Schon seltsam

30.08.2022

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Zur Absicherung von Invalidität wird gemeinhin die BU-Police empfohlen. Doch die ist nicht gerade preiswert und wird vielen Berufsbildern verwehrt. Man könne ja auf Alternativen zurückgreifen, heißt es oft. Es heißt aber genauso oft, das sei genau der falsche Ratschlag. Es ist aber beileibe nicht die einzige Ungereimtheit der BU-Versicherung.

Zum Jahresende 2021 lebten in Deutschland rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das rund 108.000 oder 1,4 % weniger als zum Jahresende 2019. Dieser Rückgang beruht allerdings auf einer starken Bereinigung der Verwaltungsdaten in Niedersachsen, wodurch die Zahl der dort erfassten schwerbehinderten Menschen um 121.000 sank. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mind. 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zum Jahresende 2021 waren 9,4 % der Menschen in Deutschland schwerbehindert. 50,3 % davon waren Männer, 49,7 % waren Frauen. Aber: Bei gerade einmal 2 % entstand die Behinderung durch einen Unfall. Grob überschlagen würden nur rund 152.000 Menschen in Deutschland von einer Unfallrente profitieren. Folglich kann die richtige Versicherungslösung – falls möglich – nur BU-Absicherung lauten. Oder?

Verschiedene Ansätze

Jens Göhner, Leiter Produkt- und Vertriebsmarketing Vorsorge und Investment bei der Stuttgarter Leben, sieht das sehr differenziert: „Die Berufsunfähigkeitsversicherung bietet einen besonders umfangreichen Versicherungsschutz für viele Kunden. Ob aber die BU tatsächlich in der aktuellen Lebenssituation des jeweiligen Kunden die beste Wahl darstellt, kann nur in einem informativen Gespräch geklärt werden.“ Hier werde dann individuell der Bedarf des Kunden ermittelt und mit seinen konkreten Wünschen an Produkt und Prämie abgeglichen. Gerade bei risikoreicheren Berufen gelte es, neben der BU auch günstigere Alternativen wie zum Beispiel die Grundfähigkeitsversicherung unvoreingenommen vorzustellen. Der Kunde könne dann informiert über den angestrebten Umfang seines Versicherungsschutzes entscheiden und sein dafür vorgesehenes Vorsorgebudget bestmöglich verwenden.

Anders urteilt allerdings Dr. Florian Sallmann, Head of Broker und Vorstand der Dialog Versicherungen: „Die BU-Versicherung stellt zur Absicherung des Invaliditätsrisikos den Königsweg dar. Alternativen wie Multi-Risk, Grundfähigkeit oder Dread Disease empfehlen wir nicht, da sie nur eine Ausschnittsdeckung bedeuten. Eine bedarfsgerechte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung stellt die Erwerbsunfähigkeitsversicherung dar. Sie liefert einen kostengünstigen Basisschutz für alle, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten können oder dafür eine sehr hohe Prämie zahlen müssten.“

Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung richtet sich in erster Linie an Handwerker, Künstler oder Personen mit besonders gefahrgeneigtem Beruf. Maximilian Buddecke, Vorstand die Bayerische Prokunde AG, rät von Schnellschüssen ab: „Grundsätzlich kommt dies auf den Bedarf des Kunden an. Die beste Strategie ist aus meiner Sicht, erstmal eine Analyse des Bedarfs und des Gesundheitszustandes des Kunden zu machen.“ Anschließend sollte im Rahmen einer Voranfrage geklärt werden, ob und wie eine Versicherbarkeit überhaupt gegeben ist. Im Beratungsgespräch gelte es dann – abhängig von der Versicherbarkeit – die Leistungsauslöser der verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten, also z.B. der BU oder der Grundfähigkeitenversicherung gegenüberzustellen und einen durchgängigen Versicherungsschutz zu empfehlen.

Verschiedene Lösungen

Für den unvoreingenommenen Betrachter ist es schon eine paradoxe Situation: Die BU-Absicherung ist nicht gerade preiswert und steht vielen körperlichen und deshalb risikobehafteten Berufen gar nicht zur Verfügung. Obwohl an erster Stelle der BU-Gründe psychische Leiden stehen. Lässt sich denn zumindest die BU-Prämie vom Kunden beeinflussen? Dr. Sallmann bejaht dies: „Ja, in mehrfacher Hinsicht. Der Kunde sollte in möglichst jungem Alter eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Dies wirkt sich günstig auf die Prämie aus. Es empfiehlt sich auch, weil die Gesundheitsprüfung in der Regel problemlos ist.“

Schließlich seien junge Leute auf einen zuverlässigen Berufsunfähigkeitsschutz in besonderem Maße angewiesen, weil sie gemeinhin nicht über die finanziellen Reserven verfügten, die im Ernstfall nötig wären. Junge Kunden könnten bei der Dialog eine altersabhängige, also immer risikoadäquat kalkulierte Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Da ihr Risiko, berufsunfähig zu werden, noch gering sei, erhielten sie einen vollwertigen Schutz zu äußerst günstigen Prämien. Im Laufe der Jahre steige die Prämie moderat an, doch stehe dies im Einklang mit der allgemeinen Einkommensentwicklung. Ein Umstieg in den konstant kalkulierten Tarif sei jederzeit zur Hauptfälligkeit möglich.

Als Alternative biete die Dialog für junge Leute auch einen den Tarif an, bei dem bis zum 30. Lebensjahr in den ersten fünf Jahren nach Vertragsabschluss nur etwa 60 % des späteren Beitrags zu bezahlen seien. Durch die Wahl verschiedener (kostenpflichtiger) Optionen könne der Versicherungsschutz noch wertvoller gestaltet werden. Ein Beispiel: Bei Abschluss eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages könne gegen eine sehr geringe Mehrprämie eine Pflegerentenversicherung vereinbart werden, die nach Beendigung der Berufsunfähigkeitsversicherung in Kraft trete. Andere attraktive Optionen seien Leistung bei Arbeitslosigkeit, Dread Disease-Zusatzversicherung, Anfangshilfe, Verzicht auf Beitragserhöhung nach § 163 VVG oder bis zu 5 % garantierte Dynamik im Leistungsfall.

Buddecke hat andere Vorschläge: „Üblicherweise wird die BU-Prämie durch die Reduktion der Rente beeinflusst. Als Bayerische empfehlen und bieten wir hier andere Lösungen: Wir bieten einerseits vier Leistungsstufen in der BU, sodass auch hier die Prämie reduziert werden kann.“ Nicht jeder Kunde benötige das volle Leistungspaket. Anderseits habe man einen Gesundheitsbonus. Wenn der Kunde nicht rauche und sich fit halte, bekomme er einen Rabatt. Göhner schließlich sagt: „Die BU-Prämie zeichnet sich kalkulatorisch durch eine starke Differenzierung einzelner personenspezifischer Kriterien aus. Von daher kann jeder auch selbst in einem gewissen Rahmen die BU-Prämie mit beeinflussen.“ Das fange beispielsweise beim BMI an und reiche über das Rauchverhalten bis hin zur Ausübung risikoreicher Hobbys. Göhner: „Darüber hinaus haben wir die BayFit-App. Ab der Stufe BU Komfort Plus erhält der Kunde damit eine App und ein System, welches ihm bei regelmäßiger Nutzung noch bis zu 150 Euro der Prämie zurückerstattet.“ (hdm)