Unter Lagarde bleibt alles anders

15.07.2019

Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung / Foto: © Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung

Die Geldpolitik bleibt, wie sie war – nur expansiver

Wie viele andere Politiker in einem Umfeld überschuldeter Staaten bevorzugt Christine Lagarde ebenso eine Politik mit negativen Zinsen zur Bekämpfung deflationärer Risiken. Diese Politik, die in vielen Bereichen zu dramatischen Verwerfungen führt und die Altersvorsorgesysteme einen langsamen Tod beschert, dürfte weitergeführt und im Zweifel verstärkt werden. Für Frankreich und die südeuropäischen Länder sind das gute Nachrichten. Budgetdefizite werden so nicht mit steigenden Zinsen sanktioniert. Der Vermögenstransfer vom Gläubiger zum Schuldner findet so seine Fortsetzung. Der Gläubiger bekommt für sein Erspartes keinen Zins oder wird über negative Realzinsen Stück für Stück enteignet. Und wer glaubt, mit Banknoten unter dem Kopfkissen dem Negativzins ein Schnäppchen schlagen zu können, hat die Rechnung ohne die neue EZB-Präsidentin gemacht. Christine Lagarde hat sich in den vergangenen Jahren als entschiedene Bargeld-Gegnerin positioniert. Wir erwarten in den kommenden Jahren Maßnahmen mit dem Ziel die Bargeldbestände im Euroraum entsprechend stark zurückzudrängen.

Unter dem noch amtierenden Präsidenten Mario Draghi wurde schon mal der 500 Euro-Schein abgeschafft. Die Begründung dafür sollten wir in Zukunft noch öfter hören: Terrorfinanzierung, Schwarzarbeit und Geldwäsche. In Wirklichkeit lässt sich finanzielle Repression und Überwachung in einer bargeldlosen Welt wesentlich leichter umsetzen.

Weiterhin zinsloses Umfeld für Anleger

Lagarde wird als EZB-Chefin die Konjunktur durch Negativzinsen und Anleihekäufe stützen. Wir gehen zudem davon aus, dass die EZB ähnlich wie die Bank of Japan früher oder später auch Aktien erwirbt. Als Politikerin wird Lagarde aber noch weitere Maßnahmen ergreifen. Gut möglich, dass sie Deutschland zu einer lockereren Finanzpolitik auffordern und wohl auch Frankreichs Präsident Macron in seinem Drängen für „mehr Europa“ unterstützen wird, um systemische Risiken in der Region zu reduzieren. Alles im Sinne der südeuropäischen Länder und Frankreichs.

Für Anleger bedeutet dies alles ein Fortschreiben der Situation der vergangenen Jahre unter noch extremeren Bedingungen. Die Anlageklasse Anleihen ist als strategischer Vermögensbaustein mittlerweile weitestgehend ausgefallen. Solange der Euroraum in dieser Konstellation zusammenbleibt kann es keine nennenswerten Realzinsen mehr geben. Anleger werden sich zunehmend anderen Anlageklassen zuwenden, solange bis diese ebenso keine attraktiven Renditen mehr abwerfen. Erste Tendenzen sind im Immobilienbereich zu beobachten. Dagegen dürften Edelmetalle und Teile des Aktienmarktes langfristig in diesem Umfeld noch Aufholpotential aufweisen. Der Sparer allerdings wird weiter verlieren, unter Lagarde vielleicht noch schneller.

Kolumne von Markus Steinbeis, Geschäftsführender Gesellschafter der steinbeis & häcker vermögensverwaltung gmbh