Geldpolitik: Eurozone und USA driften auseinander

15.04.2024

Nicolas Forest. Foto: Candriam

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist bereit, die Zinssätze zu senken – und zwar unabhängig von der Federal Reserve (FED), zumindest auf sehr kurze Sicht. Bei der letzten Sitzung war die Botschaft klar: Die Argumente häufen sich, dass die Währungshüter den Lockerungszyklus im Juni beginnen. Denn die Inflationsrate verlangsamt sich in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels, die Löhne bewegen sich in die richtige Richtung und es gibt einen klaren Konsens unter den EZB-Ratsmitgliedern.

Damit stehen die Pläne der EZB in einem deutlichen Gegensatz zu denen der Fed: Diese scheint aus Sorge über den Wiederanstieg der Inflation auf 3,5 Prozent im März einen Rückzieher zu machen und es ist wahrscheinlich, dass sie ihren Lockerungszyklus auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschieben wird.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird einen anderen Ansatz wählen und eine geldpolitische Strategie verfolgen müssen, die von der Fed unabhängig ist. Dies ist angesichts ihrer restriktiven Haltung und deren Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft besonders kritisch. Wir rechnen zwar immer noch damit, dass nach dem ersten Zinsschritt im Juni zwei weitere Zinssenkungen erfolgen. Aber Lagarde wird sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Pfad für künftige Zinssenkungen festlegen. Sie wird ihre Entscheidungen weiterhin von den Daten abhängig machen und die Situation von Sitzung zu Sitzung bewerten. Dieser Ansatz ist besonders umsichtig, denn die Ölpreise klettern angesichts geopolitischer Risiken und einer stärkeren Nachfrage in naher Zukunft auf neue Höchststände. Die größte Befürchtung ist, dass die Gesamtinflation wieder ansteigen könnte.

Marktkommentar von Nicolas Forest, CIO bei Candriam.