Neugeschäft schaffen

11.10.2015

Für Baufi-Spezialisten und Finanzdienstleister gibt es bei aller Regulierung eine gute Nachricht: Eine neue Steuer, deren Einführung Neugeschäft schafft.

Was widersinnig klingt, ist einfach erklärt: Der Finanzdienstleister kann den Immobilienbesitzern unter seinen Kunden helfen, der neuen Steuer zu entgehen, indem er sie über die notwendigen Maßnahmen aufklärt und ihnen hilft, per KfW-Förderung und mittels Baufi-Darlehen für finanzierbare energetische Maßnahmen die notwendigen Fakten zu schaffen.

Die Europäische Gebäuderichtlinie hat das Potenzial, für vorausschauende Finanzdienstleister und insbesondere Baufi-Spezialisten ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen: Die Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie in deutsches Recht wird Experten zufolge zur Einführung einer so genannten CO2-Steuer führen, mit der Besitzer energetisch unterdurchschnittlicher Privatimmobilien belastet werden sollen. Immobilien sind für einen Großteil des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Europäische Gebäuderichtlinie zwingt die nationalen Gesetzgeber dazu, mittelbar eine Verbesserung der energetischen Werte auf breiter Front zu schaffen.

Fördern und Fordern

Der Gesetzgeber wird dabei auf das erprobte „Fördern und Fordern“ setzen, mit dem einerseits Besitzer unterdurchschnittlich energieeffizienter Gebäude mit Steuern belastet werden, um sie zu energetischen Sanierungsmaßnahmen zu zwingen, und andererseits Besitzer energieeffizienter Gebäude steuerlich nicht belastet werden oder sogar zur Erreichung besserer Energieeffizienzwerte subventioniert werden. Die Aufgriffsgrenze für die Besteuerung wird ein vom Gesetzgeber noch zu schaffender Durchschnittswert bilden – kurz gefasst: Immobilien, die in ihrer Energieeffizienz darunter liegen, werden belastet, und Immobilien, die darüber liegen, nicht.

Eine Schlüsselfunktion kommt dabei dem Energieausweis zu.

Der Energieausweis ist das amtliche Maß der Energieeffizienz. Ein Energieausweis, der einem Gebäude hervorragende Energieeffizienz-Werte bescheinigt, kann zukünftig sehr viel Geld sparen und den Wert der Immobilie steigern, doch ist er, wie das folgende Interview mit Energieberater Stefan Preiß zeigt, auch stark von der Einhaltung des optimalen Rechenwegs abhängig. Es ist davon auszugehen, dass viele Ihrer Kunden allein durch schlampig berechnete oder selbst im Internet für wenig Geld gefertigte Energieausweise weitaus schlechtere Energiewerte für ihre Immobilien bescheinigt bekommen haben als sie bei optimaler Berechnung bekommen hätten.

_ Zielgruppe:_

alle Besitzer von Einzelimmobilien und Mehrfamilienhäusern.

Finanzdienstleister und Baufi-Spezialisten können sofort ihren bestehenden Kundenstamm nach Besitzern von Einzelimmobilien und Mehrfamilienhäusern überprüfen, denn diese sind potenziell sehr daran interessiert, zukünftige CO2-Steuern zu vermeiden. Durch Hilfe bei der Optimierung des bestehenden Energieausweises und durch Vermittlung von Baufi-Darlehen zur Durchführung weiterer energetischer Maßnahmen, die zudem fast alle durch KfW-Mittel gefördert werden, lässt sich erhebliches Neugeschäft generieren. (cs)

Bessere Werte im Energieausweis erhöhenden Wert einer Immobilie.

Interview mit Stefan Preiß, Energieberater für Baudenkmale; Energieeffizienz-Experte für Effizienzhäuser 55 und 40; Sachverständiger KfW 159 – altersgerecht Umbauen und Dozent für Gebäudeenergieberatung.

finanzwelt: Zur vermutlichen Aufgriffsgrenze der kommenden CO2-Steuer: Welche Privatimmobilien werden vermutlich besteuert?

Preiß: Das ist noch nicht exakt abzusehen. Angedacht ist ein aufkommensneutrales Modell. Zuerst muss die Datenbasis geschaffen und ausgewertet werden, um den Durchschnitt einer Gebäudeklasse definieren zu können. Dann muss natürlich auch die steuerliche Auswirkung nach Anzahl der Gebäude festgestellt werden. Erst auf dieser Grundlage kann eingeschätzt werden, welche Eigentümer besteuert werden und welche entlastet werden. Auch wenn es sich banal anhört, gilt, dass sich jede Investition in die Effizienz positiv auswirkt und bei der hohen Anzahl unsanierter Gebäude bereits zu einer Unterschreitung des Durchschnitts führt. Sehr stark wirkt sich der Energieträger aus. Man sollte sich deshalb bei Investitionen in die Heizungsanlage reiflich überlegen, ob man bei den sehr schlecht bewerteten fossilen Brennstoffen Öl und Gas bleibt oder diese regenerativ ergänzt oder ersetzt.

finanzwelt: Ab welchen energetischen Sanierungsmaßnahmen kann man einen neuen Energieausweis erstellen lassen?

Preiß: Prinzipiell kann ein neuer Energieausweis immer erstellt werden. Es gibt hier keine Einschränkung oder Bindung an Sanierungsmaßnahmen. Da sich aber jede energetische Sanierung oder ein Heizungswechsel positiv auf den Energieausweis auswirken, sollte man diesen nach einer Sanierung auch auf den neuesten Stand bringen lassen. Bessere Werte im Energieausweis wirken sich ja auch positiv auf die Werthaltigkeit einer Immobilie und die Vermietbarkeit aus.

finanzwelt: Können Fehler beim Rechenweg Folgen für eine negative Einstufung der Immobilie bewirken?

