Die Verwertung von Kundenkontakten nach Ausscheiden des Versicherungsvermittlers – Ein rechtlicher Fallstrick

09.12.2021

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Der BGH folgt dabei konsequent der am Leitbild des §90 HGB entwickelten „Gedächtnis-Rechtsprechung“: Es dürfen nur die Kunden angeschrieben werden, deren Kontaktdaten dem ausgeschiedenen Vermittler im Gedächtnis geblieben sind. Jedwede andere Kontaktaufnahme kann eine unzulässige Nutzung zwecks Gewinnerzielung darstellen (OLG Saarbrücken: Unbefugte Verwertung von Kundenadressen). Über das Leitbild der Gedächtnis-Rechtsprechung hinaus ist es dem Handelsvertreter absolut untersagt in seinen persönlichen Unterlagen vorhandene Kundendaten zu verwerten, dies umfasst auch unvollständige Kundenkontakte, die Anschriften müssen tatsächlich vollständig aus dem Gedächtnis aufgerufen werden (BGH: Unzulässige Verwertung von Kundendaten aus persönlichen Unterlagen).

Geschäftsraumdurchsuchung kann die Konsequenz sein

Besteht der Verdacht auf unzulässige Nutzung der alten Kundenstammdaten, so kann im Wege der Geschäftsraumdurchsuchung die Sicherstellung der Aufzeichnungen gegen den ausgeschiedenen Vermittler erwirkt werden. Jedoch reicht das körperliche Vorhandensein der Stammdaten beim Vermittler oder in seinen Geschäftsräumen nicht aus, um eine wettbewerbswidrige unlautere Handlung gem. §§ 3, 3a UWG anzunehmen. Vielmehr muss eine „Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr“ der unzulässigen Wettbewerbshandlung bewiesen werden (OLG Saarbrücken v. 24.07.2002 – Az. 1 U 901/01). Insbesondere ist die Erstbegehungsgefahr einer unlauteren Datenverwertung dann anzunehmen, wenn der ausscheidende Vermittler seine ehemals betreuten Kunden selbst anschreibt und dieses Schreiben auf die Abwerbung der Kunden zielt, dies gilt während und nach Beendigung des Vermittlerverhältnisses (BGH v. 22.04.2004 – I ZR 303/01).

Gedächtnis-Rechtsprechung immer noch aktuell

Der BGH folgt seiner „Gedächtnis-Rechtsprechung“ rigoros, so dass ausdrücklich der Rückgriff auf Daten, die während des Arbeits- oder Auftragsverhältnisses schriftlich niederlegt wurden, verboten ist. Dies wird dann sehr streng gehandhabt, wenn der Vermittler von den Versicherern Antragsformulare erhält und diese mit Kundendaten ausfüllt. Von ausgefüllten Antragsformularen, auch wenn sie noch keine Details zum Versicherungsschutz enthalten, dürfen keine Abschriften gemacht werden (LG Köln v. 21.01.2010 – 31 O 678/09). Eine unbefugte Datenverschaffung liegt auch dann, vor wenn nach Beendigung des Vertreterverhältnisses weiterhin auf Notizen zurückgegriffen wird, die der Vermittler selbst während des bestehenden Verhältnisses angefertigt hat (BGH Urteil v. 26.02.2009 – Az. I ZR 28/06). Die Weiter- oder Wiederverwendung der Kundendaten, die der Vermittler selbst angeworben hat,  ist untersagt, dies gilt absolut. Eindeutig wettbewerbswidrig ist es, die gewonnen Kundenstammdaten zu veräußern (LG Köln v. 21.01.2010 – 31 O 678/09).

Im digitalen Zeitalter sind die in den sozialen Arbeitsnetzwerken (wie XING) niedergelegten Kundenkontakte im gleichen Maße als Betriebsgeheimnisse zu bewerten, wie Kundenkontakte die schriftlich niedergelegt wurden. Die in ihnen gespeicherten Kundenlisten enthalten eine Auflistung von Kunden, die als potenzielle Produktabnehmer in Betracht kommen und sind für den Unternehmer von Geheimhaltungsinteresse (BGH v. 17.10.2006 – I ZR 126/03). Hiervon ausgenommen sind solche Netzwerkkontakte die während des Arbeitsverhältnisses aufgrund von privaten Sympathien aufgenommen werden, Daten die dem privaten Bereich zuzuordnen sind stellen kein Geschäftsgeheimnis dar (AG Hamburg v. 24.01.2013 – 29 Ga 2/13).

Autor: Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB