"Krieg ist derzeit der bestimmende Faktor für die Rohstoffe"

29.03.2022

Daniel Rauch, Fondsmanager und Rohstoff-Experte LBBW Asset Management / Foto: © LBBW

Viel wird dieser Tage über Rohstoffe gesprochen. Nicht nur beim Blick auf die Tanksäule. Wie ist der weitere Ausblick auf diese vielschichtige Assetklasse? Daniel Rauch, Rohstoff-Experte bei der LBBW Asset Management, im finanzwelt-Interview.

finanzwelt: 2021 war ein Jahr, in dem einige Rohstoffpreise auf neue Rekordhochs geklettert sind. Mitunter hält diese Rallye bei einigen Rohstoffen an. Wie ist Ihre Einschätzung für die kommenden Monate? Daniel Rauch: Wäre diese Frage Anfang des Jahres gestellt worden, hätte man sie guten Gewissens mit einem positiven Ausblick beantworten können. Per Schlusskurs 8.3.2022 hat der Rohstoffmarkt allerdings bereits eine Kursrallye von mindestens 40 Prozent hinter sich. Da stellt sich die Frage, was von diesem Niveau aus noch kommen soll. Es ist zweifellos richtig, dass ein Aufschwung am Rohstoffmarkt lang anhalten kann, weil das Angebot bei vielen Rohstoffen auch in Zeiten der Knappheit oftmals nur langsam ausgeweitet wird. Das führt zu Engpässen und letztendlich zu steigenden Notierungen. Durch den Krieg in der Ukraine erleben wir jedoch bei verschiedenen Rohstoffen eine rasche und heftige Verschärfung der ohnehin angespannten Angebotssituation. Die Einschätzung für die kommenden Monate hängt somit vor allem von der weiteren Entwicklung in der Ukraine ab. Je länger der Krieg dauert und je umfassender die Sanktionen gegenüber Russland werden, desto eher steigen die Preise am Rohstoffmarkt.

finanzwelt: Welche Faktoren könnten die Verteuerung weiter anheizen? Rauch: Problematisch wird es, wenn der Krieg in der Ukraine in einen monatelangen Konflikt übergeht. Die Sanktionen gegenüber Russland werden in der Folge dann voraussichtlich ausgeweitet, wodurch die Gefahr besteht, dass Russland die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zur Förderung der Rohstoffe reduziert. Sicherlich kann ein Staat einen gewissen Zeitraum ohne adäquate Ausgaben in den Erhalt der Infrastruktur und die Erschließung neuer Vorkommen abdecken. Mittelfristig werden sich geringe Investitionen jedoch in reduzierten Förderkapazitäten bemerkbar machen.

Speziell am Energiemarkt würde sich auch ein Scheitern der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA/Europa negativ bemerkbar machen und die Verteuerung weiter anheizen. Die Aufhebung der Sanktionen gegenüber dem Iran und der damit verbundene Zugang von iranischem Rohöl für die Weltmärkte wird von vielen Marktteilnehmern als (Teil-)lösung für den angespannten Energiemarkt gesehen.

finanzwelt: Mit Blick auf die Vielfalt an Rohstoffen. Wo erkennen Sie die attraktivsten Chancen (Industriemetalle, Gold/Silber)? Rauch: Chancen bieten sich in den Rohstoffen, die eine strukturelle Knappheit aufweisen. Das ist bei vielen Basismetallen der Fall. Darüber hinaus ist die Förderung von Basismetallen in der Regel energieintensiv, was die Förderkosten bei dem derzeitigen Preisgefüge weiter steigen lässt. Des Weiteren sind Zweitrundeneffekte durch Lohnsteigerungen für die Mitarbeiter eines Förderunternehmens nicht zu vernachlässigen. Diese sind im Gegensatz zu Energiepreisen von dauerhafter Natur und verteuern im Zeitablauf die Förderung des Rohstoffs. Allerdings rate ich von dem derzeit heiß diskutierten Basismetall Nickel dringend ab. Wenn der Nickelwert in der amerikanischen 5-Cent-Münze seinen Nennwert übersteigt, ist Vorsicht geboten.

finanzwelt: Könnte Gold im Besonderen in den kommenden Monaten profitieren? Rauch: Beim Gold verschieben sich aktuell die Koordinaten bei den Investoren. In den ersten Wochen dominierte die Befürchtung, dass der Goldpreis durch steigende Zinsen vor allem in den USA zurückbleiben werde. Doch der Krieg in der Ukraine überlagert momentan alles und wirkt für die Inflation wie ein Brandbeschleuniger. Auch ist noch nicht abzusehen, wie die die großen Zentralbanken reagieren und ob sie den Pfad der Zinserhöhung in dem Umfang bestreiten, der in den ersten Wochen des Jahres prophezeit wurde. Insbesondere wenn der Realzins weiterhin im negativen Terrain verharrt und sich Staaten durch Subventionen im Energiebereich weiter verschulden, wird der Goldpreis wieder mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Investoren bekommen. Letztlich darf man aber nicht vergessen, dass Energie, Industriemetalle und Agrarrohstoffe Inflation verursachen, wogegen Gold vor allem auf Inflation reagiert.

finanzwelt: Welchen Einfluss hat die kriegerische Auseinandersetzung in Russland für die Rohstoffmärkte (z.B. Agrarrohstoffe)? Rauch: Der Krieg in der Ukraine ist derzeit der bestimmende Faktor für die Rohstoffe. Lediglich Genussmittel wie Kaffee, Kakao oder mit Abstrichen auch der Bleimarkt sind noch nicht stark betroffen.

finanzwelt: Wie sollte man in Rohstoffe investieren? Rauch: Das Jahr 2021, insbesondere jedoch die letzten Tage im Jahr 2022, haben eindrucksvoll gezeigt, dass man im Rohstoffbereich eine Anlageform wählen sollte, die einen breiten Rohstoffmarkt möglichst effizient abbildet. Sicherlich kann ein Investor mit dem richtigen Gespür für einen einzelnen Rohstoff und aktivem Tausch der Rohstoffe einen höheren Ertrag erzielen. Allerdings sind dafür ein fundierter Einblick in den Rohstoffmarkt und viel Zeit notwendig. (ah)