Rennboote gegen Dickschiffe

17.07.2013

Foto: © Angelo Giampiccolo - Fotolia.com

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Investoren, die gezielt Geld in deutsche Aktien stecken, schauen zunächst auf das große Dickschiff DAX. Die Werte der vergleichsweise kleineren Indizes (M- und S-DAX) haben Nachholpotenzial, gerade nach der längeren Aufwärtsperiode bei vielen „Big Playern". Die Performance der Aktien aus der zweiten und dritten Reihe war in den vergangenen zwei Jahren eher enttäuschend. Die Schere zu den „Großen" könnte sich nun schließen. Nebenwertefonds profitieren von Nischenausrichtung und globalisierter Welt.

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Nach der DAX-Rallye stehen Nebenwerte verstärkt im Fokus. Als Nebenwerte gelten im Grunde sämtliche börsennotierte Unternehmen, die eben keinen Großkonzern darstellen. Bis auf die bekannten DAX-Werte kann man die Aktien eines jeden anderen Unternehmens an der Börse als Nebenwert bezeichnen. Diese werden nochmal feiner in Mid Caps, Small Caps und Micro Caps eingeteilt. Je nach Definition fallen hierunter Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 20 bis 40 Mio. Euro und maximal 1 bis 2 Mrd. Euro. Sie sind zwar spekulativer, bieten dafür aber höhere Gewinnchancen. Einige Fonds mischen Nebenwerte nicht nur bei, sondern setzen weit überwiegend auf Nebenwerte-Unternehmen. Diesen Fonds gelingt es derzeit leichter, den DAX zu schlagen — schießen die Kurse von Mid und Small Caps doch öfter mal durch die Decke.

Nebenwerte waren bislang nicht im Fokus der Investoren, doch es gibt augenscheinlich keinen triftigen Grund dafür, dass die positive Entwicklung der vergleichsweise kleinen Nebenwerte nicht anhalten sollte. Die Nebenwerte-Unternehmen haben sich teilweise in den vergangenen Jahren von reinen Anbietern auf ihrem Binnenmarkt zu globalen Führern in ihren Nischenmärkten gewandelt. „Der S-DAX hat sicherlich noch Nachholbedarf. In der Regel sieht man zuerst eine Rallye bei den liquideren Titeln im DAX und M-DAX, bevor auch die Werte aus der zweiten oder dritten Reihe entdeckt werden", wirft Christian Reindl, Fondsmanager des Deka-Deutschland Nebenwerte, ein. Diese Einschätzung teilen weitere Experten. Frank Elze, Fondsmanager des UBS (D) EF Small Caps Germany, bemerkt im Zusammenhang mit dem Gesamtmarkt: „Wird die Erholung ‚reifer', dann wird auch nach den Perlen unter den ganz kleinen Unternehmen gesucht. Bewertungstechnisch sind Small Caps etwas günstiger als Mid Caps. Das könnte durchaus ein Grund dafür sein, dass sich Small Caps in 2013 besser entwickeln könnten."

Starke Nischenplayer. Die gesamtwirtschaftliche Lage und Einschätzung der Branchen hierzulande sind momentan eingetrübt; die Hoffnungen ruhen auf einen Wachstumsschub ab 2014. Im Gegensatz zu einer Reihe von Konzernen sind nur vergleichsweise wenige Nebenwerte-Unternehmen gezwungen, aufgrund finanzieller Altlasten aufgenommenes Fremdkapital abzubauen. Daher können diese Unternehmen wegen ihrer geringeren Fremdkapitalquote schneller expandieren und Wachstums- bzw. Innovationspotenziale realisieren, sobald es wirtschaftlich wieder bergauf geht. Grundsätzlich bieten Nebenwerte gegenüber den großen DAX-notierten Firmen den Vorteil, dass sie flexibler sind und sich schneller neuen Marktgegebenheiten anpassen können. Investoren bieten sie zudem die Möglichkeit, dass man über eine Anlage in bestimmte hoch spezialisierte Small- und Mid Caps gezielt in ein Thema oder einen Wirtschaftstrend investieren kann. Dr. Götz Albert, Partner und Leiter Portfolio Management Small- und Mid Caps bei Lupus alpha, kommentiert zu den Vorteilen der kleineren Werte: „Sie haben zu sehr vielen Branchen und Themen einen größeren Zugang als über Aktien großer Unternehmen. Sie bekommen letztlich einen Querschnitt der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung in seiner vollen Breite – und Vielfalt. Um einen Vergleich aus der Biologie zu ziehen: Es gibt nur drei Elefantenarten, aber mehrere tausend Insektenarten, ohne die das biologische Gleichgewicht nicht funktionieren würde. Ähnlich ist es in einer Volkswirtschaft. Ohne die kleinen Werte geht nichts."