Preiß: Eine sehr wichtige Fragestellung, die in ihrer Auswirkung komplett unterschätzt wird. Und dabei will ich hier noch nicht einmal von Fehlern reden, sondern von genauer Berechnung. Da dieses Thema bis dato noch unbeleuchtet ist, möchte ich dies an einem Beispiel aufzeigen: In jedem Rechenprogramm sind die genormten DIN-Werte für Baustoffe und Standard-Aufbauten nach Baualtersklassen hinterlegt. Auch die Heizungsanlagen sind mit DIN-Werten hinterlegt. Diese Werte zu verwenden, ist immer zulässig und vereinfacht die Datenaufnahme und Eingabe ins Programm ungemein. Sprich, das ist schnell und günstig machbar. Der Haken daran ist, dass diese Werte in aller Regel deutlich schlechter sind als die tatsächlichen Werte. Ein Beispiel hierzu: Pelletkessel werden in der Norm mit 80 % Wirkungsgrad angegeben, gute Anlagen weisen aber Wirkungsgrade von über 95 % auf. Weiterhin sind die Angaben zu Verlusten und zur Stromaufnahme nach DIN gemessen an den gerätespezifischen Parametern viel zu hoch. Wir haben Gebäude verschiedener Größen vergleichend mit DIN-Werten und mit tatsächlichem Zustand berechnet und teilweise Differenzen von weit über 20 % festgestellt. Für größere Gebäude ist es in der Regel auch sinnvoll, Wärmebrücken- Einzelnachweise zu erstellen, insbesondere wenn saniert wird und KfW-Mittel der Effizienzhaus-Förderung in Anspruch genommen werden sollen. Auch hier ein Beispiel für die Auswirkung: Ein Gebäude hat ein gut gedämmtes Dach mit einem U-Wert von 0,2 W/m²K. Für die Berechnung kommt ein pauschaler Wärmebrückenzuschlag von 0,1 W/m²K hinzu, sodass das Bauteil rechnerisch um 50 % verschlechtert wird und mit 0,3 W/m²K bewertet wird. Weist man jedoch die Auswirkung von Wärmebrücken auf die Energieverluste detailliert nach, so lässt sich der Einfluss der Wärmebrücken genau beziffern. Die Auswirkung ist natürlich gebäudespezifisch sehr unterschiedlich, doch in aller Regel liegt der Zuschlag weit unter dem pauschalen Ansatz. Nebenbei lassen sich so auch Fehler und kritische Punkte des Gebäudes aufzeigen und beseitigen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine saubere Berechnung mit den tatsächlich am Gebäude vorhandenen Aufbauten und An lagentechnik-Komponenten sowie dem detaillierten Nachweis des Wärmebrücken-Zuschlags eine Verbesserung von mindestens einer KfW- Effizienzhausstufe und einer Stufe im Energieausweis erzielt werden kann – rein rechnerisch und ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen. Weiterhin gilt zu bedenken, dass die Verwendung unzutreffender Dämmwerte – beispielsweise für eine Außenwand – auch falsche Entscheidungen in der Sanierung nach sich ziehen können.

finanzwelt: Wie erkennt man einen kompetenten Energieberater, der den Rechenweg auch hinsichtlich der Datenerhebung korrekt durchführen kann?

Preiß: Energieberater ist kein geschützter Begriff. Jeder darf sich Energieberater nennen. Deshalb ist es natürlich wichtig zu wissen, wie man qualifizierte Energieberater findet. Da in der Vergangenheit mangelnde Qualität der energetischen Berechnungen als Grundlage von KfW-Krediten zu Beanstandungen und teilweise zu Rückabwicklungen geführt haben, wurde von der KfW in Zusammenarbeit mit der Deutschen Energie Agentur (dena) ein Qualifizierungsschema erarbeitet, bei dem ausgebildete Gebäude-Energieberater den Nachweis von laufenden Fortbildungen erbringen müssen und auch laufend bearbeitete Projekte zur Qualitätsprüfung einreichen müssen. Wer diese Kriterien erfüllt, darf sich „Energie- Effizienz-Experte“ nennen und KfW-Anträge stellen. Diese findet man gelistet unter: www.energie-effizienz-experten.de. Wenn man über die Postleitzahlensuche einen qualifizierten Experten gefunden hat, dann sollte man mit ihm ein Gespräch darüber führen, welcher Genauigkeitsgrad der Berechnung für das betreffende Gebäude unter Kosten-Nutzen-Aspekten sinnvoll ist, denn eine genauere Datenaufnahme und Berechnung ist natürlich zeitaufwändiger und damit auch kostenintensiver als „08/15“-Berechnungen.

finanzwelt: Ist dem Immobilienbesitzer im Sinne eines optimalen Rechenwegs von Energieausweis-Plattformen im Internet grundsätzlich abzuraten?

Preiß: Wenn man von schwarzen Schafen mal absieht, sind die Energieausweise aus dem Internet gültige Dokumente, die schnell und billig sind. Es ist unzulässig, bessere Werte in der Berechnung anzunehmen als tatsächlich vorhanden sind. Da ein Internetanbieter aber keine Datenaufnahme vor Ort durchführen kann, muss er in einem vereinfachten Verfahren so rechnen, dass er auf der sicheren Seite ist und deshalb die schlechteste mögliche Variante eines Aufbaus annehmen. Dass dies nicht zu besonders guten Werten im Energieausweis führen kann, ist augenscheinlich. Wenn man die Auswirkungen eines schlechten Energieausweises in Bezug auf die Besteuerung, aber auch auf die Werthaltigkeit einer Immobilie betrachtet, so wird ein billiger Energieausweis auf Dauer sehr teuer. (cs)

finanzwelt 05/2015