„Kapazitätsengpässe sind keine Einzelfälle“
26.08.2025

Thomas Billerbeck, Präsident des Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM)
Der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM) warnt vor Kapazitätsengpässen in der Gewerbeund Industrieversicherung. Im Interview spricht Thomas Billerbeck, Präsident des BDVM über den Deckungsnotstand in diesem Bereich, die Positionierung und Ziele des BDVM sowie die Forderungen an die neue Bundesregierung in Bezug auf die Reform der betrieblichen Altersvorsorge.
finanzwelt: Herr Billerbeck, was sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie „Deckungsnotstand in der Gewerbe& Industrieversicherung“?
Thomas Billerbeck: Unsere Studie in Zusammenarbeit mit den Versicherungsforen Leipzig zeigt deutlich, dass die Kapazitätsengpässe in der Gewerbe- und Industrieversicherung kein vorübergehendes Phänomen sind und inzwischen auch bei mittelständischen und kleineren Maklern spürbar sind. Besonders betroffen sind zentrale Wirtschaftsbranchen wie die Abfallwirtschaft und das Recycling, aber inzwischen auch Lager-, Lebensmittel- und Immobilienrisiken. Wenn Unternehmen keine ausreichende Absicherung finden, gefährdet das den Wirtschaftsstandort. Wir halten es für einen Widerspruch, dass eine Branche, die sich gerne als ‚grün‘ vermarktet, sich gleichzeitig zurückzieht, wenn es etwa darum geht, Risiken mit Photovoltaikanlagen zu versichern. Was der Energiewende dient, sollte auch versicherbar sein. Kurz: Kapazitätsengpässe sind keine Einzelfälle und auch keine ‚gefühlte‘ Realität, sondern Tatsache!
finanzwelt: Wie ist der BDVM positioniert und was unterscheidet Sie von ähnlichen Verbänden?
Billerbeck: Wir legen einen starken Fokus auf Qualität. Aufgenommen werden bei uns nur Makler, die Berufserfahrung und Referenzen auch von Versicherern vorweisen können und sich zu unserem Code of Conduct bekennen. Voraussetzung laut unserer Satzung ist auch die doppelte Höhe des gesetzlich vorgeschriebenen Umfangs als Versicherungssumme in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Erst nach einem ausführlichen Aufnahmegespräch wird dann entschieden, ob ein Makler wirklich zu uns passt.
finanzwelt: Was sind aktuell die bestimmenden Themen für den Versicherungsvertrieb?
Billerbeck: Auf unserem Symposium am 22. Mai in Berlin haben wir uns dem drängenden Thema Deckungsnotstand in der Industrie- und inzwischen auch in der Gewerbeversicherung gewidmet. Besonders betroffen sind die Abfallwirtschaft & Recycling, Rohstoffe (insbesondere Holz), die Bereiche Lager und Logistik. Natürlich ist auch das Thema Elementarschadendeckung zu nennen. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine Angebotspflicht mit Opting-Out-Modell gibt. Um einen Anreiz zu schaffen, sollte der Staat auch auf die Versicherungssteuer verzichten, um die Deckung erschwinglicher zu machen. Weiter sind die europäischen Entwicklungen natürlich immer von zentraler Bedeutung: die Verhinderung von noch mehr bürokratischen Vorgaben, die Beibehaltung des provisionsbasierten Vertriebs und ein angemessener, wettbewerbsneutraler Fortschritt der Digitalisierung. Und schließlich ist der Fachkräftemangel ein großes Thema. Das betrifft unsere eigene Branche und die Versicherer, wo dies zu Rückständen in der Schadenbearbeitung führt – was wir wiederum unseren Kunden kommunizieren müssen. Und über allem die Frage: Kann uns KI helfen?
finanzwelt: Welche zentralen Ziele haben Sie sich für 2025 gesetzt?
Billerbeck: Für uns ist wichtig, dass unsere Mitglieder ihre strukturrelevante Tätigkeit in einem Versicherungsmarkt mit gesundem Wettbewerb und reguliert – aber nicht überreguliert – weiter ausüben können. Und es gilt, neben den bereits genannten Themen, auch die private, und besonders die betriebliche Altersversorgung zu stärken.
finanzwelt: Was sind Ihre Forderungen an die neue Bundesregierung in Bezug auf die Reform der betrieblichen Altersvorsorge?
Billerbeck: Dazu haben wir ein Positionspapier erarbeitet. Wir halten eine Stärkung des bestehenden Systems für erforderlich. Keinesfalls sollten neue Zusagen oder Durchführungswege für noch mehr Komplexität sorgen. Die etablierte Direktversicherung beispielsweise eignet sich sehr gut dazu, einen Großteil der Arbeitnehmer mit einer zusätzlichen Rentenversicherung zu versorgen. Leider ist der Koalitionsvertrag bei der betrieblichen Altersversorgung sehr allgemein gehalten. Konkret sollte die Altersversorgung auch durch den Wegfall der nachträglichen Verbeitragung mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gestärkt werden. Opting-Out – also das automatische Einschließen der Beschäftigten in die Altersversorgung im Unternehmen mit Widerspruchsmöglichkeit – sollte eingeführt werden. Nicht um die Menschen zum Vertragsschluss zu zwingen, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich mit dem Thema befassen.
finanzwelt: Vor etwa einem Jahr sorgte Ihre Forderung nach einem Provisionsdeckel bei Versicherungsanlageprodukten für Aufsehen. Gibt es hier etwas Neues?
Billerbeck: Unser Ansatz war, nicht die Courtage zu deckeln, sondern anders über die Vertragslaufzeit zu verteilen. Unsere Mitglieder müssen nach Mandatsübernahme während der Vertragslaufzeit heute Verträge über viele Jahre beraten und betreuen, bei denen keine oder nur noch eine minimale Courtage fließt. Nachhaltig ist ein Versicherungsprodukt für die Kunden nur, wenn es bis zum Leistungsfall oder Renteneintritt auch besteht und dafür braucht es eben auch Anpassungen des Versicherungsschutzes an individuelle Lebenssituationen. Und für diese fortlaufende Tätigkeit muss der Makler entsprechend entlohnt werden. Die politische Diskussion ist nicht vorbei, der BDVM hat sich hier kundenorientiert positioniert.
finanzwelt: Wie ist Ihr Ausblick für den weiteren Jahresverlauf?
Billerbeck: Wenn uns die Jahre ab 2020 etwas gelehrt haben, dann, dass wir mit Prognosen vorsichtig sein müssen. Daher wage ich keine Prognose. Aber natürlich haben wir den Wunsch, dass sich die neue Regierung den von uns geschilderten Herausforderungen widmet. Gegenüber unseren Mitgliedern haben wir das Versprechen, dass sie mit uns – egal, was 2025 bringen wird – eine starke Gemeinschaft und einen professionellen Verband an ihrer Seite haben. (mho)

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