Viele Digitalisierungsprojekte scheitern am unzureichenden Veränderungsmanagement

08.05.2025

Dr. Sebastian Schulz, Vorstand, Pentadoc AG / Foto: © Pentadoc

Exklusiv

Dr. Sebastian Schulz war viele Jahre Operations- und ITVorstand bei der VHV Versicherung in Hannover. Seit Anfang des Jahres komplettiert er das Vorstandsteam bei der Würzburger Pentadoc AG. Einem Beratungsunternehmen für IT, Prozessoptimierung und digitaler Transformation in der Versicherungswirtschaft. Wir haben mit ihm über die digitalen Herausforderungen der Branche gesprochen, wo sie aktuell steht und wohin sie sich in den kommenden Jahren entwickeln wird. Ein spannender Austausch und Einblick in die digitale Transformation und welche Rolle ein Beratungsunternehmen wie die Pentadoc dabei einnimmt.

finanzwelt: Herr Dr. Schulz, Sie sind von Ihrer Position als Vorstand für Operations und IT der VHV Allgemeine Versicherung sowie Sprecher der Geschäftsführung der VHV solutions zum Beratungsunternehmen Pentadoc AG gewechselt und verstärken dort seit Januar 2025 das Vorstandsteam. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Dr. Sebastian Schulz: In meiner Zeit bei der VHV konnte ich umfassende Erfahrungen im Bereich Operations und Digitale Transformation sammeln. Ich habe dabei aus erster Hand erlebt, was es bedeutet, diese Themen in all seinen Facetten in einem Versicherungskonzern in die Praxis umzusetzen – mit allen Chancen, Herausforderungen und Stolpersteinen. Nach 15 Jahren auf der Unternehmensseite hat es mich gereizt, die Perspektive zu wechseln und meinen Erfahrungsschatz über Unternehmensgrenzen hinaus wertstiftend einzubringen. An der Pentadoc hat mich schon immer die Umsetzungsstärke fasziniert: Hier werden innovative Ansätze nicht nur diskutiert und konzipiert, sondern konsequent zum Leben erweckt – immer mit dem klaren Fokus auf den konkreten Nutzen für den Kunden. Diese Kombination aus strategischem Weitblick und Hands-on-Mentalität passt perfekt zu meinem eigenen Naturell und macht die neue Aufgabe für mich so spannend.

finanzwelt: Welche besonderen Stärken bringen Sie mit und welche neuen Impulse möchten Sie setzen?

Dr. Schulz: In den letzten zehn Jahren durfte ich die Entwicklung eines der erfolgreichsten Versicherungskonzerne Deutschlands aktiv mitgestalten und sowohl fachlich als auch methodisch eine entsprechende Expertise aufbauen. Dieses Know-how und meine Erfahrungen in den Bereichen Operations und Kundenservice, Digitale Transformation sowie Leadership werde ich natürlich in meine neue Rolle einbringen. Darüber hinaus hat es mir schon immer viel Freude bereitet, Unternehmen und Unternehmensbereiche im Sinne der Mitarbeitenden, Kunden und Vertriebspartner weiterzuentwickeln. Das werde ich sowohl in die Pentadoc einbringen als auch für unsere Kunden versuchen, Impulse zu setzen.

finanzwelt: Die Pentadoc AG ist ein Beratungsunternehmen für digitale Transformation und schwerpunktmäßig in den Branchen der privaten Versicherungswirtschaft und der gesetzlichen Krankenversicherung tätig. Was ist der USP von Pentadoc und wie unterscheidet es sich von anderen Beratungsunternehmen?

Dr. Schulz: Die Pentadoc beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit der Digitalisierung und Optimierung von Prozessen und verfügt damit über ein einzigartiges Know-how in diesem Bereich. Was uns besonders auszeichnet, ist unser individueller Ansatz: Wir arbeiten nicht mit vorgefertigten Blaupausen oder vorgeprägten, standardisierten Technologien, sondern entwickeln herstellerunabhängig Lösungen, die genau auf die Anforderungen unserer Kunden zugeschnitten sind. Ein weiterer wichtiger USP ist unsere Stärke im Bereich organisationale Transformation und Change-Management. Wir wissen, dass viele Digitalisierungsprojekte weniger an der Technik als vielmehr am unzureichenden Veränderungsmanagement scheitern. Erfolgreiche Transformationen erfordern die enge Verzahnung von Prozess-, Technologie- und Organisationsentwicklung – und genau diese ganzheitliche Perspektive bieten wir aus einer Hand.

finanzwelt: Die Digitalisierung ist eine fortlaufende Dauerbaustelle bei Versicherungen. In welchen Bereichen sehen Sie in der deutschen Versicherungsbranche noch den stärksten Nachholbedarf?

