Wie sich das Lieferkettengesetz auf Wirtschaft und Investments auswirkt

24.02.2022

Sarah Köpfer, Umweltwissenschaftlerin und Leiterin des Kompetenzteams Klimaschutz & Nachhaltigkeit bei Höppner Management & Consultant GmbH / Foto: © Sarah Köpfer

In einer global agierenden Wirtschaft mit internationalen Verflechtungen will das Lieferkettengesetz für mehr Transparenz sorgen. Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in Lieferketten zu verbessern. Die Performance eines Unternehmens im Bereich Corporate Sustainability ist ein bedeutendes Element für Investoren.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bringt es auf den Punkt: „Millionen Menschen leben weltweit in Elend und Not, weil soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit missachtet werden. 79 Millionen Kinder arbeiten weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen – auch für unsere Produkte. Um das zu ändern, hat die Bundesregierung sich auf den Entwurf für ein Gesetz mit dem offiziellen Namen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz geeinigt.“

Das sogenannte Lieferkettengesetz soll damit den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten verbessern. Die Lieferkette (englisch Supply Chain) ist der gesamte Prozess vom Rohstoffabbau und der Bestellung des Kunden bis zur Lieferung und Bezahlung des Produkts oder der Dienstleistung. Globale Lieferketten sind Ausdruck internationaler wirtschaftlicher Verflechtung und transnationaler Organisation von Gütern und Dienstleistungen.

Unternehmen in Deutschland tragen Verantwortung

Nun geht es laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen. Im Fokus steht die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Dafür tragen auch Unternehmen in Deutschland Verantwortung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte eingehalten werden. Das Gesetz legt klare und umsetzbare Anforderungen für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen fest und schafft so Rechtssicherheit für Unternehmen und Betroffene, heißt es weiter.

In einer global agierenden Wirtschaft mit internationalen Verflechtungen will das Lieferkettengesetz für mehr Transparenz sorgen. Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in Lieferketten zu verbessern. Die betreffenden Unternehmen werden verpflichtet, ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement einzuführen und somit negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu verhindern. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Unternehmen werden damit gesetzlich verankert.

Negative Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen vermeiden

Somit gehören Lieferketten in die allgemeine unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategie. Darauf weist beispielsweise die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern hin. „Beim nachhaltigen Lieferkettenmanagement geht es um einen ganzheitlichen und systemischen Blick auf alle Stufen der Lieferkette – vom Direktlieferanten bis zur Rohstoffgewinnung. Das nachhaltige Lieferkettenmanagement ebnet den Weg, negative Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden und so zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.“

Das bedeutet: Unternehmen müssen den Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette bis zur Rohstoffgewinnung erhalten, definieren, wo wesentliche Nachhaltigkeitsthemen und Handlungsfelder liegen, und ebenso, ob und wie ein Unternehmen auch die eigenen Lieferanten zu mehr Nachhaltigkeit in ihren Produktionsprozessen bewegen kann. Dabei ist ein Chancen-/Risiko-basierter Ansatz wichtig. Ein wesentlicher Faktor ist hierbei die Kommunikation und Sensibilisierung der Lieferanten. Ziel muss es sein, die gesamte logistische Wertschöpfungskette so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Die Kernfrage lautet: Unter welchen Arbeitsbedingungen und mit welchen Auswirkungen auf die Umwelt werden Rohstoffe gewonnen, Produkte hergestellt und in den Verkauf gebracht?

Lieferkettengesetz wird für eigene Geschäftstätigkeit und die unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer angewendet

Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern müssen ab Anfang 2023 die Verpflichtungen umsetzen, Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern sind dem Regime ab Anfang 2024 unterworfen. Anschließend wird der Anwendungsbereich des Gesetzes weiter evaluiert. Wichtig: Das Lieferkettengesetz findet für ihre eigene Geschäftstätigkeit sowie für die unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer Anwendung. Das bedeutet, auch wenn Unternehmen selbst nicht direkt vom Lieferkettengesetzt betroffen sein sollten, so ist die Relevanz gegeben, sobald das Unternehmen selbst unmittelbarer beziehungsweise mittelbarer Zulieferer ist. Und somit müssen Unternehmen auch ihre Zuliefererbetriebe auf die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten überprüfen.

Für Investoren hat das Lieferkettengesetz ebenfalls besondere Relevanz. Die Leistungsfähigkeit und die Ergebnisse eines Unternehmens im Bereich der Corporate Sustainability sind mittlerweile wichtige Kennziffern für den dauerhaften Unternehmenserfolg und die Wahrnehmung bei Investoren und anderen Bezugsgruppen. Ethisch und ökologische Lieferketten sind dabei kein Profithemmer, sondern bieten echte Wettbewerbsvorteile durch verantwortungsvolle Ressourcengewinnung und eine hohe Verlässlichkeit in der dringend benötigten Logistik. Auf der anderen Seite können Verstöße gegen nachhaltige Lieferketten zu Schäden für Unternehmen führen. In den Niederlanden zum Beispiel werde Verstöße gegen das Gesetz gegen Kinderarbeit mit Bußen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes geahndet.

Schwachpunkte im nachhaltigen Lieferkettenmanagement können negative Auswirkungen haben

Freilich, für börsennotierte Unternehmen sind die Vorgaben des Lieferkettengesetzes ohnehin Pflicht. Konzerne sind in der Regel auch längst auf Nachhaltigkeitsstrategien eingestellt. Das sind für die meisten Investoren auch die vorrangigen Targets in der Vermögensverwaltung, sodass im Wertpapiermanagement in der Regel für Investoren Sicherheit besteht. Aber was ist mit Private Equity und Venture Capital, Private Debt und Mittelstandsanleihen, mit direkten Unternehmens- und Projektbeteiligungen?

Das sind Instrumente, die auch im kleineren Mittelstand Anwendung finden – und bei denen das Umgehen nachhaltiger Lieferketten durchaus zu Problemen führen können. Denn nur weil Unternehmen keiner rechtlichen Verpflichtung unterliegen, bedeutet das nicht, dass Schwachpunkte im nachhaltigen Lieferkettenmanagement keine negativen Auswirkungen haben können. Daher sollten Investoren bei ihren Investmententscheidungen den Umgang mit nachhaltigen Lieferketten genau überprüfen. Die Rendite hängt zumindest mittelbar mit dem Lieferkettenmanagement zusammen, sodass Lieferketten ein relevanter Faktor für Investoren sind. Finanzberater und Vermögensverwalter sind daher gefragt, ihren Mandanten die Bedeutung des Lieferkettengesetzes zu verdeutlichen und Assets auf dieses Thema hin zu untersuchen.

Gastbeitrag von Sarah Köpfer, Umweltwissenschaftlerin und Leiterin des Kompetenzteams Klimaschutz & Nachhaltigkeit bei Höppner Management & Consultant GmbH