"Der Optimismus ist groß"

25.06.2021

Dr. Jens Erhardt, Gründer DJE Kapital AG / Foto: © DJE

Die Fed geht aktuell mehrheitlich von ersten Zinsschritten im Jahr 2023 aus. Wird es so kommen? Ehrhardt: Der Markt hat zuletzt so reagiert, als sei die Zinserhöhung 2023 beschlossene Sache. Wenn man allerdings genau hinhört, hat Fed-Chef Jerome Powell zuletzt immer die Flexibilität der Geldpolitik betont. An erster Stelle stehen die Arbeitsplätze, das sagt er immer wieder – und die Inflation kommt im zweiten Satz. Die US-Regierung ist arbeitnehmerfreundlicher als früher, und die Verantwortlichen werden sich hüten, zu schnell zu viel zu machen. Ob die Zinsschritte wie erwartet kommen, ist für mich noch nicht entschieden.Die Renditen der US-Staatsanleihen sinken seit April, während zugleich der Anstieg der Verbraucher- und Produzentenpreise regelmäßig über den Erwartungen liegt. Wie erklären Sie das? Ehrhardt: Wenn der Rentenmarkt trotz stark steigender Inflation freundlich tendiert, zeigt dies, dass die Anleger dort die Konjunkturaussichten offenbar skeptischer beurteilen als viele Aktienanleger. Es gibt aber auch Sonderfaktoren. Zum Beispiel hat das US-Finanzministerium eine quantitative Lockerung von historischem Ausmaß betrieben, über hunderte Milliarden US-Dollar – und dieses Geld muss angelegt werden. Es liegt bei den Banken, die kaufen vor allem Anleihen. Sobald das Geld ausgegeben ist, könnte der Rentenmarkt wieder schwächer tendieren. Insgesamt reichen mir die Signale vom Rentenmarkt nicht aus, um daraus bereits auf eine schwächere US-Konjunktur zu schließen.Glauben Sie, dass die Inflation dauerhaft steigt? Ehrhardt: Kurzfristig sind noch einige negative Überraschungen bei der Inflation möglich. Auf Sicht von ein bis zwei Jahren könnte sich die Lage aber deutlich verbessern. Wir haben aktuell vor allem eine Güterinflation durch zahlreiche Engpässe. Die Marktwirtschaft ist aber so flexibel, dass bei steigenden Preisen auch die Produktion rasch steigen kann und die Güterpreise wieder nach unten gehen. Auf Dauer müsste man womöglich eher die Serviceinflation beobachten. Aber auch hier gibt es zum Beispiel in den USA ein riesiges ungenutztes Arbeitskräftepotenzial, was auch die Serviceinflation in Grenzen halten könnte.

Wie geht es bei der Anlageklasse Gold weiter? Ehrhardt: Ich bin eigentlich ein großer Gold-Fan. Denn: Das Gelddrucken ist ein weltweiter Langfristtrend, und davon müsste Gold profitieren – zumal bei niedrigem Realzins. Aktuell bin ich dennoch eher vorsichtig, denn die Produktionszahlen bei Gold steigen, und es kommt auch mehr Altgold auf den Markt. Außerdem haben im vergangenen Jahr verunsicherte Anleger viel Gold gekauft, vor allem in Form von ETFs, während sich traditionelle Käufer, etwa aus Indien und China, zurückgehalten haben. Die ETF-Käufer könnten angesichts steigender Aktienkurse eher wieder verkaufen, was den Goldpreis drücken würde. Auch die Charttechnik spricht bei Gold für eine eher vorsichtige Haltung.

In welche Richtung läuft der US-Dollar? Ehrhardt: Eine klare Aussage ist schwierig, denn es gibt gegensätzliche Einflüsse. Von der Kaufkraft her ist der US-Dollar überbewertet, dazu sprechen auch die sehr hohen Handelsbilanz- und Staatsdefizite in den USA für einen schwachen US-Dollar. Andererseits gibt es am Markt derzeit viele Dollar-Pessimisten – der US-Dollar ist stark geshortet, was ihn markttechnisch unterstützen sollte. Außerdem fließen Gelder meistens in das Land, in dem die Konjunktur am besten läuft, und da die Amerikaner weiterhin geld- und fiskalpolitisch stark stimulieren, wird der US-Dollar dadurch Rückenwind bekommen. Insgesamt erwarte ich, dass kurzfristig die Auftriebskräfte vorherrschen könnten, während der US-Dollar langfristig gegenüber stabilen Währungen wie dem Yen nachgibt.

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