Noch Luft nach oben!
07.02.2013
Der Anteil von Projektentwicklungsfonds an geschlossenen Immobilienfonds ist bisher äußerst gering. Wird sich dies langfristig ändern?
„Der Markt für Projektentwicklung entwickelt sich weiterhin sehr dynamisch!“ Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Jahr eine Studie des auf Immobilien spezialisierten Marktforschungs- und Beratungsunternehmens BulwienGesa. Demnach starteten im ersten Halbjahr 2012 in den sieben deutschen A-Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf) Bauvorhaben mit einem Gesamtprojektvolumen von 1,7 Mio. Quadratmetern. Das Volumen war damit um 36,6 % höher als im zweiten Halbjahr 2011. Mit rund 60 % entfiel dabei der Hauptanteil auf Entwicklungen im Wohnsegment, gefolgt vom Bürosegment mit rund 25 %. Vor dem Hintergrund solcher Zahlen verwundert es, dass der Anteil der Projektentwicklungsfonds an geschlossenen Immobilienfonds weiterhin äußerst gering ausfällt. Im Jahr 2011 lag er bei nur 4 %.Wird sich dies vor dem Hintergrund der jüngsten „dynamischen Entwicklung“ ändern? finanzwelt fragte Marktteilnehmer und Experten.
Lahcen Knapp, Geschäftsführer des neu gegründeten Emissionshauses One Holding GmbH, geht davon aus, dass sich der Marktanteil der Projektentwicklungsfonds mittel- bis langfristig erhöhen wird. Dafür spricht aus seiner Sicht insbesondere eine Reihe von Banken-Vorschriften. So müssen Kreditinstitute gemäß der europäischen Richtlinie „Basel II“ seit 2007 deutlich mehr Eigenkapital vorhalten als zuvor. Ab 2019 wird sich die Situation mit der Einführung der Richtlinie „Basel III“ (einer Weiterentwicklung von „Basel II“) wohl noch verschärfen. Deshalb verhalten sie sich in der Vergabe von Krediten restriktiv, wodurch die Eigenkapitalanforderungen an Projektentwickler steigen. „Viele Projektentwickler stehen vor der Herausforderung, über den Zeitraum von der Projektidee bis zur Fertigstellung der Immobilie eine Finanzierung zu vertretbaren Konditionen zu erhalten bzw. das entsprechende Eigenkapital aufzubringen. Projektentwicklungsfonds leisten einen wesentlichen Beitrag, um diese Lücke zu schließen“, so Knapp. Aus Sicht von Angelika Kunath, Geschäftsführerin FHH Fondshaus Hamburg Immobilien GmbH, spricht ein weiterer Aspekt dafür, dass sich der Marktanteil erhöhen wird: „Projektentwicklungsfonds sind im höheren Chancen-Risiko-Segment angesiedelt und eignen sich daher nur für Anleger, die bereit sind, für die deutlich höheren Chancen auch höhere Risiken einzugehen. Damit stehen sie scheinbar im Widerspruch zu der derzeit besonders stark ausgeprägten Sicherheitsorientierung privater Anleger. Da fast alle Fondsinitiatoren aus diesem Grund heute ausschließlich auf sogenannte ‚Core-Fonds‘ setzen, also auf Immobilienfonds mit langfristigen Mietverträgen bonitätsstarker Mieter, entsteht eine Marktlücke für Anbieter von chancenorientierten Produkten.“
