100 Milliarden Euro-Refinanzierungslücke im Immobiliensektor

28.10.2025

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Kredite in Milliardenhöhe laufen aus, Banken ziehen sich zurück, die Refinanzierungslücke wächst auf historische Dimensionen. Während klassische Finanzierungswege zunehmend versperrt sind, eröffnen sich mit Private Debt neue Spielräume und Chancen für Investoren wie auch für Projektentwickler.

Der gewerbliche Immobilienmarkt steht vor der Herausforderung einer nie dagewesenen Refinanzierungslücke: Laut empira laufen in diesem Jahr in Europa Immobilienkredite mit einem Volumen in Höhe von rund 130 Mrd. Euro aus, auf Deutschland entfällt dabei ein maßgeblicher Anteil. 2026 steigt das Volumen gar auf 185 Mrd. Euro. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen nach wie vor angespannt – gestiegene Finanzierungskosten, sinkende Marktwerte und deutlich vorsichtigere Banken prägen das Umfeld. Diese immense Finanzierungslücke zu schließen, wird damit zu einer ganz speziellen Herausforderung – zumal zahlreiche Immobilienkredite in Niedrigzinszeiten und mit hohen Beleihungsausläufen vergeben wurden. Mit dem Preisrückgang am Immobilienmarkt und drastisch gestiegenen Zinsen lässt sich dieses Kreditvolumen oft nicht mehr über klassische Banken refinanzieren. Hinzu kommen strengere regulatorische Vorgaben wie CRR III, eine konservativere Risikobewertung und mehr Abschreibungsbedarf infolge der Wertanpassungen in den Bilanzen. Banken begleiten neue Finanzierungen meist nur noch mit einem Loan-toValue (LTV) bis maximal 60 %. Das Risiko von Prolongationsausfällen steigt, während zahlreiche Entwickler und Bestandshalter dringend nach neuen Kapitalquellen suchen. Die anhaltende Insolvenzwelle deutet leider darauf hin, dass noch weitere Marktteilnehmer unter Druck geraten werden. Und bislang zeigten sich Banken wenig kompromissbereit, wenn es um Stundungen oder Reduzierungen bestehender Forderungen ging.

Private Debt schließt die Lücke

In dieses Vakuum stoßen alternative, professionelle PrivateDebt-Finanzierer. Anders als Banken unterliegen sie nicht den neuen Eigenkapitalvorschriften, sondern agieren auf Basis des Kapitalanlagegesetzbuchs mit mehr Flexibilität und Marktnähe. Ihre Konditionen nähern sich gar denen der Banken an, was sie noch attraktiver macht. Whole Loans scheinen dabei das Gebot der Stunde zu sein. Nach dem Motto „alles aus einer Hand“ decken Whole Loans den gesamten Finanzierungsbedarf, bilden also die Seniorund Junior-Tranche ab. Bauträger und Projektentwickler können so gänzlich auf eine Zusammenarbeit mit Banken verzichten, was den Prüfungs- und Verhandlungsprozess deutlich vereinfacht. Gegen höhere, aber marktgerechte Zinsen sind Beleihungsausläufe von bis zu 75 % möglich. Whole Loans verschaffen Kreditnehmern folglich Handlungsspielräume, während Investoren von höheren Margen profitieren. Und so wundert es nicht, dass das Angebot und die Nachfrage nach Whole Loans in den zurückliegenden Monaten immens gestiegen ist. Gerade institutionellen Anlegern mit langjähriger Erfahrung in der direkten Darlehensvergabe erkennen gezielt Chancen im Whole Loan-Segment. Einige Kreditfonds spüren noch die Nachwirkungen der Turbulenzen an den Immobilienmärkten und die Schieflagen einzelner Vehikel. Viele Investoren, die über Kreditfonds engagiert waren, bleiben zurückhaltend. Verfehlte Renditeziele und teils erhebliche Abschreibungen auf frühere Investments haben dem Image der Assetklasse geschadet. Allerdings ist hier bereits eine neue Dynamik zu spüren: Neue Fonds kommen auf den Markt, von nationalen als auch internationalen Anbietern. Sie lancieren gezielt neue Produkte, um die Chancen des aktuellen Finanzierungsumfelds zu nutzen. Parallel dazu wächst bei institutionellen Investoren die Bereitschaft, wieder in die Assetklasse Real Estate Debt zu investieren – bevorzugt über Fondsstrukturen. Ein wirkungsvoller Hebel zur Steigerung von Effizienz und Rendite eines Debt-Fonds ist zudem der Einsatz von Back Leverage. Dabei nimmt der Fonds selbst Fremdkapital auf, um das vorhandene Eigenkapital zu hebeln. So können zusätzliche Darlehen vergeben werden, ohne die Eigenkapitalbasis unmittelbar ausweiten zu müssen. Vor allem internationale Fonds refinanzieren damit ihre eigenen Positionen über Banken.

Blick ins Ausland

Steigende Finanzierungskosten, regulatorische Unsicherheiten und eine zurückhaltende Investitionsbereitschaft prägen ganz Europa. Gleichzeitig zeigen viele Länder eine deutlich dynamischere wirtschaftliche Erholung als Deutschland. Und so haben hier die Finanzierungsaktivitäten wesentlich schneller wieder Fahrt aufgenommen. Besonders in den Niederlanden, Frankreich, Spanien oder Polen können derzeit mehr Transaktionen realisiert werden als auf dem heimischen Markt. Diese Länder zeichnen sich durch ein Umfeld aus, das alternativen Kapitalgebern eine breitere Basis für ihre Strategien bietet. Zudem sind internationale Private Equity-Adressen deutlich offener für Nachrangfinanzierungen. Allerdings passen hohe Zinserwartungen und Darlehenszielvolumina ab 20 Mio. Euro aufwärts häufig nicht zum aktuellen Marktgeschehen, auch wenn es Einigkeit zum Marktwert, Businessplan und Entwicklungspotenzial des zu finanzierenden Assets gibt. Angebot und Nachfrage finden hier derzeit nur sehr vereinzelt zueinander.

Fazit – Private Debt als stabilisierender Faktor

Die Refinanzierungslücke ist real, belegt und erreicht neue Dimensionen. Sie wird zum Lackmustest für den Finanzierungsmarkt. Wo Banken an regulatorische wie wirtschaftliche Grenzen stoßen, schließen Private Debt-Fonds die Lücke – mit maßgeschneiderten, flexiblen Kreditlösungen, die Entwicklern und Investoren gleichermaßen Stabilität, schnelle Transaktionen und attraktive, risikoadjustierte Renditen bieten. Damit werden sie zum strategischen Instrument einer neuen Immobilienfinanzierung: nicht nur als Notlösung, sondern als zukunftsweisender, eigenständiger Baustein. Das Gute: Nahezu alle Marktakteure haben sich mittlerweile auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt. Überzogene Exit-Annahmen, wie sie im vergangenen Jahr noch verbreitet waren, sind heute kaum noch zu finden. Und so nehmen Transaktionen zu, einzelne Banken sowie alternative Kapitalgeber zeigen punktuell Bereitschaft, bei Seniorstrukturen moderate Haircuts zu akzeptieren. Entscheidend wird sein, ob die in Aussicht gestellten Finanzierungen und Projekte tatsächlich konkret umgesetzt und finalisiert werden. Private Debt ist also gekommen, um zu bleiben. Das muss es auch, um die Refinanzierungslücke zu schließen. Insbesondere Whole Loans etablieren sich dabei als ernstzunehmende Alternative zur klassischen Bankenfinanzierung.

Ein Beitrag von Curth C. Flatow, Managing Partner, FAP Group