„Wundermittel 4-Tage-Woche?“

08.04.2024

Foto: Guido Zander und Buchcover © Guido Zander / Haufe Verlag

Aktuell ist die 4-Tage-Woche in aller Munde. In seinem Buch „Wundermittel 4-Tage-Woche?“ beschreibt Arbeitszeitexperte Guido Zander, unter welchen Bedingungen diese funktioniert, welche Effekte zu erwarten sind und wo die Grenzen liegen. Ihm geht es darum, die 4-Tage-Woche realistisch und differenziert mit allen Vor- und Nachteilen zu betrachten. Im Interview erklärt Guido Zander, in welchen Fällen eine 4-Tage-Woche sinnvoll eingesetzt werden kann, was internationale Studienergebnisse zeigen und welche praxistauglichen Alternativen es gibt.

Herr Zander, mit dem Buch „Wundermittel 4-Tage-Woche?“ wollen Sie mehr Substanz in die öffentliche Debatte zu diesem Thema bringen. Worum geht es im Kern und welche Zielgruppen sprechen Sie an?

Guido Zander: Es geht darum, die Diskussion jenseits des Hypes auf eine fakten- und ideologiefreie Basis zu stellen. Das Buch positioniert sich weder als Befürworter noch als Gegner dieses Modells, sondern beschreibt, welche unterschiedlichen Ausprägungen der 4-Tage-Woche es gibt, welche Vor- und Nachteile damit jeweils verbunden sind und in welcher Art von Betrieben es sich ggf. einfacher umsetzen lässt als in anderen. Darüber hinaus beschäftige ich mich intensiv mit der Studienlage und zeige auf, was die Studien in Island, der UK und Japan tatsächlich nachweisen konnten, wo aber auch deren Grenzen sind und an welchen Stellen diese im öffentlichen Disput missbräuchlich oder sogar falsch zitiert werden. Am Ende zeige ich noch flexible Alternativen zur 4-Tage-Woche für alle Unternehmen auf, bei welchen das Modell nicht passt oder die andere Wege gehen möchten. Letztendlich ist das Buch für alle geeignet, die sich differenziert mit dem Thema auseinandersetzen und an der Diskussion fundiert teilnehmen möchten, also z.B. Journalisten, Geschäftsführer, Personaler, Betriebsräte, Gewerkschafter oder auch interessierte Mitarbeitende.

In dem Titel Ihres Buches haben Sie bewusst ein Fragezeichen gesetzt. Was sind die häufigsten Vorurteile zu diesem Thema?

Zander: Dass die 4-Tage-Woche überall verlustfrei umzusetzen ist und automatisch die Produktivität oder sogar die Umsätze steigert, weil das ja die Studien angeblich einwandfrei bewiesen hätten.

Sie setzten sich auch gezielt mit den Studienergebnissen aus Island, Japan und UK auseinander. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus? Was hat Sie am meisten überrascht?

Zander: Am meisten überrascht hat mich die Island-Studie, weil es in dieser Studie überhaupt nicht um die 4-Tage-Woche geht, sondern um eine Arbeitszeitverkürzung in kleinen Behörden und Ministerien von 40 auf 36 Stunden, flexibel verteilt auf fünf Tage pro Woche. Wie daraus bei vielen deutschen Medien der Eindruck entstehen konnte, dass die Studie ein Beleg für eine erfolgreiche Umsetzung der 4-Tage-Woche ist, ist mir ein absolutes Rätsel. In der UK-Studie wurde bewiesen, dass eine Absenkung der Arbeitstage von durchschnittlich 4,86 auf 4,52 zu einer deutlichen Reduktion der Krankenquote und mehr Mitarbeiterzufriedenheit in überwiegend kleinen Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche geführt hat. Nicht bewiesen wurde dagegen beispielsweise, dass die Einführung einer 32h-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich in einem mehrschichtigen Industriebetrieb bei Aufrechterhaltung der Produktivität funktioniert.

Was sind Ihrer Meinung nach die klaren Vorteile der 4-Tage-Woche?

Zander: Die 4-Tage-Woche hat dann ihre Stärken, wenn es gelingt, die gleiche Arbeitsleistung von fünf Tagen auch an vier Tagen zu erbringen, ohne dass die Mitarbeitenden überfordert werden. Idealerweise ist der freie Tag dann der Freitag, um ein dreitägiges Wochenende zu ermöglichen. Dann gibt es eine lange Erholungszeit und die Mitarbeitenden kommen montags ausgeruht zur Arbeit. Die Krankenquote dürfte sinken und wenn es gelingt, die Firma am Freitag komplett zu schließen, können Strom und Heizkosten gespart werden und die Mitarbeitenden haben eine Anreise weniger. Wer das bieten kann, wird definitiv auch einfacher neue Beschäftigte gewinnen können.

Wo sehen Sie die Grenzen, wo liegen die größten Nachteile?

Zander: Die Grenzen sind immer dann erreicht, wenn bei einer Arbeitszeitreduktion der resultierende Kapazitätsverlust nicht mehr durch eine individuelle Produktivitätssteigerung ausgeglichen werden kann und dann die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen leidet. Das ist überwiegend dann der Fall, wenn der Job darin besteht, eine Zeitstrecke zu besetzen. Eine Maschine läuft nicht automatisch schneller, nur weil die Bedienenden einen Tag weniger arbeiten und auch in der Pflege wird die Anzahl der gepflegten Patienten pro Stunde nicht durch eine kürzere Anwesenheit höher. In vollkontinuierlichen Schichtsystemen kann zudem pro Tag nicht mehr als acht Stunden gearbeitet werden, d.h. bei vier Tagen ist man automatisch bei einer 30-Stunden-Woche, da von den acht Stunden noch eine Pause von 30 Minuten abgezogen werden muss. Ob dann in 30 Stunden immer und überall das Gleiche rauskommt, wie beispielsweise vorher in 37,5 Stunden, bezweifle ich sehr stark.

Wird die Arbeitszeit nicht reduziert, sondern nur auf vier Tage verteilt, leidet die Flexibilität und es besteht die Gefahr einer Überforderung der Beschäftigten. Denn bei harten körperlichen Tätigkeiten können neun bis zehn Stunden sehr lang werden. Zudem hat man an diesen langen Tagen eher weniger die Möglichkeit, den Nachwuchs zur Kita zu bringen oder abzuholen. Von einer Umsetzung, 40 Stunden auf vier Tage zu verteilen, rate ich komplett ab. Da man lt. Arbeitszeitgesetz pro Tag nicht länger als zehn Stunden arbeiten darf, für 40 Wochenstunden aber mindestens zehn Stunden arbeiten muss, ist dieses Modell komplett unflexibel. Hat man viel zu tun, wird der Tag sehr lang und anstrengend, hat man wenig zu tun, muss man die Zeit absitzen. Das ist alles andere als sinnvoll.