Warum Lebensversicherer ihr Betriebsmodell neu justieren müssen

12.12.2025

Dr. Reiner Will, Geschäftsführer Assekurata Rating-Agentur GmbH Foto: © Assekurata

Der Referentenentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge setzt ein deutliches Signal: Staatlich geförderte Vorsorge soll einfacher, transparenter und kapitalmarktorientierter werden. Damit reagiert der Gesetzgeber auf die sinkende Marktdurchdringung bestehender Angebote und die Grenzen des bisherigen Systems (Riester-Rente), das durch strenge Garantievorgaben geprägt war. Ein Kommentar von Dr. Reiner Will, Geschäftsführer Assekurata Rating-Agentur GmbH.

Für die Lebensversicherungswirtschaft bietet die Reform Chancen durch flexiblere Kapitalanlage und chancenorientiertere Produkte. Zugleich verschiebt der Entwurf aber die Wettbewerbsparameter. Kostenposition, Prozessqualität, Auszahlungsmodalitäten, Wechselmechanik und die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Beratung werden künftig noch stärker darüber entscheiden, welche Angebotsformen im geförderten Markt bestehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich weniger die Frage nach „Gewinnen oder Verlieren“, sondern nach den Bereichen, in denen das klassische Geschäftsmodell der Lebensversicherung unter Druck gerät, und welche Stellschrauben im Entwurf nachjustiert werden sollten, um das Ziel „breite, wirksame Altersvorsorge“ nicht durch unerwünschte Nebenwirkungen zu gefährden.

Zwei Produktwelten – und ein neuer Referenzmaßstab

Im Kern führt der Entwurf zwei Produktwelten ein, zum einen einen Altersvorsorgedepot-Vertrag ohne Beitragserhaltungszusage und zum anderen ein Garantieprodukt mit wahlweise 100 % oder 80 % Kapitalgarantie zu Beginn der Auszahlungsphase. Das Depot bildet einen kapitalmarktorientierten Vorsorgeansatz als eigenständigen Förderrahmen ab. Das Garantieprodukt adressiert weiterhin sicherheitsorientierte Sparer, wird aber mit der 80-%-Variante so modernisiert, dass höhere Kapitalmarktquoten grundsätzlich leichter darstellbar werden.

Für Lebensversicherer ist diese Architektur ambivalent. Positiv ist der erweiterte Gestaltungsspielraum in der Kapitalanlage. Gleichzeitig entsteht im Fördermarkt ein neuer Referenzmaßstab durch ein einfaches, kapitalmarktnahes Modell, das in der Kundenwahrnehmung (und in der Vermittlungslogik) schnell zur Benchmark werden dürfte. Versicherungsbasierte Lösungen müssen ihren zusätzlichen Nutzen künftig noch deutlicher erklären und vor allem in einem Kostenrahmen bestehen, der stärker als bisher auf vermeintliche Vergleichbarkeit drängt.

Lebenslange Verrentung – (nur) als optionales Leistungsmerkmal

Das Alleinstellungsmerkmal der Lebensversicherer, die lebenslange Verrentung in der Auszahlungsphase, ist im neuen System nicht mehr verpflichtend vorgesehen. Künftig können sich Altersvorsorgesparer neben lebenslangen Leistungen auch für Auszahlungspläne bis mindestens zum 85. Lebensjahr entscheiden. Dies verändert die Marktlogik grundlegend. Der Versicherungswirtschaft wird es nicht mehr automatisch durch regulatorische Vorgaben zufallen, die Rentenphase bis zum Lebensende zu gestalten. Stattdessen muss die Branche ihren Wertbeitrag als Absicherer von Langlebigkeitsrisiken im Wettbewerb deutlicher herausstellen und die Rentenoption aktiv als Qualitätsmerkmal positionieren. Letztlich gilt: Lebenslange Verrentung ist dort sinnvoll, wo sie den Absicherungsbedarf von lebenslangen Ausgaben deckt, flexible Auszahlpläne dort, wo individuelle Vorsorgeziele und Lebenslagen dies rechtfertigen. Auch die vorgesehene hybride Aufteilung zwischen Sicherungsvermögen und Fondsanlage kann die Marktchancen im Rentenalter erhöhen. Im Gegenzug besteht das Risiko, dass das angesparte Kapital durch Marktschwankungen oder insbesondere durch eine längere Lebenserwartung nicht ausreicht. Sollte dann doch wieder der Staat einspringen (müssen), würde dies dem Förderansatz widersprechen. Daher ist es entscheidend, Transparenz zu schaffen und die Sparer umfassend und klar aufzuklären.

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