, dass lediglich einer von neun sexuellen Übergriffen in Südafrika zur Anzeige gebracht wird.

4- The Adverse Childhood Experience Study: Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta, GA, and Kaiser Permanente in San Diego, CA.