Der Star-Fondsmanager stirbt aus – was nun?

03.04.2023

Carsten Lootze, Senior Director, Strategic Communications FTI Consulting / Foto: © FTI

Schillernde Fondsmanager-Persönlichkeiten waren jahrelang die Aushängeschilder von Asset Managern – und gut fürs Geschäft. Doch die Spezies der Star-Fondsmanager stirbt aus, und zwar aus mehreren Gründen. Daher brauchen Asset Manager neue Ansätze, um sich im weiter zunehmenden Wettbewerb zu behaupten.

Der eine leitete tagsüber eine der größten deutschen Fondsgesellschaften und griff abends in die Gitarrensaiten, um mit seiner Band Evergreens der 50er und 60er Jahre vor Publikum auf die Bühne zu bringen (macht er übrigens noch heute). Ein weiterer stilisierte sich mit weißen Anzügen und mephistophelischem Lächeln zur Investment-Ikone der Schwellenländer und hielt noch mit über 80 Jahren daran fest. Ein anderer sammelt in seinem Büro millionenschwere Gemälde, etwa von Andy Warhol, und lässt seine Kundenveranstaltungen von den Rolling Stones, Lou Reed oder Jamie Cullum rocken. Dann war da noch einer, der hatte als Kunsthistoriker promoviert, bevor er sich Unternehmensanalysen und Portfoliomanagement widmete. Und es gab zum Beispiel auch eine junge Mineralogin, die in Afrika, Lateinamerika und Australien im Staub von Edelmetallminen verschwitzt nach Anlageideen suchte.

Schillernde Persönlichkeiten schaffen Aufmerksamkeit

Solche bunt-anekdotischen Lebensgeschichten von Fondsmanagern sind auf den ersten Blick ein Glücksfall, um Asset Manager im Rahmen der Kommunikationsarbeit ins rechte Licht zu rücken. Denn sie helfen dabei, sich aus der Masse Tausender Portfoliomanager und Hunderter Fondsgesellschaften abzuheben. Journalisten erzählen sie gern weiter – prominent platziert, großformatig und mit bunten Bildern versehen. Aspekte wie Anlagestrategien, Markteinschätzungen oder Wertentwicklungen können darüber mitunter zur Nebensache geraten. Und das mag durchaus von Nutzen sein, etwa wenn die Wertentwicklung des Portfolios gerade eher verhalten ist. Denn die persönliche Geschichte bleibt gut, auch wenn die Performance mal schlecht ist.

Drei große Entwicklungen verdrängen Star-Fondsmanager

Doch die Asset-Management-Branche verändert sich, Star-Fondsmanager sterben aus. Das gilt insbesondere für die großen Häuser, während kleinere Boutiquen schon allein aufgrund ihrer Strukturen mitunter nach wie vor stark auf einzelne Personen fokussiert sind. Für dieses Aussterben gibt es vor allem drei Gründe: Erstens, weil Gründer-Legenden alten Schlages in den Ruhestand gehen und ihre Nachfolge auf mehrere Schultern verteilen. Zweitens, weil vor allem große Asset Manager zunehmend auf Manager-Teams setzen – um im Falle von Abgängen prominenter Aushängeschilder kein Vakuum zu erleiden und um Diversität bei Anlageentscheidungen zu fördern. Drittens, weil im Zuge der Digitalisierung Quant-Strategien, Algorithmen, künstliche Intelligenz sowie klassische und börsennotierte Indexfonds (ETFs) auf dem Vormarsch sind. Diese kommen per Definition ohne charismatische Fondsmanager als Zugpferde aus.

