Silberstreif am Horizont

27.12.2023

Alexander Pirpamer, Geschäftsführer Portfoliomanagement bei BlackPoint Asset Management GmbH

Aktuell geht wieder das Gespenst des „kranken Mannes Europa“ um. Wie steht es um Deutschland und deutsche Aktien zur Jahreswende 2023/2024? Alexander Pirpamer, Geschäftsführer Portfoliomanagement bei BlackPoint Asset Management GmbH, stand der Redaktion Mitte November für ein Interview zur Verfügung.

finanzwelt: Der ifo-Geschäftsklimaindex ist zuletzt etwas gestiegen. Ist das mit Blick auf die Zukunft der deutschen Wirtschaft ein deutliches Hoffnungssignal?

Alexander Pirpamer» Die leichte Verbesserung der Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist ein Silberstreif am Horizont. Für eine nachhaltige Trendumkehr muss die Wirtschaftspolitik nun mit effizienten Maßnahmen das Wachstum unterstützen. Das kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Strompreispaket kann dabei nur ein erster Schritt sein.

finanzwelt: DAX & Co. kamen in den vergangenen Wochen unter die Räder. Welche Erwartungen hegen Sie kurz- bis mittelfristig für die deutschen Indizes?

Pirpamer» Der aktuelle Optimismus wird nicht zuletzt von dem Glauben an die anstehende Zinswende getragen. Kurzfristig werden Meldungen zum Zinsthema von den Anlegern häufig überinterpretiert, was teils zu enormen Kursausschlägen führt. Mittelfristig werden stabile oder gar sinkende Zinsen deutschen Aktien sicherlich Rückenwind geben. Anleger brauchen aber Geduld. Die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks weisen darauf hin, dass sie die Zinssätze nicht so schnell senken werden, da die Inflation Zeit brauchen wird, das angestrebte 2-%-Ziel zu erreichen. Auch die globale Konjunkturentwicklung spielt für die traditionell exportorientierten deutschen Unternehmen eine wichtige Rolle. Während in Europa die Wahrscheinlichkeit einer Rezession zunimmt und der wichtige Binnenmarkt Schwäche zeigt, liegen die Hoffnungen auf den großen Absatzmärkten USA – weiche Landung – sowie China. Im Reich der Mitte zeigen sich deflationäre Tendenzen und Peking dürfte gezwungen sein, größere Konjunkturpakete zu schnüren. Unter Einbeziehung der aktuellen geopolitischen Verwerfungen ergibt sich somit für die deutschen Indizes ein heterogenes Bild. Wir erwarten daher einen Seitwärtsmarkt, der aufgrund der vorherrschenden Nervosität zu energischen Schwankungen neigt.

finanzwelt: Insbesondere die Abschläge bei MDAX bzw. SDAX waren teilweise massiv. Die KGVs legen nahe, dass einzelne Werte sehr günstig sind. Trügt der Schein?

Pirpamer» Isoliert betrachtet notiert das DAX-KGV sogar unter dem MDAX-KGV. In der Praxis greift das KGV als alleiniges Instrument zur Beurteilung des Unternehmenswerts zu kurz. Gewinnwachstum, Margen oder Zyklizität unterscheiden sich je nach Sektor erheblich und erschweren einen direkten Vergleich z. B. eines Pharmaherstellers mit einem Softwareunternehmen. Investoren sollten immer auch das Wachstum im Auge behalten. Ein Unternehmen mit hohem Gewinnwachstum kann ein hohes KGV aufweisen und trotzdem attraktiv bewertet sein. Hier liegt auch die Krux der kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Vielleicht deutlicher als bei den Blue Chips schlägt die hohe Inflation auf die Margen und das Wachstum durch. Letztendlich verschärfte sich die Finanzierungssituation für den Mittelstand, impliziert durch eine restriktivere Kreditvergabe der Banken.

finanzwelt: Sehen Sie beispielsweise einzelne Sektoren als „Outperformer“?

Pirpamer» Durch das nun beschlossene Strompreispaket der Bundesregierung könnten energieintensive Industrien einen Aufschwung erleben.

finanzwelt: Wie ist Deutschland im europäischen Konzert positioniert?

Pirpamer» In unserem Portfolio hat Deutschland im Kontext europäischer Aktien momentan das höchste Gewicht, gefolgt von Frankreich. (ah)

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