Stürzen wir in eine Rezession? Eine Gleichung mit vielen Unbekannten

29.07.2022

Mark Elser Country Head Germany bei iBanFirst / Foto: © iBanFirst

Ukraine-Krieg, explodierende Gaspreise, Rekordinflation und die EU im Zinsdilemma. Genug Bestandteile für die nächste Rezession – und dabei ist die Liste der Faktoren, die zu einem Abschwung führen könnten, noch nicht einmal vollständig. Über allem schweben zudem die große Unsicherheit, die Wechselwirkungen untereinander und eine völlig unkalkulierbare Eigendynamik. Denn bis jetzt ist es ja, trotz aller negativen Vorzeichen, noch alles einigermaßen gutgegangen. Schließlich sucht Deutschland händeringend Arbeitskräfte für nahezu alle Wirtschaftsbereiche und will sogar schon wieder Personal im Ausland anwerben. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Die Lage kann schnell kippen; vor allem im Winter, wenn das knappe Gas besonders gebraucht wird – zum Heizen, aber auch für das Betreiben vieler Produktionsprozesse von Industrieunternehmen. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Faktoren an, aufgeteilt auf die drei großen Wirtschaftsblöcke USA, Europa und China.

In der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA, sieht es noch am besten aus. Hier herrscht ebenfalls Arbeitskräfteknappheit. Und mit dem verdienten Geld konsumieren die Amerikaner kräftig und reisen wieder mehr als vor Corona. Das Bild ist indes nicht ganz klar. Denn Sorgen bereitet Beobachtern der schwächelnde Immobilienmarkt. Er könnte  wie 2008– wenn auch aus anderen Gründen –nicht nur die einheimische Wirtschaft in die Krise stürzen, sondern auch Schockwellen um den Globus senden. Und die Inflation liegt noch höher als bei uns.

In Europa sieht es schlimmer aus. Die Energiekrise und das knappe Gas werden uns in mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Rezession befördern. Entscheidend ist aber dabei, wie wir den Winter meistern – und wie sich die Gründe entwickeln, die zu dieser Situation geführt haben: der Ukraine-Krieg, die versäumten Investitionen in die Infrastruktur und die schlecht gemachte Energiewende mit obendrein vielen staatlich erzeugten Kostenfaktoren, wie etwa die CO2-Bepreisung, die erst Anfang des Jahres erhöht wurde. Die Rekordpreise für Energie dürften bei vielen energieintensiven Betrieben dazu führen, dass sie erhebliche Probleme bekommen werden – mit starken wirtschaftlichen Folgen für die Gesamtwirtschaft. Und als wäre dies nicht genug, belastet uns eine für die Bundesrepublik noch nie dagewesene Inflation. Nun müsste die EZB eigentlich die Zinsen kräftig erhöhen, um die Preissteigerung zu bremsen. Doch das würde die hochverschuldeten Mittelmeerländer ins Chaos stürzen (weshalb es ja auch nicht gemacht wird). Insgesamt befinden wir uns in Europa und Deutschland in einer sehr schwierigen Lage.

Rettung aus China?

Rettung könnte ausgerechnet aus China kommen, wie es in der Krise 2010 schon einmal passiert ist. Durch hohe Investitionen der chinesischen Regierung uns eigene Land könnte Europa profitieren, dadurch kaufen die Verbraucher und die Industrie weiter günstig im Reich der Mitte Produkte und Materialien ein – während der schwache Euro unsere Exporte ankurbeln könnte. All das kann aber sechs bis neun Monate dauern, bis es Effekte zeigt. In jedem Fall ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass wir durch den Unterstützung aus China nochmal mit zwei blauen Augen davonkommen.

Fazit: Alles ist stark in Bewegung und es herscht hohe Unsicherheit,  dawir es mit vielen Unbekannten zu tun haben. Für die meisten von uns ist es eine der unsichersten Phasen, die sie jemals erlebt haben. Unternehmen müssen sich daher – wenn möglich – einen Puffer anlegen und diesen auch in ihre Kalkulation einbauen. Daneben sollten sie ein besonders scharfes Auge auf die Wechselkurse haben, denn diese schwanken so wie selten zuvor.

Autor: Mark Elser, Country Head Germany iBanFirst