Dr. Schulz: Viele Versicherer haben zu lange damit gewartet, ihre veralteten IT-Systeme zu modernisieren. Das lässt sich gar nicht auf einen bestimmten Bereich eingrenzen. Die Folge ist, dass wichtige Kunden- und Vertriebsanforderungen heute oft nur mit hohem Aufwand oder gar nicht umgesetzt werden können. Zudem bleiben die Potenziale, die KI bietet, vielerorts ungenutzt. Die Branche braucht daher einerseits einen langen Atem, wenn es um die Erneuerung der Kernsysteme geht. Andererseits ist es ebenso wichtig, kurzfristig Brückentechnologien einzusetzen, um den operativen Druck im Kundenservice zu reduzieren und den steigenden Kosten zu begegnen. Diese Balance aus strategischer Erneuerung und pragmatischer Entlastung ist eine der zentralen Herausforderungen.

finanzwelt: Welche neuen IT-Trends kennzeichnen den Versicherungsmarkt in diesem Jahr besonders?

Dr. Schulz: Die Modernisierung der Kernsysteme und die Erneuerung der Anwendungslandschaften bleiben auch 2025 zentrale Themen. Parallel dazu gewinnt der Einsatz von KI weiter an Bedeutung und das sowohl in der Regulatorik als auch im Vertrieb und Kundenservice. Allerdings zeigt sich: Ohne eine saubere Datenbasis und modernes Datenmanagement bleiben viele KI-Initiativen weit hinter den Erwartungen zurück. Deshalb rücken derzeit vor allem intelligente Input- und Anliegenmanagement-Lösungen in den Fokus, die helfen, Daten strukturiert zu erfassen und Prozesseffizienz zu steigern.

finanzwelt: Welche Rolle spielt das Thema KI für die Pentadoc? In welchen Bereichen werden KI-Lösungen bereits bei Versicherern eingesetzt?

Dr. Schulz: KI eröffnet dort neue Möglichkeiten, wo klassische Technologien an ihre Grenzen stoßen und kann darüber hinaus Lösungen und Ansätze ermöglichen, die bislang undenkbar waren. Deshalb haben viele Versicherer bereits in KI-Technologien investiert. Doch der Weg von der Idee bis zum produktiven Einsatz ist oft steinig. Häufig scheitert es daran, die passenden Anwendungsfelder zu identifizieren oder den Nutzen im produktiven Betrieb wirklich zu heben. Hier setzen wir mit unserer tiefen Branchen- und Prozesskenntnis an: Wir helfen unseren Kunden, geeignete Anwendungsfälle zu finden, entwickeln erste Prototypen und begleiten sie bei der Überführung in den produktiven Betrieb. Aufgrund der hohen Relevanz des Themas haben wir Anfang dieses Jahres die 5Plus GmbH als Tochterunternehmen gegründet, die sich gezielt auf eine ganzheitliche KI-Transformation fokussiert.

finanzwelt: An welchen zukünftigen IT-Lösungen arbeiten Sie gerade?

Dr. Schulz: Wir verstehen uns bewusst als unabhängiges Beratungsunternehmen und sind kein Systemhaus. Diese Unabhängigkeit gegenüber Softwareanbietern und eigenen Lösungen ist uns und unseren Kunden wichtig. Eine Ausnahme bilden kleinere KI-Lösungen, da wir hier immer wieder feststellen, dass der Markt bestimmte Bedarfe unserer Kunden noch nicht abdeckt.

finanzwelt: Wie hat sich das Geschäft von Pentadoc 2024 entwickelt, wie ist Ihr Ausblick für dieses Jahr?

Dr. Schulz: Die Versicherungs- und Finanzbranche befindet sich weiterhin im Umbruch und die Nachfrage nach Beratung in den Bereichen digitale Transformation, KI und OperationsPlattformen ist ungebrochen hoch. Entsprechend konnten wir auch 2024 unser Geschäft erfolgreich ausbauen. Diesen Weg wollen wir 2025 konsequent, aber gut dosiert fortsetzen. Denn bei allem Wachstum steht für uns immer an erster Stelle, dass unsere Kunden die gewohnte Qualität und Expertise erhalten. (hs)