Small- und Mid Caps gehören dabei in ihren Branchen oft zu den Weltmarktführern und sind auch im historischen Vergleich gegenüber den „Großen" verlockend. Seit der Jahrtausendwende hat der kleine S-DAX eine jährliche Rendite von ca. 5,4 % erwirtschaftet, wohingegen der DAX lediglich 1,4 % p.a. erzielte.

Spartenführer in globalisierter Welt. Nebenwerte bieten aktuell ein höheres Potenzial als manche Big Player. Die richtige Auswahl der Titel ist angesichts des umfangreichen Universums von Nebenwerte-Unternehmen aber zwingend erforderlich. Neben den Fundamentaldaten konzentrieren sich die Analysten auf das Geschäftsmodell und messen der persönlichen Kompetenz des Managements hohe Bedeutung bei. „Zudem sind viele kleine und mittlere Firmen noch von Familienunternehmern geprägt, die genau darauf achten, dass auch langfristiger Mehrwert für die Aktionäre geschaffen wird", sagt Felix Meier, Director Head Small & Mid Caps bei der Credit Suisse.

Neben Automobilzulieferern sind es insbesondere Nebenwerte aus dem Maschinenbausektor und der Medizintechnik, die aktuell attraktiv gehandelt werden. Generell gilt, dass die Nebenwerte-Unternehmen über hohe Weltmarktanteile in ihren Sparten und eine starke Preissetzungsmacht verfügen sollten, die sie dann auch in den Schwellenländern durchsetzen können, wie Deka-Experte Reindl untermauert. Allerdings seien die Unterschiede im Universum der deutschen Nebenwerte sehr groß, wie Fondsmanager Elze betont. Stock-Picking ist demnach das A und O und geht mit hohen Ansprüchen an das Research, an die Due Diligence (Untersuchung, Prüfung und Bewertung eines potenziellen Beteiligungsunternehmens) und an die Bewertung der Titel einher.

Vorsicht bei enger Marktliquidität. Natürlich gibt es auch bei den Nebenwerten tendenziell einen „Haken". Investoren sollten bei Werten mit geringer Liquidität und Unternehmen, die in der Vergangenheit unzureichende Informationen kommuniziert haben, auf der Hut sein. Die Liquidität von Aktien spielt bei der Titelauswahl in Nebenwertefonds eine höhere Rolle als bei Large Cap Fonds und kann in Krisenzeiten zu einem Problem werden. Die Schwankungsbreite in hektischen Börsenzeiten fällt oftmals deutlicher aus als beispielsweise bei einem DAX-Portfolio. Allerdings finden sich dann auch lukrative Einstiegsoptionen.

Fazit

Solide Nebenwerte mit Wachstumspotenzial sind auch in Krisenzeiten eine gute Anlageoption. Sie sind Profiteure der Globalisierung, agieren oftmals sehr erfolgreich als Marktführer in ihrer Nische und können hier hohe Preise durchsetzen. Natürlich ist zu bedenken, dass auch Small Caps immer nur eine kleine Beimischung sind, um etwas mehr Dynamik ins Depot zu bringen, und bei starken Korrekturphasen entsprechende Verluste erleiden. Banken und Versicherer spielen im Gegensatz zum DAX nahezu keine Rolle. Die Flutung der Märkte mit Liquidität kam bis dato primär den großen Titeln zugute. Nun könnte die Zeit der Nebenwerte schlagen. Small Caps sind eine echte Alternative zu den Blue Chips und haben dies in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends bereits belegt.

(Alexander Heftrich)

Nebenwerte - Printausgabe 04/2013

http://finanzwelt.de/wp-content/uploads/Uebersicht_aussichtsreicher_Nebenwerte-Fonds.pdf