Der Fonds selbst soll nun zum Star werden

In der Konsequenz gehen Anbieter dazu über, die Fonds selbst zu Stars machen zu wollen. Doch nicht nur, dass entsprechende Stories schnell technisch und abstrakt werden können – sprich medial schwer verdaulich. Die scheinbare Lösung führt letztendlich zum gleichen Problem. Denn ob nun ein Star-Fondsmanager im Fokus steht oder der Fonds selbst – in beiden Fällen gerät die Kommunikation zu eindimensional, und sie ist abhängig von einem einzigen Faktor. Kippt dieser Faktor, kippt auch die Story. Dass Asset Manager ihre Kommunikation vielfach so einseitig gestalten, überrascht umso mehr, da dies gegen einen der wichtigsten Grundsätze ihrer eigenen Branche verstößt: dem der Risikostreuung oder – wie es im Branchenjargon heißt – Diversifikation. Geht es um das Thema Geldanlage, werden die Experten nicht müde zu betonen, Anleger sollten nicht zu einseitig investieren. Doch das Mantra „nicht alle Eier in einen Korb legen“ gilt nicht nur für Investments, sondern auch für die Kommunikation. Andernfalls lauern hier gravierende Reputationsrisiken.

Reputationsrisiken zeigen sich aktuell ganz real

Dass diese Risiken nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt das aktuelle Marktumfeld sehr eindrücklich: Angesichts erhöhter Volatilität und anhaltend trüber Stimmung an den Börsen hat es Asset Managern mitunter im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen. Sie sind mitunter gar nicht mehr sprechfähig, weil die Wertentwicklungen ihrer Fonds, die zuvor im Fokus der Kommunikationsstrategien standen, massiv unter die Räder gekommen sind. Dies gilt keineswegs nur für spezialisierte Boutiquen mit einigen wenigen, ähnlichen Produkten. Dadurch, dass 2022 verschiedenste Anlageklassen nahezu synchron in die Knie gingen[1], sind auch breit aufgestellte Universalanbieter mit unterschiedlichsten Anlagelösungen betroffen.

Die Lösung hierfür heißt: Diversifizierung. Sie besteht auf einer ausbalancierten Kommunikationsstrategie, die im Kern auf mehreren Säulen fußt. Je mehr Pfeiler diese Kommunikationsstrategie stützen, umso stabiler und krisenfester ist diese. Zum Beispiel, wenn die Wertentwicklung der Fonds zwischenzeitlich schwächelt. Oder wenn die Marktsegmente, in denen ein Asset Manager Expertise besitzt, insgesamt unter Druck stehen und daher bei Medien und Investoren gerade weniger gefragt sind. Dann können relativ markt- und produktunabhängige Themen in den Fokus rücken und dafür sorgen, als Anbieter sprechfähig zu bleiben. Und das bedeutet: visibel gegenüber bestehenden und potenziellen Investoren.  

Vom Marktexperten über den Branchenvordenker bis zum Kundenversteher

Grob skizziert, könnte eine dementsprechende Kommunikationsstrategie beispielsweise auf drei Säulen beruhen: Erstens auf der Positionierung als Marktexperte mit hauseigenem Research, starken Marktmeinungen, erfahrenen Portfoliomanagern und einer umfassenden Integration nachhaltiger Anlagekriterien. Zweitens als Branchenvordenker zu Themen, welche das Asset Management langfristig prägen können – etwa Möglichkeiten des technologischen Fortschritts in Portfoliomanagement und Vertrieb, die Vorteile vielfältig aufgestellter Teams, neue Arbeitsmodelle und der Vormarsch indexbasierter Anlagestrategien. Und drittens auf der Positionierung als Kundenversteher. Das mag etwas salopp klingen. Aber für den Vertriebserfolg ist es ausschlaggebend, Anlegern überzeugend zu signalisieren: Wir kennen eure Herausforderungen, wissen um relevante regulatorische beziehungsweise steuerliche Veränderungen und können daraus Lösungsideen ableiten.

Angesichts des intensiven Wettbewerbs und volatiler Märkte sollte eine derart diversifizierte Kommunikationsstrategie für Asset Manager heute State-of-the-Art sein. Frei nach dem Motto: Der Star-Fondsmanager ist tot – es lebe der Asset Manager!

[1] Quelle: onvista.de. Aktien gemessen am MSCI World, Anleihen gemessen am Bloomberg Barclays Global Aggregate Bond Index.

Gastbeitrag von Carsten Lootze,
Senior Director, Strategic Communications FTI Consulting