Zwischen Chancen und Herausforderung

20.10.2025

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Versicherungsvermittler stehen in nächster Zeit vor wichtigen Weichenstellungen. Dies betrifft insbesondere die Themenfelder wie die private Altersvorsorge, Regulatorik durch die EU-Kleinanlegerstrategie und digitale Innovationen durch den Einsatz von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Daneben werden die Vermittlerbranche ‚alte Bekannte‘ begleiten, wie der Nachwuchsmangel.

Reform der Altersvorsorge und Rolle der Vermittler

Ein zentrales Thema bleibt die Zukunft der privaten Altersvorsorge. Die Bundesregierung plant zwar, diese zu reformieren, will aber – wie die Vorgängerregierungen auch – erst einmal eine Kommission einsetzen, die Reformvorschläge erarbeiten soll. Wir vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) mahnen aber seit Jahren eine grundlegende Reform insbesondere der Riester-Rente an. Hier fordern wir seit Jahren weniger Bürokratie, flexiblere Ausgestaltung bei Garantiezusagen und eine Erweiterung des förderfähigen Personenkreises. Ohne die Expertise und Einbindung der Vermittler bzw. des BVK drohen praxisferne Regulierungen und ein Vertrauensverlust bei den Kunden. Wir fordern eine rasche Entscheidung der Politik, damit Altersvorsorgesparer endlich Planungssicherheit für die nächsten Dekaden erhalten.

Sorgen bereiten in diesem Zusammenhang dem BVK, Pläne der Koalition für ein standardisiertes Vorsorgeprodukt, das mit reduzierten Abschluss-, Produkt- und Verwaltungskosten auskommen soll. Dies könnte ein Einfallstor sein zu einem ordnungspolitisch problematischen Eingriff in die Vergütung freier Vermittlerbetriebe. Künftige Modelle der Altersvorsorgeberatung dürfen aber nicht zulasten der Vermittler gehen, eine sachgerechte Vergütung ist aus BVK-Sicht zwingend erforderlich. Ein anderer Punkt in diesem Themenfeld ist die von der Bundesregierung geplante Frühstart-Rente, mit der sich Kinder ab sechs ein Altersvorsorgekapital bis zum Renteneintritt aufbauen sollen. Doch auch hier muss man schauen, wie die konkrete gesetzliche Ausgestaltung aussehen wird und ob die Expertise unseres Berufsstands miteinbezogen wird.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Finfluencer

Nach einer Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) orientieren sich mehr als die Hälfte der Anleger aus den jungen Generationen Y und Z an Anlageempfehlungen von Finfluencern. Das ist nicht unproblematisch, da hier teilweise Personen in Sozialen Medien agieren, deren Anlageempfehlungen zumindest fragwürdig sind. Deshalb haben wir zu den Geschäftspraktiken von Finfluencern ein Gutachten von dem renommierten Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski erstellen lassen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass Finfluencer Anlageempfehlungen oder Anlagestrategien in Sozialen Medien verbreiten dürfen, solange die Informationen objektiv richtig dargestellt und Interessenkonflikte offengelegt werden. Empfehlen Finfluencer Gelegenheiten zum Vertragsabschluss, gelten sie als Tippgeber und müssen etwaige Vergütungen offenlegen. Unterlassen sie dies, verstoßen sie gegen die Objektivitätspflicht und riskieren Bußgelder sowie Schadensersatzforderungen. Vermitteln Finfluencer sogar aktiv Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen, erfüllen sie die Anforderungen eines Vermittlungs- und Beratungsvertrags und benötigen hierfür eine gewerberechtliche Zulassung. Fehlt diese, handeln sie rechtswidrig und riskieren Bußgelder, Strafbarkeit und Nichtigkeit der vermittelten Verträge. Deshalb führt uns das Ergebnis des Gutachtens zu der Forderung, dass die BaFin und die IHKn durch geeignete Stichproben dafür sorgen sollten, dass Finfluencer, die Anlagevermittlung und -beratung ohne gewerberechtliche Zulassung betreiben, aus dem Markt genommen werden. Ihre Tätigkeit muss unterbunden werden. Denn eins sollte klar sein: Wir benötigen in einer funktionierenden Marktwirtschaft gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle.

Technologischer Wandel, Digitalisierung und KI

Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung sowie neue digitale Geschäftsmodelle verändern das Berufsbild des Versicherungsvermittlers grundlegend. Vermittler müssen ihre Geschäftsprozesse zunehmend digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der BVK hat dazu schon im letzten Jahr ein Positionspapier zur KI vorgelegt und darin die Rahmenbedingungen umrissen, wie die KI fruchtbar für die Vermittler- und Versicherungsbranche angewendet werden kann. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Mitglieder mit Weiterbildungskursen, speziellen Publikation und Workshops zur KI-Anwendungen.

Regulatorischer und bürokratischer Aufwand

Uns berichten viele Vermittlerbetriebe über den steigenden bürokratischen Aufwand, sei es bei Datenschutz, Produkthaftung oder Berichts- und Dokumentationspflichten zum ESG-Komplex. Gerade kleinere Betriebe können diesen Aufwand nicht stemmen bzw. verfügen nicht über das Personal, um den Berichtspflichten gerecht zu werden. Daher drohen sie, zunehmend durch steigende Komplexitäts- und Bürokratiekosten aus dem Markt gedrängt zu werden. Dies kann fatale Folgen für die persönliche Beratungspraxis im ländlichen Raum haben. Ein effizienter Abbau von Bürokratie steht daher ganz oben auf der Agenda des BVK. Unsere Forderung lautet: praxisnahe, verhältnismäßige Regulierung statt Detailversessenheit und Misstrauenspolitik. Zudem sollten erst einmal die in den letzten Jahren in Kraft getretenen Regelwerke evaluiert werden, bevor wieder neue beschlossen werden.

FAZIT

Die kommenden Jahre werden für Versicherungsvermittler von tiefgreifenden Veränderungen geprägt sein, regulatorisch, technologisch und demografisch. Der BVK fordert dabei eine Herangehensweise, die die Vermittler nicht nur als Vertriebspartner, sondern auch als tragende Säule der sozialen Absicherung anerkennt. Gleichzeitig bietet der Wandel Chancen: Für den Vertrieb neuer Produkte (wie die Frühstart-Rente). Wer sich frühzeitig anpasst und seinen Vertrieb umfassend modernisiert, kann neue Kundengruppen erschließen und sich als moderner Dienstleister positionieren.

Ein Beitrag von Michael H. Heinz, Präsident, Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)