Nachhaltigkeitsabfrage nach MiFID weltfremd und nicht umsetzbar

18.09.2023

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW e.V. Foto: © Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e.V.

Gastbeitrag von Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW e.V. 

Trotz der nachfolgend aufgeführten Herausforderungen sind die Bemühungen der EU, Nachhaltigkeit in den Finanzsektor zu integrieren, ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft.

In dem Call for Evidence wurden mehrere Fragen gestellt, die spezifische Aspekte innerhalb des von MiFID II festgelegten Rahmens für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Eignungsbeurteilung betreffen. Die Beantwortung dieser Einzelfragen löst jedoch nicht die grundsätzlichen Probleme, mit denen Berater konfrontiert sind, wenn sie Kleinanleger nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wir halten uns daher nachfolgend allgemein.

Keep it simple!

Wir wollen hier sehr klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass das extrem wichtige Ziel - Nachhaltigkeitsaspekte in die Finanzwelt zu integrieren und die Nachhaltigkeitsziele zu fördern, indem Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Beratung und Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten und Finanzanlageprodukten berücksichtigt werden – mit den derzeitigen Vorgaben aktuell keinesfalls erreicht werden kann.

Das grundsätzlich und unbedingt von uns unterstützte Ziel ist viel zu komplex und kompliziert umgesetzt worden und damit in der Anwendung für die Finanzvermittlerinnen und -vermittler und ihre Kunden weltfremd und in der Praxis nicht umsetzbar. Man kann von einem Scheitern der regulatorischen Vorgaben sprechen. Das sollte sich eingestanden werden und dann zu einem neuen Denken führen.

Änderungen in einzelnen Details werden das Grundproblem nicht lösen

Der derzeitige Rahmen ist äußerst komplex, sowohl für Berater als auch für die Anleger, denen die Berater die Konzepte vermitteln sollen. Dies gilt insbesondere für Begriffe und die dahinterstehenden Inhalte wie „Taxonomie” und „SFDR” und „PAIs”, bei denen es noch viele Unklarheiten gibt, wie auch für die schwer verständliche und komplizierte Festlegung z. B. von Ausschlussgrenzen.

Obwohl wir die Komplexität der MiFID II-Änderung sehr kritisch sehen, haben wir uns in den letzten Jahren intensiv bemüht, das damit verfolgte grundsätzliche Anliegen den deutschen Vermittlern und Beratern zu erläutern und den Weg aufzuzeigen, wie es im Kundengespräch umgesetzt werden kann. Im Ergebnis müssen wir festhalten, dass nur ein Bruchteil der deutschen Vermittler und Berater nach Kenntnis der Vorgaben Willens und in der Lage ist, die Vorgaben umzusetzen. Auch nur ein Bruchteil der Anleger ist bereit und in der Lage, den komplexen Abfrageprozess bis zum Ende durchzugehen.

Soweit von Erfolgen in der Umsetzung der regulatorischen Vorgaben beim Kunden die Rede ist, lohnt ein genaues Hinsehen, wie es dann tatsächlich erfolgt ist. In der Regel ist dann eher ein Abweichen von den Vorgaben hin zu deutlicher Vereinfachung zu verzeichnen.

Ergänzend noch zur Datenverfügbarkeit und -qualität: Selbstverständlich ist auch die Datenverfügbarkeit ein Problem. Genaue Daten sind nur für eine begrenzte Anzahl von Kriterien verfügbar, und die Methoden zur Messung sind nicht einheitlich. Die Berichtspflichten für Unternehmen setzen nur langsam ein, und einige Themen, wie biologische Vielfalt und soziale Fragen, sind sogar noch schwerer zu messen. Die Verwendung von Schätzungen und die Sorge vor Greenwashing sind weitere Herausforderungen.

Wir möchten unbedingt unsere Hoffnung darüber zum Ausdruck bringen, dass es mit den notwendigen, radikalen Änderungen der derzeitigen regulatorischen Vorgaben gelingen wird, das eigentlich verfolgte Ziel zu erreichen. Wir, unsere Mitglieder und ihre Kunden sind dafür bereit und wollen daran mitwirken.