Das ist beim Vererben von Immobilien zu beachten

12.05.2020

Dr. Christopher Riedel LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater / Foto: © Christopher Riedel

Vererbung von Immobilien besondere Herausforderung

Indes: So einfach die Bewertung des Pflichtteils klingt, so komplex kann dies in der praktischen Gestaltung sein. Das Pflichtteilsrecht kennt vielfältige Konstellationen, die Erblasser und grundsätzlich Pflichtteilsberechtigte beachten müssen. Ohne gute Beratung entstehen schnell rechtlich konfliktträchtige Probleme. Vermögensschutz sieht natürlich anders aus – der Pflichtteil hat genügend Sprengkraft für weitreichende Reduzierung eines aufgebauten Familienvermögens, das ja in der Regel mit Plan und Struktur weitergeben werden soll. Finanzberater und Vermögensverwalter befinden sich als enge Vertraute ihrer Mandanten in der richtigen Position, für dieses wichtige Thema sensibilisieren und frühzeitig die richtigen Fragen zu stellen.

Vor allem bei der Vererbung von Immobilien stellen sich besondere Herausforderungen. Das sogenannte Familienheim stellt häufig den größten beziehungsweise wertvollsten Einzelgegenstand innerhalb des insgesamt vorhandenen Vermögens dar. Daher nimmt das Familienheim auch eine besondere Rolle im Gesamtportfolio ein, und zwar als finanzieller und emotionaler Wert. Im Fokus steht daher für viele Vermögensinhaber der Schutz des Familienheims vor Beschädigung.

Je höher der immobile Wert, desto problematischer der Ausgleich aus Barmitteln

Somit stellt sich die Frage: Was passiert, wenn der Hauptteil des Erbes in einer Immobilie gebunden ist? In einem solchen Fall kann es für den Erben nötig werden, die Immobilie zu verkaufen und damit das Familienvermögen zu schädigen, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Das gilt natürlich auch bei Renditeimmobilien – je höher der immobile Wert, desto problematischer der Ausgleich des Pflichtteilsanspruchs aus Barmitteln. Und nur weil die Corona-Pandemie für eine Abkühlung am Immobilienmarkt sorgt, bedeutet das nicht, dass die Werte für interessante Objekte jetzt in den Keller gehen.

Konkret bedeutet das: Hinterlässt also beispielsweise ein alleinstehender Erblasser ein Vermögen im Wert von (netto, nach Abzug aller Schulden) 1,2 Millionen Euro, wovon eine Million Euro auf das Familienheim entfallen, und soll eines der beiden Kinder nichts erhalten, steht diesem von Gesetzes wegen ein Viertel als Pflichtteil zu, also eben die Hälfte der regulären Quote von 50 Prozent. Das sind in diesem Rechenbeispiel 300.000 Euro. Da das Erbe aufgrund der Größenordnung auch noch der Erbschaftsteuer unterfällt, muss der Alleinerbe auf den über den Freibetrag von 400.000 Euro hinausgehenden Betrag 15 Prozent Erbschaftsteuer zahlen. Somit geht der Baranspruch des Pflichtteilsberechtigten weit über das hinaus, das an liquidem Vermögen vorhanden ist. Der zur Zahlung verpflichtete Erbe muss dieses Geld also aus eigenem Vermögen oder eben dem Verkauf des Familienheims aufbringen. In jedem Falle führt der Pflichtteil in diesem beispielhaften (aber nicht unrealistischen) Szenario zu einer kurzfristigen Schädigung des Vermögens des Erben.

Ob ein Pflichtteilverzicht gegen Abfindung sinnvoll ist, lesen Sie auf Seite 3