Relevanz von Nachhaltigkeit bei Geldanlagen nimmt ab

21.02.2023

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Neben allen geopolitischen und von Inflation und Ukrainekrieg getriebenen Herausforderungen steht auch das Thema Nachhaltigkeit weiter mit hoher Priorisierung auf der politischen Agenda. Eine wichtige Rolle spielt dabei die private Finanzwirtschaft, der ein wesentlicher Einfluss auf die Transformation der Realwirtschaft zugesprochen wird.

Das Deutsche Institut fĂŒr Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) will deshalb in seinen Befragungen der Menschen in Deutschland regelmĂ€ĂŸig wissen, wie es um das Interesse der privaten Haushalte an nachhaltig eingestuften Geldanlagen steht. Denn je mehr privates Geld in diese Richtung fließt, desto besser kann die Finanzwirtschaft ihrer Verantwortung nachkommen.

Relevanz von Nachhaltigkeit nimmt ab

In einer aktuellen Befragung des DIVA von 2.000 BĂŒrgern in Deutschland bestĂ€tigen lediglich 37,7 % , dass Nachhaltigkeit Einfluss auf ihre Geldentscheidungen hat. Dazu Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA:

„Das bedeutet umgekehrt, dass fĂŒr knapp zwei Drittel das Thema bei ihrer Geldanlage keine Rolle spielt. Im Sommer 2022 waren das noch weniger als 60 %.“ Die GlaubwĂŒrdigkeit des Themas scheine bei den Geldanlegern abzunehmen: „Inzwischen halten ĂŒber 41 % der Befragten nachhaltige Geldanlagen bloß fĂŒr eine Modeerscheinung. Als wir im Sommer 2021 erstmals fragten, waren das noch 37,3 % Bemerkenswert ist, dass Befragte mit höheren Einkommen die grĂ¶ĂŸeren Zweifel an nachhaltigen Geldanlagen hegen. 46,4 % von ihnen – und damit erkennbar mehr als mittlere (39,5%) und niedrige (38,4%) Einkommen – sehen darin eine Modeerscheinung.

Bei den Beziehern höherer Einkommen hat sich der Wert seit der Erstbefragung im Sommer 2021 (36,7 %) um fast 10 Punkte erhöht. „Dies ist eine schlechte Nachricht, denn naturgemĂ€ĂŸ könnten Besserverdienende den grĂ¶ĂŸten finanziellen Beitrag zur Transformation leisten“, kommentiert Heuser.

Politik und Unternehmen sind gefordert

Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW, einer der TrĂ€gerverbĂ€nde des DIVA, sieht hier Politik und Finanzwirtschaft gleichermaßen gefordert: „Bislang ist noch nicht einmal geklĂ€rt, was ĂŒberhaupt eine nachhaltige Geldanlage sein soll. Dazu bedarf es nachvollziehbarer Kriterien, die die Politik setzen muss. Auch sorgt die Entscheidung um die Einbeziehung von Energiegewinnung durch Atomkraft und fossiles Erdgas als nachhaltige Übergangstechnologie fĂŒr UnverstĂ€ndnis.“

In die Richtung der Politik adressiert Wirth weitere klare Worte: „Die regulatorischen Vorgaben sind nahezu unverstĂ€ndlich, viel zu kompliziert und komplex. Das muss sich Ă€ndern, sonst gibt es kaum Akzeptanz bei den Vermittlern und ihren Kunden fĂŒr dieses doch so brennende Thema.“

Ansprache und AufklÀrung sind notwendig

Heuser sieht fehlende Kenntnisse als weiteren entscheidenden Grund fĂŒr die bisherige ZurĂŒckhaltung der Anleger. „In vielen wichtigen Lebensbereichen wie MobilitĂ€t, Energie oder ErnĂ€hrung spielt das Thema Nachhaltigkeit inzwischen eine grĂ¶ĂŸere Rolle als bei Geldanlagen. Fehlende Einsicht kann also nicht der Grund des mangelnden Interesses sein. Wir schließen aus den Umfrageergebnissen, dass viele die Möglichkeiten und Relevanz nachhaltiger Geldanlage gar nicht kennen“, so der DIVA-Direktor.

Wirth bestĂ€tigt dies mit Blick auf die Beratungspraxis der Mitglieder seines Verbandes: „Investiert ein Kunde am Ende in einen nachhaltig ausgerichteten Fonds, ist es in neun von zehn FĂ€llen der Berater, der den Kunden auf diese Möglichkeit angesprochen hat. Will die Politik bei diesem Thema vorankommen, sollte sie auf die StĂ€rkung der Berater setzen. Sie sind im Grunde ihre VerbĂŒndeten. Die aktuelle Diskussion der EuropĂ€ischen Kommission ĂŒber ein Provisionsverbot fĂŒr Anlageprodukte ist vor diesem Hintergrund kontraproduktiv“, so Wirth. (ml)