Sommerinterview - finanzwelt im Gespräch mit Dr. Felix Schmidt
27.07.2025

Dr. Felix Schmidt - Foto: Copyright (©Florian Läufer / Berenberg)
Deutschland im Sommer 2025. Wo stehen wir? Packen wir die Wende und geben wieder Gas, um international im Konzert der Großen mitspielen zu können? Vor dem Hintergrund des jüngst vorgestellten Investitionspakets der Bundesregierung und führender Unternehmen sprach die Chefredaktion mit Dr. Felix Schmidt, Leitender Volkswirt bei Berenberg.
finanzwelt: Herr Dr. Schmidt, die Regierung ist nun 75 Tage im Amt. Wie steht es um das Versprechen, hierzulande schnell einen spürbaren Politikwechsel zu erreichen?
Dr. Felix Schmidt: In den ersten Monaten hat die neue Bundesregierung damit begonnen, ihre Pläne aus dem Koalitionsvertrag anzugehen. Sie versucht zudem auch, außen- und innenpolitisch klare Signale zu setzen. In Bezug auf den Wirtschaftsstandort Deutschland ist durch die Lockerung der Schuldenbremse, die umfangreichen Ausgabenpläne der Regierung, die gesenkten Energiekosten und den Investitionsbooster bereits einiges in Bewegung geraten. Das darf aber nur der Anfang sein. Weitere wichtige Themen sind beispielsweise der Bürokratieabbau und Reformen, die einen weiteren Anstieg der Lohnnebenkosten verhindern.
finanzwelt: Der Bundeskanzler lobt die „größte Investitionsinitiative“ für Deutschland. Wie bewerten Sie diese Initiative? Der Symbolik müssen bekanntlich auch Taten folgen.
Schmidt: Die Initiative „Made for Germany“ ist ein Bekenntnis der Privatwirtschaft zum Wirtschaftsstandort Deutschland. Das ist zunächst einmal ein gutes Zeichen. Die 61 beteiligten Unternehmen haben sehr hohe Milliardensummen ins Schaufenster gestellt. Wie viele zusätzliche Investitionen dann wirklich getätigt werden, bleibt aber abzuwarten. Und bedingungslos waren diese Versprechen natürlich nicht: Die Regierung muss liefern und Deutschland als Investitionsstandort wieder interessanter machen. Dass vonseiten der Wirtschaft der Druck auf die Regierung, Reformen anzugehen, hoch bleibt, ist gut.
finanzwelt: 3,5 Mio. Unternehmen zählen zum deutschen Mittelstand. Kritik wurde laut, dass diese beim Kanzler-Gipfel nicht vertreten waren. Nachvollziehbar?
Schmidt: Der Mittelstand ist weiterhin das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittlere Betriebe. Insofern ist die Kritik, dass diese Unternehmen im Kanzleramt nicht vertreten waren, nicht ganz unberechtigt. Das lässt sich jedoch noch korrigieren. Die Regierung sollte in den kommenden Monaten den Austausch mit dem Mittelstand suchen.
finanzwelt: Der ifo Geschäftsklimaindex stand zu Jahresbeginn bei ca. 85 Punkten, im Juni bei 88,4. Gleichwohl liest man immer wieder von der sehr verhaltenen Stimmung im Handel. Auch die Gastronomie leidet vielerorts unter Einbußen. Muss man demzufolge genau differenzieren?
Schmidt: In der deutschen Wirtschaft gibt es derzeit diverse Herausforderungen, die die verschiedenen Sektoren unterschiedlich stark belasten. Während das verarbeitende Gewerbe unter dem Handelsstreit leidet, haben energieintensive Unternehmen mit zu hohen Energiekosten zu kämpfen. Im Dienstleistungssektor machen sich hingegen der demografische Wandel und der damit einhergehende Arbeitskräftemangel stark bemerkbar, während im Baugewerbe die Finanzierungskosten, gesetzliche Auflagen und Materialkosten eine große Rolle spielen. Man muss demzufolge genau differenzieren, doch große Reformen, wie beispielsweise der Bürokratieabbau, würden der Wirtschaft wahrscheinlich in nahezu allen Bereichen zugutekommen.
finanzwelt: Lässt es sich vereinfacht sagen, was Deutschland derzeit am nötigsten bedarf?
Schmidt: Deutschland braucht am nötigsten eine Regierungskoalition, die im Tandem agiert und sich nicht über kleinere Meinungsverschiedenheiten zerstreitet. Sowohl die Wirtschaft als auch die Menschen im Land verlangen, dass politische Spielereien hintenangestellt werden und dass man den Herausforderungen, vor denen Deutschland steht mit gebündelter Kraft entgegenstellt. Was sich Deutschland nicht leisten kann, ist politischer Stillstand.

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