Warum Lebensversicherer ihr Betriebsmodell neu justieren müssen

12.12.2025

Dr. Reiner Will, Geschäftsführer Assekurata Rating-Agentur GmbH Foto: © Assekurata

Standardisierung, Kostenvergleich & Entbündelung

Besonders prägend im Entwurf ist der standardisierte Ansatz. Für Standarddepots wird eine Obergrenze der Effektivkosten von 1,5 % eingeführt, berechnet als Renditeminderung nach europäischen Vorgaben wie der PRIIPs-Systematik. Zudem sollen die Abschlusskosten künftig auf die gesamte Vertragslaufzeit verteilt werden. Die Kostenvorgaben wirken nicht nur als Transparenz- und Vergleichsinstrument, sondern setzen starke wettbewerbliche Leitplanken. Kosten werden zum dominierenden Vergleichskriterium, wodurch der Markt Richtung standardisierter, skalierbarer Niedrigkostenmodelle gedrängt wird. Bereits heute lässt sich dies bei der Integration von ETFs in fondsgebunden Lebensversicherungen beobachten. Dies dürfte verstärkt neue Player wie Neobroker und Robo-Advisor auf den Plan rufen, allerdings müssten auch sie den mit der staatlichen Förderung verbundenen Verwaltungsaufwand rund um Zulagen, Steuern, Kostenverteilung und Wechselmöglichkeiten schultern.

Für Lebensversicherer entsteht erheblicher Druck, weil ihre Wertschöpfung weit über das reine Asset Management hinausgeht. Governance, Service, Risikomanagement, Bestandsführung und – je nach Produkt – Sicherheitsmechaniken sind für die Leistungsfähigkeit zentral, werden jedoch im Wettbewerb häufig vor allem als Kosten sichtbar, wenn der Vergleich auf eine einzige Prozentkennzahl verengt wird.

Hinzu kommt, dass der Entwurf eine klare Entbündelung fördert. Zusatzabsicherungen sollen nicht mehr gekoppelt werden und die Hinterbliebenenabsicherung wird im Wesentlichen auf Rentengarantiezeiten begrenzt. Dies reduziert zwar Komplexität, kann jedoch aus Versorgungssicht problematisch sein. Haushalte, die eigentlich integrierte Schutzmechanismen wie Einkommensausfallabsicherungen benötigen, müssen diese künftig außerhalb des geförderten Vorsorgeprodukts organisieren. Diese Fragmentierung birgt das Risiko von Versorgungslücken und ist nicht zwingend einfacher für die Betroffenen.

Anbieterwechsel – neue Anforderungen an Bestand und Verwaltung

Der Entwurf erleichtert den Anbieterwechsel. Abschlusskosten sollen über die Vertragslaufzeit verteilt werden und eine Wechselgebühr ist nur in den ersten fünf Jahren möglich. Danach können Kunden kostenfrei wechseln, was ihre Mobilität erhöht und Wechselbarrieren senkt. Für die Lebensversicherungswirtschaft bedeutet es jedoch eine Verschiebung der Bestandsökonomie. Amortisationsmodelle werden anspruchsvoller, und die Bestandsführung wird zur strategischen Kernkompetenz.

Hier kann die Lebensversicherung Stärken ausspielen, sofern Prozesse und Kostenstruktur mithalten. Denn ein leistungsfähiger Bestand zeichnet sich künftig nicht nur durch Vertragsverwaltung aus, sondern durch Servicequalität, Verständlichkeit, digitale Schnittstellen und eine über die Zeit konsistente Performance- und Nutzenkommunikation. Andererseits kommt auf die Lebensversicherer neuer Verwaltungsaufwand zu, da sie die geschaffene Wechselmöglichkeit aus dem alten in das neue Fördersystem auch für alle bestehenden Riester-Kunden sicherstellen müssen.

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