Stimmungslage in Deutschland: Privatanleger entspannt
19.08.2025

Während die institutionelle Stimmung auf den tiefsten Stand seit Monaten gefallen ist, bleiben deutsche Privatanleger gelassen. Laut Retail Investor Beat-Umfrage vom Analysten eToro bleiben die meisten Anleger finanziell zuversichtlich. Sie investieren weiterhin regelmäßig und behalten Gold als Absicherung im Blick. Diese Resilienz deutet darauf hin, dass Privatanleger - anders als viele Marktprofis - ein Comeback der deutschen Wirtschaft noch nicht abschreiben. Und das trotz Zöllen, politischer Unsicherheiten und Gegenwind aus der Industrie.
Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im August kräftig gefallen, von 52,7 auf 34,7 Punkte. Auch die Prognose von 40,0 wurde klar verfehlt. Das ist ein weiterer Dämpfer für die wirtschaftliche Zuversicht in Deutschland und wirft neue Fragen zur Erholung auf. Doch deutsche Privatanleger lassen sich davon bisher nicht beirren. 45 Prozent sagen, sie liegen weiterhin auf Kurs mit ihren Anlagezielen. 72 Prozent fühlen sich sicher in Bezug auf ihren Arbeitsplatz. Das steht in starkem Kontrast zur Nervosität vieler Marktprofis, von Panik keine Spur.

Der ZEW-Erwartungsindex (orange Linie) schwankt schon seit Jahren kräftig. Wer seine Entscheidungen nur auf diesen einen Stimmungsindikator gestützt hätte, hätte sein Depot ständig umgebaut. Stimmungsdaten sind hilfreich, aber nicht immer als Timing-Instrument geeignet. Und das zeigt sich auch im Verhalten. 62 Prozent der deutschen Privatanleger haben ihre Beiträge in den letzten drei Monaten nicht verändert. 33 Prozent haben ihre Beiträge sogar erhöht, nur 5 Prozent reduziert. Es gibt keine Anzeichen für Rückzug oder Hektik, trotz Zöllen, Industrieschwäche und politischer Unsicherheit.
Gold rückt in den Fokus
Auch die Einschätzung der aktuellen Lage trübt sich erneut ein. Der ZEW-Index fällt von 68,6 auf 59,5 Punkte und bleibt damit klar unter den Erwartungen. Ein Blick zurück zeigt, dass der letzte positive Wert fast drei Jahre zurückliegt - im November 2021. Die Kluft zwischen Erwartung und Realität bleibt damit groß, sodass die Unsicherheit anhält. Das geht auch an den Anlegern nicht spurlos vorbei, sie reagieren auf die anhaltende Unsicherheit mit entsprechenden Erwartungen. 57 Prozent der Deutschen erwarten, dass der Goldpreis in den nächsten 6 bis 12 Monaten steigen wird. Das ist ein deutliches Signal für verstärkte Absicherung und eine vorsichtigere Haltung im Portfolio.
Positiv ist, dass der Erwartungswert weiterhin über dem historischen Durchschnitt liegt. Viele Finanzexperten hoffen also nach wie vor auf eine wirtschaftliche Erholung. In den Daten zur aktuellen Lage ist davon allerdings noch nichts zu sehen. Auch der Index zur aktuellen Lage zeigt, dass er kein verlässlicher Timing-Indikator für den Markt ist. Ein Beispiel macht das besonders deutlich: Im Mai 2020 lag das Stimmungsbild an einem Tiefpunkt. Ende Mai hatte sich der DAX längst wieder um 40 Prozent vom Corona-Crash erholt. Ob das Stimmungsbarometer damals bereits den Tiefpunkt gesehen hatte, war übrigens noch völlig offen. Denn erste Erholungsanzeichen beim ZEW kamen erst im Juni, als der Markt seine Rally schon weiter fortgesetzt hatte.
Handelskonflikt als zusätzlicher Belastungsfaktor
Die ohnehin angespannte Lage der deutschen Wirtschaft wird durch den neuen EU–USA-Handelsdeal zusätzlich belastet. US-Zölle von 15 Prozent auf deutsche Exporte treffen Schlüsselbranchen wie Auto, Chemie und Maschinenbau. Das erhöht die strukturellen Risiken. Im zweiten Quartal schrumpfte das BIP um 0,1 Prozent, das dritte Rezessionsjahr droht. Zwar müssen Aktienmärkte nicht zwangsläufig fallen, aber die Anfälligkeit für Volatilität steigt. Anleger sollten wachsam bleiben, vor allem bei handelspolitischen Themen.
48 Prozent der Privatanleger zeigen sich wachsam gegenüber Marktschwankungen, nur 12 Prozent fühlen sich ängstlich. Das zeigt ein ruhiges und reflektiertes Verhalten vieler Anleger. Die Mehrheit scheint langfristig zu denken und sich nicht von kurzfristigen Unsicherheiten aus dem Konzept bringen zu lassen. Ganz nach dem Motto: Auch diese Krise wird vorübergehen. Für viele deutsche Anleger steht Durchhaltevermögen über Market Timing. (fw)

N26-Gründer Valentin Stalf wechselt in den Aufsichtsrat
