Berufsunfähigkeit wegen Alkoholsucht?

23.09.2025

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

In Deutschland wird etwa jeder vierte Erwerbstätige im Laufe seines Lebens berufsunfähig – oft durch psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen wie Alkoholsucht (Quelle:  Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV)). Berufsunfähigkeit wegen Alkoholsucht ist keine Seltenheit. Dabei ist Alkoholsucht keine Charakterschwäche, kein fehlender Wille oder eine bloße Laune.

Sie ist „eine Krankheit“, was bereits das Bundessozialgericht 1968 feststellte (BSG, 18.06.1968 – 3 RK 63/66). Mit rund 1,6 Millionen Betroffenen gehört Alkoholsucht zu den häufigsten chronischen Erkrankungen (Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.). Doch ob die Berufsunfähigkeit wegen Alkoholsucht tatsächlich einen Leistungsanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung  auslöst, ist fraglich. Der folgende Artikel zeigt, worauf es im Ernstfall ankommt und welche Stolperfallen es zu vermeiden gilt.

Wann liegt die Berufsunfähigkeit wegen Alkoholsucht vor?

Wenn man von der Berufsunfähigkeit spricht, meint man eigentlich die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit. In der Regel liegt Berufsunfähigkeit dann vor, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich dauerhaft (mindestens sechs Monate) außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50 % auszuüben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versicherte grundsätzlich noch arbeiten kann, sondern ob er seinem konkreten Beruf – in der zuletzt ausgeübten Form – mindestens 50 % nachgehen kann (siehe auch: Welcher Beruf ist bei Berufsunfähigkeit versichert?).

Die Berufsunfähigkeit wegen Alkoholsucht kann diese Voraussetzung erfüllen, etwa wenn die Erkrankung zu kognitiven Einschränkungen, körperlichen Folgeerkrankungen oder psychischen Begleiterkrankungen (z. B. Depressionen, Angststörungen) führt, die eine Berufsausübung unmöglich machen bzw. die Voraussetzungen der BU-Klausel eines Versicherungsvertrages (siehe oben) damit erfüllt sind.

Alkoholsucht als anerkannte Erkrankung

Alkoholsucht ist eine medizinisch anerkannte chronische Krankheit. Die WHO klassifiziert sie unter der ICD-10 als „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“. ICD steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“. Sie ist ein weltweit einheitliches System zur Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen und stellt für Ärzte, Krankenhäuser und Versicherungen einen einheitliche Diagnoseschlüssel dar.

In schweren Fällen kann die Alkoholerkrankung zu erheblichen funktionellen Einschränkungen führen – bis hin zur völligen Arbeitsunfähigkeit. Gerichte erkennen Alkoholsucht im Einzelfall als möglichen Auslöser für eine Berufsunfähigkeit an. Entscheidend ist jedoch der Nachweis, dass die Suchterkrankung in ihrer Ausprägung tatsächlich die Arbeitsfähigkeit in der konkret ausgeübten Tätigkeit nicht unerheblich einschränkt (vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.03.2008 – 7 U 224/05, LG München I, 22.03.2006 – 25 O 19798/03).

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