Im vergangenen Jahr wurde allerdings häufig die These vertreten, dass Core-Immobilien keine sinnvolle Investition für Anleger mehr sind, weil sie zu teuer eingekauft werden und am Ende der Fondslaufzeit keine vernünftige Rendite mehr erwirtschaften können. Ist vor diesem Hintergrund zu erwarten, dass in Zukunft auch Emissionshäuser, die bisher auf Bestandsimmobilien spezialisiert waren, Projektentwicklungsfonds starten werden? Kunath hat zwar bereits beobachtet, dass sich weitere Initiatoren mit diesem Thema beschäftigen. Doch eine Neuausrichtung ist ihrer Ansicht nach nicht für jedes Unternehmen von heute auf morgen zu bewerkstelligen, Projektentwicklungsfonds könnten nur mit ausgewiesener Assetmanagement-Kompetenz funktionieren. Wolfgang Dippold, geschäftsführender Gesellschafter und Unternehmensgründer der PROJECT Investment Gruppe, rechnet nicht damit, dass Emissionshäuser, die bisher auf Bestandsimmobilien spezialisiert waren, in Projektentwicklungen einsteigen. „Das Know-how in der Entwicklung unterscheidet sich deutlich von dem in der Bestandshaltung, ebenso das Controlling. Das Emissionshaus müsste ein komplett neues Team an Bord holen oder mit externen Projektentwicklern kooperieren. Aber auch für die Kooperation muss das Emissionshaus das spezifische Entwickler-Know-how mitbringen, um seine Steuerungs- und Controllingverantwortung wahrzunehmen“, sagt er. Der umgekehrte Weg, als Entwickler den Bereich Bestandshaltung aufzunehmen, sei wesentlich einfacher, da bei der Immobilienentwicklung auch umfangreiche Kenntnisse in den Bereichen Verwaltung, Vermietung und Exit nötig wären. Nach Einschätzung von Dippold haben Projektentwicklungsfonds zwei entscheidende Vorteile gegenüber Fonds, die in Bestandsimmobilien investieren: „Zum einen bietet der Entwicklungsfonds die interessanteren Renditemöglichkeiten. Durch die Preisentwicklung von Wohnimmobilien in den letzten Jahren und die hohe Nachfrage gibt es heute immer weniger Bestandsobjekte, die über Mieteinnahmen und Wertsteigerungs-potenzial nach Berücksichtigung aller Kosten dem Investor die gewünschte Rendite bringen. Dagegen können im Bereich der Projektentwicklung auch heute attraktive Renditen erzielt werden.“ Zum anderen vermeiden Projektentwicklungsfonds laut Dippold durch ihre kurzen Investitionsphasen wesentliche Risiken der Bestandsimmobilie. Als Beispiele nennt er Kostenrisiken, die im Laufe der Zeit entstehen, wie zum Beispiel unerwartete Mietausfälle, problematische Nachvermietungen und erhöhte Instandhaltungs- bzw. Revitalisierungskosten. Zudem könne der Verkauf nach vielen Jahren zu niedrigeren Erlösen als geplant führen. „Die Erstellung und der gewinnbringende Verkauf neuer Immobilien bringen in der Regel eine höhere Rendite als die Vermietung von Bestandsobjekten, da Leerstands- und Mietausfallrisiken ebenso entfallen wie Instandhaltungskosten während der Nutzung“, sagt auch Knapp.
Jedoch erfordert das Modell der Rendite Übertragung auf den Investor laut Bulwien-Gesa-Vorstand Andreas Schulten einen gewissen Verzicht auf Marge beim Projektentwickler. „Hier treffen zwei recht kreative Branchen aufeinander, was ihre vertragsrechtlichen Konstruktionen angeht. Vorteile sowohl in der Ausschüttungsrendite wie auch in der langfristigen Wertentwicklung sind nur bei namhaften Unternehmen mit Referenzen in dem jeweilig laufenden Projekttypus ausreichend risikoadjustiert“, sagt er. Zwar geht auch Schulten davon aus, dass sich der Anteil der Projektentwicklungsfonds erhöhen wird, allerdings nicht über 8 oder 10 % hinaus. „Projektentwicklung bleibt eine Risiko-Investition, zum Teil auch im als sicher geltenden Wohnsegment“, gibt er zu bedenken. Daher werde die Nachfrage nach Fondsanteilen nur bei bestimmten Projekttypen und einer hohen Bonität der agierenden Unternehmen steigen.
(Kim Brodtmann)
Projektentwicklungen

Stabil in schwierigem Umfeld
